Mobilde.de-Chef Malte Krüger: "Wikipedia für Autos"

Der Fahrzeughandel im Internet verändert sich stetig weiter. Neue Player, anspruchsvolle Autokäufer und neue digitale Möglichkeiten treiben die etablierten Onlineportale. Auch Mobile.de ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus. Was der Marktführer 2017 vorhat, erklärt Geschäftsführer Malte Krüger im AUTOHAUS-Interview. AH: Die Autohändler sind mit dem Jahr 2016 zufrieden. Wie lief es für Mobile.de? M. Krüger: Wir konnten 2016 beim Umsatz gut zweistellig wachsen. Unsere Visits - die wichtigste Währung für den Autohandel - haben wir um sechs Prozent gesteigert und verzeichnen jetzt im Jahr 1,6 Milliarden Besuche auf Mobile.de. Das ist eine Riesenzahl. Im Dezember hatten wir rund doppelt so viele Visits wie der Wettbewerb. Pro Monat schicken wir ungefähr 3,6 Millionen Leads über E-Mail oder Telefon an die angeschlossenen Händler. Auf der Angebotsseite hatten wir 2016 drei Prozent mehr Listings. Insbesondere die Neuwagen-Angebote nehmen zu. Die Händler erkennen das Potenzial. AH: Im vergangenen Jahr sind ja auch ein paar neue Services dazugekommen. M. Krüger: Wir hatten vor allem zwei große Themen. Zum einen haben wir im Februar nach einer ausgedehnten Testphase die Händlerbewertungen eingeführt. Nach anfänglichen Bauchschmerzen bei den Autohändlern ist das Tool jetzt gar nicht mehr wegzudenken. Wir haben mittlerweile rund 260.000 Bewertungen mit einem Schnitt von 4,4 Sternen. Die Händler fragen nicht mehr, ob das Bewertungssystem sinnvoll ist, sondern wie sie es am besten für sich nutzen können. Zum anderen haben wir 2016 unser neues Servicemodell aufgesetzt; ab Januar ist es jetzt auch live. Und es übertrifft bisher alle unsere Erwartungen. Wir hatten uns das Ziel gesetzt, bis Ende 2017 rund 20 Prozent unserer Händlerpartner auf die höheren Pakete umzustellen, und der Auftakt ist schon über Plan. Ein Highlight ist sicherlich auch die Kooperation mit dem Schwesterportal Ebay-Kleinanzeigen, die wir letztes Jahr gestartet haben. Da machen über 8.000 Autohändler mit. Über 120.000 Fahrzeuge unter 10.000 Euro werden von Mobile. de automatisch an Ebay-Kleinanzeigen transferiert. Diese Fahrzeuge bekommen dadurch noch einmal 30 Prozent mehr Nachfrage. Was dem Handel zudem gefällt, ist die lokale Ausrichtung der Plattform. Diese Kooperation wollen wir weiter ausbauen. AH: Beim neuen Preissystem wurde der Vorwurf laut, das sei letztlich eine versteckte Preiserhöhung. M. Krüger: Nein, das ist keine versteckte Preiserhöhung. Wir hatten 19 Jahre lang ein Preismodell für alle Händler, obwohl der Markt sehr heterogen ist. Jetzt bieten wir für die verschiedenen Bedürfnisse der Betriebe individuelle Pakete an. Jeder Händler kann bei seinem bisherigen Standardpaket bleiben ohne Preisanpassung. Wer aber sein Geschäft effizienter betreiben will, kann ein höheres Paket buchen - das Komfort-Paket oder das Premium-Paket. Das Schöne ist: Das Feedback der Händler ist sehr gut. Wir sind damit absolut am Puls der Branche. AH: Wie sind die bisherigen Erfahrungen mit der Händlerbewertung? M. Krüger: Wir hatten eine lange Einführungsphase bis Februar 2016 und haben mit Händlern, Verbänden und anderen Marktteilnehmern ausführlich gesprochen. Trotzdem gab es im Februar nochmal einen kleinen Aufschrei. Aber wir sehen jetzt den Erfolg. Zum einen sind mittlerweile über 200.000 Bewertungen online, zum anderen schneiden die