Von Christoph Sator, dpa
Der Quadratmeter Boden ist in Singapur deutlich mehr wert als anderswo. Zu sehen ist das in der Regel allerdings nicht. Nun jedoch gibt es in dem asiatischen Stadtstaat, einer der teuersten Ecken der Welt, eine Adresse, wo der Wert auch anschaulich wird: in einer Straße namens Jalan Kilang, Hausnummer 20. Wo vor kurzem noch ein einfaches Lagerhaus stand, ragt nun ein 15-stöckiger Autoturm mit Nobelkarossen für viele Millionen in den Himmel.
Die Schaufenster reichen bis hinauf in 45 Meter Höhe. Auf vier Stellplätzen pro Etage sind 60 Modelle ausgestellt: britische Edelklasse wie Rolls-Royce, Bentley oder Aston Martin, deutsche Luxusmodelle von Porsche, Mercedes und BMW, italienische Sportwagen-Klassiker wie ein Ferrari 512M, ein Lamborghini Aventador und ein Maserati Quattroporte. Teurer geht kaum.
Das Ganze sieht aus wie ein viel zu groß geratener Süßigkeiten-Automat. Oder wie ein Kleine-Jungen-Traum, der wahr geworden ist. Nur, dass es sich um keine Matchbox-Modelle handelt. Tatsächlich will Firmenchef Gary Hong (45) die Idee dazu gehabt haben, als er mit seinem kleinen Sohn im Spielzeugladen war. Die Umsetzung kostete drei Millionen Singapur-Dollar (etwa 1,9 Millionen Euro). Vor allem in der Dunkelheit ist der Anblick spektakulär.
Hong leitet das Autohaus ABM (ausgeschrieben: Autobahn Motors) zusammen mit drei Brüdern. Der Familienbetrieb hat sich seit 25 Jahren auf den Verkauf von gebrauchten Luxuswagen spezialisiert. In Singapur gibt es einen ziemlich großen Markt dafür. Die 5,6-Millionen-Einwohner-Stadt hat Millionäre genug, die sich ein Faible für teure Autos leisten können. Was es weniger gibt: Platz und Zeit manchmal auch.
Eine Art Selbstbedienungssystem
Also beschloss Hong, in die Höhe zu bauen und eine Art Selbstbedienungssystem zu entwickeln. Das Wunschauto lässt sich nun im Erdgeschoss mit einem Fingertipp auf einem Display bestellen. Der Wagen wird dann innerhalb von zwei Minuten über ein Rollbandsystem mit dem Aufzug nach unten gebracht. Die Wartezeit kann der Kunde in einem teuren Ledersofa damit verbringen, sich das eigens gedrehte Video über seines Auto anzusehen. Voraussetzung für alles ist natürlich, dass die Kreditkarte das aushält.
Das Konzept scheint aufzugehen: In den ersten Monaten hat ABM nach eigenen Angaben bereits 30 Autos verkauft. Teuerster Wagen war ein Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé, der für 900.000 Singapur-Dollar (etwa 580.000 Euro) den Besitzer wechselte.
Perry Sim kam an dem Auto-Maten billiger davon. Er zahlte für einen Nissan G-TR, ein Sportwagen-Coupé, umgerechnet etwa 130 000 Euro. "Das war eine richtige Wow-Erfahrung", schwärmt der 39-Jährige. "Als das Auto mit dem Lift nach unten kam, war das ein wunderbares Erlebnis. Ich habe gekauft, ohne eine einzige Testfahrt zu machen."
Interesse an deutschen Autos besonders groß
Die meisten Käufer waren bislang tatsächlich Männer. Aber es gebe unter seinen Kunden auch eine "beträchtliche Anzahl Frauen", sagt Hong. Mehr will er nicht verraten. Das Interesse an deutschen Autos sei besonders groß. "Die haben bei uns in Singapur einen ausgezeichneten Ruf, weil sie extrem zuverlässig sind." Ein Golf Cabrio, Baujahr 2013, gehört bei ABM zu den billigeren Modellen.
Automatisierte Autohäuser gibt es auch schon in den USA und in Japan, allerdings in kleinerem Maßstab. In Deutschland hat VW in seiner Wolfsburger "Autostadt" zwei Autotürme gebaut, wo man sich den Neuwagen abholen kann. Bei der Daimler-Marke Smart gehören in die Höhe gebaute Showrooms auch schon seit einigen Jahren zum Konzept - allerdings ohne Direktverkauf und doch mit einigen Etagen weniger.
Hong hält sein System jedenfalls für einzigartig. Mit viel Stolz spricht er von der "größten Auto-Verkaufsmaschine der Welt". Auf jeden Fall hat die Idee aus Singapur auch schon Interessenten aus dem Ausland angelockt. Mehrere andere Händler interessieren sich dafür - aber auch einige Leute aus Städten mit ähnlichen Platzproblemen, die die Technik für Parkhäuser nutzen wollen.
Marco Schulz