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Nach Diesel-Urteil: Bessere Luft auch ohne Fahrverbote möglich?

28.02.2018 10:50 Uhr
Mehrere Bundesländer wollen ihre Städte auch ohne Fahrverbote sauberer bekommen.
© Foto: Patrick Pleul/dpa

Erwartet wurde ein wegweisendes Urteil - aber ein Schlussstrich unter die Debatte ist es nicht: Die obersten Verwaltungsrichter erklärten zwar Fahrverbote für zulässig, aber nur unter Bedingungen. Das Thema bleibt also heftig umstritten.

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Diesel-Fahrverbote lassen sich auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus Sicht mehrerer Länder verhindern - doch es droht eine Vielzahl von Prozessen und einzelnen Regelungen. Auch deshalb werden Forderungen nach einer bundesweit einheitlichen "blauen Plakette" lauter, um saubere, moderne Diesel von Fahrverboten auszunehmen. Ein Thema bleiben zudem spezielle Vorgaben für Handwerker und neue Modelle für den öffentlichen Nahverkehr. Die SPD verlangt höhere Anreize der Autobauer, damit alte Dieselautos schneller aus dem Verkehr gezogen werden können.

"Die von den Herstellern gezahlten Kaufprämien für Neufahrzeuge müssen von den Unternehmen erhöht werden", heißt es in einem Brief der SPD-Fraktionsvizes Sören Bartol, Matthias Miersch und Hubertus Heil. Dies sei nötig, "da sich viele Besitzer älterer Fahrzeuge ansonsten keinen Neuwagen leisten können", heißt es in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Mehrere Autobauer hatten solche Prämien nach dem Dieselgipfel im Sommer eingeführt.

Thema "blaue Plakette" wird aufgegriffen

Die künftige Bundesregierung wird sich nach Aussage von Regierungssprecher Steffen Seibert zügig mit der Möglichkeit einer blauen Plakette für relativ saubere Autos beschäftigen. "Das Thema wird in der neuen Bundesregierung alsbald aufgegriffen werden", sagte Seibert am Mittwoch in Berlin auf die Frage, ob die Regierung nach dem Fahrverbots-Urteil vom Vortag weiter gegen die Plakette sei oder sie nicht ausschließe. Vor allem der geschäftsführende Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) spricht sich gegen eine solche Kennzeichnung aus, die Kommunen und für die Regelung möglicher Diesel-Fahrverbote im Kampf gegen Luftverschmutzung fordern. 

Die Bundesregierung werde "unmittelbar nach Auswertung der Urteilsbegründung" mit Ländern und Kommunen beraten, kündigte Seibert an. Die Sorge, dass ein Flickenteppich von Fahrverboten entstehen könne, werde man "aufnehmen und prüfen, wie wir die Maßnahmen und die Festsetzung von Kriterien unterstützen können". Ziel sei es, Fahrbeschränkungen für Diesel wo immer möglich zu vermeiden. "Wir gehen davon aus, dass der größte Teil der Städte mit moderaten Grenzwertüberschreitungen das Problem ohne jegliche Fahrverbote lösen kann", betonte der Regierungssprecher.

"Fahrverbote nur als letztes Mittel gedacht"

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) betonte, dass trotz des Urteils das politische Ziel weiterbestehe, Fahrverbote zu vermeiden. Falls sie kämen, wären sie "ja auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur als letztes Mittel gedacht", sagte sie dem ZDF. Für Anwohner, Handwerker und auch öffentliche Einsatzfahrzeuge wie die Feuerwehr könne es selbstverständlich Ausnahmen geben.

Justizminister Heiko Maas (SPD) forderte in der "Rheinischen Post" (Mittwoch) die Konzerne auf, die Finanzierung neuer Abgas-Hardware für die Autofahrer bei neueren Modellen zu übernehmen: "Wir erwarten von der Automobilindustrie, dass sie Euro-5- und Euro-6-Fahrzeuge technisch nachrüstet. Alleinige Software-Updates reichen nicht aus."

Probleme der Städte reduzieren sich 

Schmidt betonte, Lösungen müssten ökologisch und ökonomisch darstellbar sein. Man sollte nicht in alte Autos investieren, sondern lieber neue Technologien nutzen. Zu einer blauen Plakette für neuere Diesel äußerte sich der CSU-Politiker ablehnend. Es gehe um Probleme in einzelnen Städten, deren Zahl sich ständig reduziere.