deutschen Autohändler mit durchschnittlich 4,4 von fünf Sternen und einer Weiterempfehlungsquote von über 80 Prozent sehr gut ab. Die Betriebe beschäftigen sich mit dem Thema Kundenfeedback im Internet und lernen, auch mit schlechten Kommentaren richtig umzugehen. Das Thema Reklamationsbehandlung bietet ja auch Chancen, der Händler kann auf den Kommentar reagieren und mit dem Kunden in Kontakt treten. Außerdem möchte ich betonen, dass wir die Bewertungen streng prüfen, sowohl automatisch im System als auch durch unsere Mitarbeiter. Fake-Bewertungen gibt es da nur im Promillebereich. AH: Die Kunden greifen immer noch gerne zum Telefon. Wie sieht es bei der digitalen Kommunikation aus? M. Krüger: Die Frage, die wir uns dieses Jahr genau anschauen werden, ist: Wann kommt der Chat? Unsere Schwester Ebay-Kleinanzeigen hat gute Erfahrungen mit "In App Chat" gemacht. Dabei verlässt der Kunde zur Kommunikation die App gar nicht mehr. Die Zufriedenheitsraten sind sehr hoch, da die Kommunikation direkter und schneller ist. Das rollen wir jetzt in der Ebay Classifieds Group weltweit für alle Anzeigen-Privatkunden aus. Es kommt aber sicher auch für den Handel. Der Trend geht absolut dahin. AH: Wie ist das Verhältnis von Privat- und Händlerangebot? M. Krüger: 1,2 Millionen Fahrzeuge auf Mobile.de kommen aus dem Handel, 200.000 von Privathaltern. Wir wissen aus verschiedenen Studien, dass einerseits der Verkauf für den Privatkunden noch nicht ideal läuft und andererseits der Handel am Zukauf interessiert ist. Wir werden daher voraussichtlich Ende des dritten Quartals eine entsprechende Lösung anbieten, um den Verkauf für Privatkunden zu vereinfachen und dem Handel eine neue Zukaufsquelle zu eröffnen. Wir werden anders als der Wettbewerb aber die Autos nicht selbst ankaufen, sondern die Händlerstandorte in Deutschland nutzen, die mit uns im Fahrzeugverkauf erfolgreich zusammenarbeiten. Damit können wir im Gegensatz zum Wettbewerb noch mehr lokale Nähe für den Autoverkäufer sicherstellen. Allerdings werden wir hier nicht mit allen Händlern zusammenarbeiten, nicht alle unserer 40.000 Partner sind dafür geeignet und daran interessiert. Wir wollen die Besten, diejenigen, die die Prozesse für die Hereinnahme auch darstellen können. Daher werden wir darauf achten, dass die teilnehmenden Betriebe ordentlich performen und bestimmte Kriterien erfüllen. Aber wir werden die Partnerbetriebe auch qualifizieren und stark in das Thema Schulung investieren. Wir suchen bereits interessierte Händler, die mit uns in den Probelauf gehen wollen. Das ist auch für uns ein anderes Geschäft. AH: Ein "anderes Geschäft" ist auch immer noch der Neuwagenvertrieb im Internet. Wie entwickelt sich diese Sparte? M. Krüger: Wir haben rund eine Million Gebrauchtwagen und 180.000 Neuwagen inklusive Tageszulassungen auf der Plattform. 2016 stieg das Neuwagen-Angebot um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Geschäft nimmt also zu. Allerdings muss man unterscheiden zwischen Bestandsfahrzeugen, die der Handel immer öfter online einstellt, und Bestellfahrzeugen. Bei Letzteren sind die Hersteller stärker aufgestellt, einen Markenkonfigurator beispielsweise werden wir nie kopieren können. Es gibt meines Erachtens generell noch kein Format, das Verkaufsanbahnung, Konfiguration und Bestellung von Neuwagen im Internet erfolgreich abwickelt. Schon allein die Komplexität des Modellangebots ist ein großes