Aufbereitung: Herausforderung Mindestlohn

Das deutsche Arbeitsrecht kannte bislang keinen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn. Stattdessen enthielten mehrere Gesetze im Detail unterschiedliche Instrumente zur Gewährleistung von Mindestlöhnen, erklärte Ralf Zimmermann, Richter am Arbeitsgericht in Hannover, auf einer Verlagsveranstaltung der Springer Fachmedien München GmbH, zu der auch AUTOHAUS gehört. Bislang orientierte sich die Rechtsprechung meist am Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) oder dem Tarifvertragsgesetz. Die Praxis ändert sich 2015: Mit dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie wird ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland eingeführt. Die Auswirkungen sind nicht unerheblich: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) berechnete, dass infolge der Einführung des MiLoG rund 3,7 Millionen Beschäftigte einen höheren Lohn erhalten werden. Schon kurz nachdem der Gesetzesentwurf publik wurde, meldeten sich erste Kritiker zu Wort: Deren Berechnungen zufolge koste die Anhebung der Löhne bis zu zehn Milliarden Euro. Lohnniveau in der Branche Eine Stundenvergütung von 8,50 Euro führt bei einer 40-Stunden-Woche zu einem Brutto-Monatsgehalt von 1.470,50 Euro. Die Autohäuser entlohnen ihre Mitarbeiter zumeist großzügiger und sind somit bei den meisten Tätigkeitsprofilen aus dem Schneider. Laut dem letzten AUTOHAUS-Vergütungsreport gibt es naturgemäß geografische und markenspezifische Unterschiede, dennoch pendeln sich die Gehälter mit monatlich zwischen 2.396 Euro und 2.818 Euro oberhalb der Gefahrenzone ein. Bei der geringfügigen Beschäftigung sollten Inhaber jedoch vor Jahreswechsel noch einmal prüfen. Übrigens auch, weil bei der Erhöhung des Grundlohns die Grenze von 450 Euro im Monat überschritten werden dürfte. Zudem steht der Bereich Fahrzeugaufbereitung im Fokus. Der Mindestlohn wird nach Auffassung von Dietrich Asche vom Bundesverband Fahrzeugaufbereitung (BFA) eine Herausforderung darstellen. "Je nach Region wurden bisher auch deutlich geringere Löhne gezahlt." Er erwarte Preissteigerungen als Konsequenz. Ein Vorteil für die seriösen Anbieter aus der Branche sei, dass dadurch auch Dumpingangebote zurückgehen werden. Rahmenbedingungen Es gibt eine zweijährige Übergangsfrist für Branchen, für die per Tarifvertrag bereits eine Lohnuntergrenze gilt. Bis Ende 2016 sind dort niedrigere Tariflöhne erlaubt. Das betrifft allerdings nicht das Kfz-Handwerk bzw. die Fahrzeugaufbereiter. Zu den Branchen mit Übergangsfrist zählt unter anderem das Friseurhandwerk. Ab dem 1. Januar 2017 gilt der allgemein verbindliche Mindestlohn ohne jede Einschränkung. Der Betrag ist übrigens nicht in Stein gemeißelt, die Höhe wird jährlich, erstmals mit Wirkung zum 1. Januar 2018, überprüft und gegebenenfalls angepasst, informierte der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH). Der Mindestlohn gilt ab einem Alter von 18 Jahren. Das Anheben des Mindestalters auf 21 Jahre hatte demgegenüber ZDK-Präsident Jürgen Karpinski gefordert. Die derzeit gewählte niedrige Altersgrenze könnte zur Folge haben, dass potenziellen Azubis nach Schulabschluss der Weg auf den Arbeitsmarkt reizvoller erscheint. Die durchschnittliche Ausbildungsvergütung liegt schließlich unter der geplanten Höhe des Mindestlohns. In der vorgesehenen Form würden Bemühungen um qualifizierten Nachwuchs in massiver Weise behindert, erklärte Karpinski im Juni. Junge Menschen könnten dem Irrglauben erliegen, zur kurzfristigen Erfüllung eigener Wünsche mit schnellem Geld die langfristige Sicherheit und Perspektive einer qualifizierten und zukunftssicheren Ausbildung zu opfern. Neben den Auszubildenden findet der Mindestlohn keine Anwendung bei verpflichtenden Praktika. Ferner