Gastkommentar: Die Marke machts!

Die Marke machts! Das führt zunächst zu der Frage: Was ist überhaupt eine Marke? Marken sind nicht automatisch das, was in einem Marketingkonzept steht. Auch nicht zwangsläufig das, was sich der Marketingvorstand wünscht. Und eine Marke ist auch nicht nur ein Name oder ein Symbol. Marken sind vielmehr Vorstellungbilder im Kopf des Konsumenten, des Kunden, der Zielgruppe. Sei es der Endverbraucher im B2C, sei es der Kunde im B2B. Eine Marke ist die Gesamtheit der Erfahrungen, die Verbraucher, Mitarbeiter und Partner mit einem Unternehmen und dessen Produkten machen. Im Kopf des Kunden sieht das hin und wieder anders aus als in der Vorstellung einer Marketingabteilung. Die Marketingabteilung von Harley-Davidson dachte, der Harley-Davidson-Fahrer sei ein Motorradfahrer mit Geld und Wunsch nach viel Ausstattung. So produzierte man Accessoires nach dem Motto ,Alles rund ums Motorrad', zum Beispiel auch ein Parfum. Das allerdings war ein großer Irrtum. Der Harley-Davidson-Fahrer auf seiner Roadking sieht sich als Fahrer auf einer schnurgeraden Straße in Wyoming, meilenweit geradeaus, Büffel rechts und links, und er fährt hinein in den roten Feuerball des Sonnenuntergangs. Woran denkt er? Wie fühlt er sich? Er denkt an Männlichkeit, an Abenteuerlust, an Freiheit. Das ist in seinem Kopf. Woran er als Letztes denkt, ist Parfum. Er denkt eher an das Gegenteil von Parfum. Harley-Davidson-Parfum war ein Flop. So kann man sich als Hersteller irren. Bilder im Kopf des Konsumenten Es kommt also an auf die Vorstellung im Kopf des Kunden. Diese Vorstellungsbilder entstehen als Puzzle aus allen Bausteinen, die mit der Marke verbunden sind: das Produkt, das Werbebild, die Website, das Logo, der Slogan, der Verkäufer, kurzum: alle Bilder aus allen Kontaktpunkten (Touchpoints) mit dem Kunden. Starke Marken schaffen Emotionen, bildhafte positive Vorstellungen im Kopf des Konsumenten. Viele denken bei der Marke Ferrari an Niki Lauda mit der roten Mütze. Bei Apple sieht man den angebissenen Apfel vor sich, verbunden mit dem iPhone, bei Mercedes-Benz den Stern. Bei einem Autovermieter ist es vielleicht der freundliche Mitarbeiter, der immer hilfsbereit ist. Bei einem Lieferanten denkt der Kunde möglicherweise an den Mitarbeiter, der regelmäßig täglich zur Stelle ist. Das sind viele Bilder im Kopf. Der Markenexperte Franz-Rudolf Esch sagt: Bei starken Marken setzt der Verstand aus. Vertrauen in das Produkt Marken gibt es viele; fast 900.000 deutsche Marken sind registriert, noch mehr internationale kommen hinzu. In der Automobilbranche zählt das Kraftfahrzeugbundesamt (KBA) in der Zulassungsstatistik allein 60 Automobilmarken. Hinzu kommen die Marken von Händlern, Zulieferern, Dienstleistern aller Art. Alle wollen irgendwie in den Kopf des Kunden. Wie schafft man das? Starke Marken schaffen nicht nur Bilder, sondern auch und vor allem Vertrauen in das Produkt oder die Dienstleistung. Marken repräsentieren ein klares Leistungsversprechen, das aber auch jeden Tag kontinuierlich eingelöst werden muss. Bedingung für das Entstehen von Vertrauen ist Vertrautheit. Der Mensch vertraut einer Sache nicht, die ihm nicht vertraut ist. Er kauft in der Regel ein Produkt nur, wenn er die Marke kennt und ihr vertraut. Vertrautheit wiederum erfordert