Hindernis. Und die typischen Neuwagenkäufer jenseits der 50 sind auch nicht gerade "digital natives". Das wird eine längere Reise. AH: Vor allem die Online-Recherche ist für Käufer mittlerweile selbstverständlich. Mit Motortalk hat Mobile.de eine große Community angeschlossen. Wird es hier 2017 ein neues Angebot geben? M. Krüger: Ja, eine umfangreiche Modelledatenbank. Bisher läuft das Projekt unter dem Arbeitstitel Carfacto. Man könnte sagen: Das wird das Wikipedia für Autos, nur übersichtlicher und optisch viel besser aufbereitet. Wir unterteilen den Kaufprozess in die Orientierungsphase, die Konkretisierungsphase und die Realisierungsphase. Mobile.de war traditionell immer stark in den letzten beiden. Beim Thema Orientierung geht es um die Kundeninformation: Was ist das richtige Fahrzeugmodell für mich und wie suche ich das aus. Mit Carfacto wollen wir sehr übersichtlich alle Fakten zu einem Automodell auf einer Seite zeigen - also alle technischen Daten, Fotos, Videos, Fahrzeugpreise, Daten zum Total Cost Of Ownership, Infos von Dekra, von EuroNCAP Crashtests, vom ADAC und natürlich Testberichte von Motortalk-Usern. Und das für alle Modelle. Das ist in dieser Form einzigartig, das gibt es sonst nicht im deutschen Internet. Der Test startet Ende Februar, und voraussichtlich Anfang des zweiten Halbjahrs werden wir es auf Mobile.de ausrollen. Wir wollen zunächst rund 80 Prozent des Modellangebots in Deutschland abdecken. AH: Das sieht nach einem umfangreichen Vorhaben mit großem Pflegeaufwand aus. M. Krüger: Ja. Hinter dem Produkt stehen eine komplexe Datenbank und verschiedene Schnittstellenprozesse. Hier haben wir im vergangenen Jahr umfangreich investiert. Zwei wichtige Assets für uns sind in diesem Zusammenhang die Redaktion und die Community von Motortalk. AH: Wie kann der Handel profitieren? M. Krüger: Kunden suchen nach mehr Orientierung und Transparenz. Das werden wir bieten und den Autokauf damit weiter vereinfachen. Den Händlern schicken wir so mehr qualifizierte Nachfrage auf den Hof. AH: Wie sieht es beim Thema Finanzierungsangebote aus? M. Krüger: Das ist ein spannendes Thema. Heute machen wir das recht einfach, aber erfolgreich mit "Check24". Natürlich gibt es auch Werbekooperationen mit einzelnen Autobanken. Aber wir glauben, dass das noch nicht die beste Lösung für Händler und Kunden ist. Daher haben wir schon im vergangenen Jahr eine kleine Einheit gebildet, die sich das genauer anschauen wird. Wir sprechen aktuell mit verschiedenen Parteien. Auch die Banken merken ja, sie müssen verstärkt in die Digitalisierung. AH: Die dritte Dimension bei Transparenz - neben Händlerbewertung und Modelledatenbank - ist der Preis. Mobile.de hat doch sicher detaillierte Marktdaten. M. Krüger: Wir werden Preisinformationen nicht für Käufer ausspielen, aber ein Produkt zur Information der Händler, wie marktkonform ihre Preise sind, ist denkbar. Da sind wir aber noch in einem frühen Entwicklungsstadium, da habe ich noch keinen Zeitplan. Wir haben bereits erste Anläufe im Datengeschäft gemacht, haben aber gemerkt, dass wir da länger brauchen. Interview: Ralph M. Meunzel, Frank Selzle Kurzfassung Der Wettbewerb im Onlinehandel wird intensiver. Mobile.de will seine Position in diesem Jahr mit einer eigenen Zukaufslösung für Gebrauchtwagen stärken. Daneben plant die Plattform eine umfangreiche Modelledatenbank.

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