Die Pläne von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für eine Pkw-Maut auf allen deutschen Straßen stoßen auf etliche praktische Bedenken. In Grenzregionen werden Sorgen vor negativen Folgen für Pendler und die Wirtschaft laut. Gegen eine mögliche Kontrolle der Vignettenpflicht durch die Polizei machen deren Gewerkschaften Front. In der schwarz-roten Koalition pochen CDU und SPD auf eine genaue Prüfung und ausführliche Gesetzesberatungen.
Dobrindts Vorschlag gehe über den Koalitionsvertrag hinaus, weil die Maut nicht nur für Autobahnen gelten solle, sagte CDU-Bundesvize Armin Laschet der "Rheinischen Post" (Dienstag). "Er hat die Wirkung eines Eintrittsgeldes für alle, die mit dem Auto nach Deutschland kommen." Der rheinland-pfälzische CDU-Generalsekretär Patrick Schnieder kritisierte: "Es kann nicht sein, dass die junge Familie aus Luxemburg, Ostbelgien oder Frankreich für den Wocheneinkauf oder den Restaurantbesuch im benachbarten Rheinland-Pfalz bis zu 100 Euro Eintritt zahlen muss."
Dobrindts Konzept sieht ab 2016 eine Infrastrukturabgabe für das gesamte Straßennetz vor. Dafür sollen Vignetten verkauft werden, deren Preis sich nach Öko-Klassen und Hubraum der Pkw richtet. Inländische Fahrzeughalter sollen die Vignette automatisch erhalten. Im Gegenzug sollen sie über eine geringere Kfz-Steuer voll entlastet werden. Ausländische Fahrer sollen Vignetten an Tankstellen und im Internet kaufen. Davon erwartet Dobrindt nach Abzug der Kosten jährliche Einnahmen von 600 Millionen Euro für Straßen-Investitionen.
Transporter mautfrei?
CDU-Bundesvize Thomas Strobl kritisierte, es dürfe nicht passieren, dass Fahrzeuge mit einem Gewicht zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen ganz durchs Raster fielen. "Es wäre doch verrückt, wenn Kleintransporter weder die Pkw- noch die Lkw-Maut zahlen müssten", sagte Strobl der "Stuttgarter Zeitung" (Mittwoch). Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Martin Burkert (SPD), pochte dagegen darauf, für Wagen mit mehr als 3,5 Tonnen keine Maut zu kassieren. "Uns liegen die Handwerker und der Mittelstand besonders am Herzen."
Der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) lehnt die Pläne grundsätzlich ab. Sie seien "bürokratisch und ungerecht", teilten die Importeure am Dienstag mit. Sie bezweifeln zudem, dass die "vergleichsweise geringen Einnahmen" auch tatsächlich zweckgebunden für die Substanzerhaltung der Straßen genutzt werden.
"Wir müssen Streit mit unseren Nachbarn verhindern"
Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) sagte den "Ruhr Nachrichten", die Wirtschaft im kleinen Grenzverkehr würde durch eine Maut auf allen Straßen ausgebremst. Der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK) hat die Sorge, dass eine Maut in Deutschland schlecht in Europa ankomme. "Wir müssen verhindern, dass wir die Pkw-Vignette einführen, die am Ende zum Streit mit unseren Nachbarn führt", sagte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben.
Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Martin Burkert, forderte eine klare rechtliche Einschätzung der EU-Kommission. "Wir wollen ein deutliches Votum aus Brüssel." Nach EU-Recht dürfen Fahrer aus dem Ausland nicht wegen ihrer Nationalität benachteiligt werden.
Niederlande protestieren
Die Niederlande haben bereits Protest gegen die geplante Einführung einer Maut-Gebühr in Deutschland angekündigt. "Die Gebühr hat besonderes nachteilige Folgen für niederländische Autofahrer, vor allem im Grenzgebiet", teilte die Ministerin für Infrastruktur und Umwelt, Melanie Schultz van Haegen, in Den Haag mit. Sie äußerte sich enttäuscht, dass Verkehrsminister Dobrindt nicht auf die bereits vor Wochen geäußerten niederländischen Bedenken Rücksicht genommen habe. Sie will nun den für Verkehr zuständigen EU-Kommissar Siim Kallas auffordern zu prüfen, ob die Maßnahme mit europäischem Recht vereinbar ist.
Österreich will sich alle Reaktionen offen halten. Neben einer Klage komme analog zum deutschen Verfahren auch eine Ausweitung der Maut auf Bundesstraßen ins Spiel, deutete Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) an. "Das könnte eine Möglichkeit sein." Er gehe davon aus, dass die Maut mit Belastungen nur für Ausländer nicht EU-konform sei.
Überwachung: Polizei steht nicht zur Verfügung
Die Gewerkschaft der Polizei monierte, es fehle ein praxistaugliches Konzept. Nach jahrelangen Personalkürzungen könne eine Kontrolle der Maut "nicht auch noch auf die Schultern unserer Kollegen geladen werden", sagte der Vorsitzende Oliver Malchow. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der "Bild"-Zeitung (Dienstag): "Für die Kontrolle der Maut wird in Deutschland kein einziger Polizist zur Verfügung stehen. Das ist reine Einnahmeverwaltung und hat mit Verkehrssicherheit nichts zu tun." (dpa)
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