Bekanntheit, also Aufmerksamkeit, Attention, Awareness. Hier haben etablierte Marken gegenüber neuen Marken einen unschätzbaren Vorteil. Das merken gerade die chinesischen Automobilhersteller, die in Europa Fuß fassen wollen. Ihnen fehlen Bekanntheit, Vertrautheit, Vertrauen des Kunden. Stärke durch Innovation Etablierte Marken haben aber nur dann den Vorteil, wenn sie kontinuierlich gute Markenarbeit geleistet haben. Das Vertraute der Marke muss mit ständigen Innovationen verbunden sein. Ohne Innovationen bei Produkt oder Dienstleistungen und bei einigen anderen Facetten des Marketings kann keine starke Marke stark bleiben. Eine Marke wie Asbach Uralt hat bei Innovationen natürlich ein Handikap, wenn die Marke nicht nur Asbach Uralt heißt, sondern auch noch ist (gegründet 1892). Aber auch hier gibt es Innovationen: Die Marke ist gerade dabei, mit Mixgetränken wie Asbach Cola den Turnaround zu schaffen. Das Mixgetränk trifft bei Jüngeren offenbar einen Nerv. Innovationen betreffen aber nicht nur das Produkt oder die Dienstleistung, sondern auch Kommunikationskanäle, Finanzierungsformen, Werbeauftritt, den Kontakt mit dem Kunden und vieles anderes mehr. Starke Marken differenzieren sich vom Wettbewerb, sie haben ein Alleinstellungsmerkmal (USP: Unique Selling Proposition), einen einzigartigen Wert oder Nutzen. Sie schaffen eine emotionale Bindung zum Kunden. Konsistenz und Kontinuität Das alles funktioniert nur, wenn konsequente Kundenorientierung gelebt wird. Nur so setzt sich das vom Kunden positiv Erlebte in seinem Kopf fest. Starke Marken sind konsistent bei Produkt, Qualität, Stil, Botschaft, Kundenerlebnis, Kundenservice. Sie sind glaubwürdig. Und starke Marken zeigen Kontinuität: keine kurzfristige Hektik, kein ständiger Wechsel von Agentur, Markenzeichen oder Ähnlichem. Neue Marketingleiter oder Marketingvorstände wollen immer zeigen, was sie können. Da Produkte und Dienstleistungen nicht ganz so schnell zu verändern oder zu verbessern sind, wird zunächst die Agentur gewechselt, dann der Slogan, das Logo und schließlich der gesamte Marketingauftritt. Was verbessert sich dadurch? Nichts oder nicht viel. Dieser situative Aktionismus ist kontraproduktiv. Starke Marken haben eine langfristige Ausrichtung und einen langen Atem. Starke Marken erzielen damit eine hohe Kundenloyalität und eine hohe Wiederkaufrate. Zufriedene Kunden kaufen häufiger und werden zu Stammkunden. Konsequente Markenführung heißt, nicht in Wochen und Monaten, sondern in Jahren, wenn nicht in Jahrzehnten zu denken. Fazit Starke Marken schaffen Vertrauen, finden die Balance zwischen Vertrautheit und Innovation, differenzieren sich vom Wettbewerb, sind konsequent kundenorientiert, sind konsistent und glaubwürdig - und zeigen Kontinuität. DER AUTOR Dr. Armin Schirmer war langjähriger Manager in der Automobilindustrie und ist als Dozent für automobiles Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) und am Institut für Automobilwirtschaft (IfA) in Geislingen tätig. LITERATURTIPP: Dr. Armin Schirmer analysiert in seinem neuen Buch die automobilen Markenpolitik der letzten 90 Jahre und spürt Marketing-Hypes nach. Armin Schirmer: "Tops und Flops, Mythen und Hypes im automobilen Marketing", Springer Vieweg, Berlin 2024

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