sind Langzeitarbeitslose ausgenommen, die in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Wer mehr als zwölf Monate arbeitslos war, hat im ersten halben Jahr keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Haftung und Dokumentation Eine Besonderheit des MiLoG besteht in der Haftung für die Versäumnisse der Nachunternehmer. Wer andere Unternehmer mit einer Werk- oder Dienstleistung beauftragt, haftet folglich wie ein Bürge dafür, dass der beauftragte Unternehmer oder dessen Auftragnehmer den Mindestlohn zahlt. Der Auftraggeber muss also auch für ein Unternehmen einstehen, mit dem er keinen Vertrag geschlossen hat und das er gegebenenfalls nicht kennt. Der Auftraggeber sollte den Auftragnehmer vertraglich zu einer rechtzeitigen Mindestlohnzahlung verpflichten, empfahl Rechtsanwalt Benjamin Sokolovic vom Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN). Darüber hinaus sollte der Auftraggeber die Selbsterbringung der angefragten Leistungen seitens des Dienstleisters vorschreiben. Alternativ muss sich der Auftraggeber zusichern lassen, nur mit eigener Zustimmung Nachunternehmer einzusetzen. Des Weiteren sollte eine Freistellungsvereinbarung bezüglich einer Haftung des Auftraggebers sowie eine Vertragsstrafe für den Auftragnehmer im Falle der Zuwiderhandlung Vertragsbestandteil sein. Gemäß §17 des MiLoG unterliegen Unternehmer zusätzlichen Dokumentationspflichten: So müssen die Arbeitszeiten aller Mitarbeiter spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufgezeichnet und mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden. Kfz-Betriebe und Fahrzeugaufbereiter müssen sich im eigenen Interesse dafür einsetzen, dass Subunternehmer die neuen Mindestlohnregelungen einhalten und auch dokumentieren. Dietrich Asche erklärte: "Wie so häufig gilt auch hier: Wer schreibt, der bleibt." Kontrolle durch den Zoll Die Bau-Gewerkschaft kritisierte, dass die kaum mehr als 6.000 Kontrolleure umfassende Zollbehörde keinen wirksamen Schutz gewährleisten kann. Zwar ist von einer Aufstockung in einer Größenordnung von rund 1.600 zusätzlichen Fahndern die Rede, doch selbst damit seien nur laxe Kontrollen möglich. Doch Vorsicht, eine Nichtbeachtung kann sehr teuer werden: Laut Richter Ralf Zimmermann werden Verstöße mit einer Höchststrafe von bis zu 500.000 Euro geahndet. Es gilt folgende Faustformel: Bei Verstößen muss sich der Unternehmer auf den doppelten Wert des nicht gezahlten Mindestlohns inklusive 30 Prozent einstellen. Bei Vorsatz erfolgt wiederum eine Verdoppelung (siehe Kasten). Betriebe werden Angebote neu berechnen und teils die Preise erhöhen. Einer Umfrage des Ifo-Instituts zufolge planen betroffene Unternehmen zudem die Kürzung von Sonderzahlungen (23 Prozent), Personalabbau (22 Prozent) und/oder eine Arbeitszeitverkürzung (18 Prozent). Neue Tarife müssen Kunden erklärt werden: "Dort wo Anpassungen vorgenommen werden müssen, sind Kundengespräche zu führen. Ein verständiger Kunde wird den Unternehmen aber erhalten bleiben, wenn er mit der Qualität zufrieden ist, denn alle Aufbereitungsunternehmen müssen ihre Vergütungsregelungen gleichermaßen anpassen", erklärte Dietrich Asche, der in Personalunion zur BFA-Geschäftsführung auch die Kia- und Subaru-Händlerverbände leitet. Kurzfassung Betriebsinhaber müssen ab Jahreswechsel die Neuregelungen zum Mindestlohn beachten. Der Fahrzeugaufbereitung könnte dadurch eine strukturelle Veränderung ins Haus stehen. Auftraggeber müssen für die Praxis in Subunternehmen geradestehen. Zudem kommen besondere Dokumentationspflichten zur Anwendung. Sanktionsberechnung Im Falle einer Zuwiderhandlung gilt folgende Faustformel:"Geldbuße = nicht gezahlter Mindestlohn mal 2 + 30 %" (Verdoppelung bei Vorsatz)

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