In Niedersachsen will sich Umweltminister Olaf Lies (SPD) am 19. März mit Vertretern betroffener Kommunen über alternative Möglichkeiten austauschen. Er gehe davon aus, dass es durch das Urteil im Land nicht zu Fahrverboten komme. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte, das Land werde "alles tun", um die Richtwerte für Stickoxid möglichst ohne Fahrverbote zu erreichen.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte am Dienstag nach jahrelangem Streit entschieden, dass Kommunen Straßen oder Gebiete für Dieselautos sperren dürfen. Dies muss aber der einzige Weg zum schnellen Einhalten von Grenzwerten zum Gesundheitsschutz sein. Die ausführliche Begründung des Urteils soll in etwa zwei Monaten vorliegen.

Prozessflut erwartet

Der Städte- und Gemeindebund sieht nun auf Städte und Autobauer eine Prozessflut zukommen. "Es besteht nicht nur die Gefahr einer 'Mammut-Fahrverbotsbürokratie', sondern es ist auch eine Prozessflut zu befürchten, mit der sich betroffene Dieselfahrzeug-Besitzer, aber auch Anlieger von Straßen, die dann unter dem Umwegeverkehr leiden, zur Wehr setzen werden", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Rheinischen Post". Gerade weil das Gericht die Verhältnismäßigkeit und die Fahrverbote als allerletztes Mittel hervorgehoben habe, sei eine solche Entwicklung vorstellbar.

In Hessen stehen bald Entscheidungen an Verwaltungsgerichten in dieser Frage an - etwa am 28. März in Wiesbaden. Das Land gehe davon aus, dass sich die hessischen Gerichte an dem Leipziger Urteilsspruch orientieren und ebenfalls Fahrverbote unter bestimmten Bedingungen verlangen werden, sagte Umweltministerin Priska Hinz (Grüne). Sie forderte, die Bundesregierung müsse endlich eine blaue Plakette einführen. Nur damit könnte ein Fahrverbot auch kontrolliert werden.

Die bayerische Regierung muss bis Ende Mai Diesel-Fahrverbote für bestimmte Straßenabschnitte in München planen - andernfalls droht dort das Verwaltungsgericht mit einem Zwangsgeld. Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) lehnte pauschale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ab. Sie träfen viele Bürger unverhältnismäßig und könnten den Wirtschaftsstandort Bayern gefährden. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte dem Bayerischen Rundfunk, im Fall klarer rechtlicher Voraussetzungen würde er die Verbote verhängen: "Es geht um die Gesundheit der Münchner, und die ist für mich das oberste Gut. Und wenn es dafür notwendig ist, dass wir Fahrzeuge aussperren, dann werde ich das soweit umsetzen, wie es erforderlich ist."

Hamburg bestellt schon Verbortsschilder

Einen Schritt weiter ist Hamburg: Die Umweltbehörde der Hansestadt twitterte nur einen Tag nach dem Diesel-Urteil bereits ein Foto mit dem Entwurf für Fahrverbotsschilder. Sie sollen ebenso wie Schilder für Ausweichrouten in Kürze bestellt werden, wie ein Sprecher am Mittwoch sagte. Unter einem Durchfahrtsverbotsschild, auf dem ein Auto in einem roten Kreis zu sehen ist, steht der Erklärhinweis, dass das Verbot für Dieselautos bis zu einer bestimmten Euroklasse gilt.  In Hamburg müssen Autofahrer bereits in zwei Monaten mit Diesel-Fahrverboten an zwei Straßen im Stadtteil Altona-Nord rechnen. Ein Abschnitt auf der Max-Brauer-Allee soll voraussichtlich von Ende April an für Lkw und Diesel-Pkw gesperrt werden, die nicht die Abgasnorm Euro 6 erfüllen, die Stresemannstraße nur für Lkw.

Das Handwerk ist wegen der möglichen Folgen alarmiert. Viele Betriebe "könnten es nicht verkraften, wenn sie gezwungen wären, ihre Flotte zu erneuern", sagte der Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, Andreas Ehlert, dem "Handelsblatt". Die Autoindustrie müsse dafür einstehen, "da, wo manipuliert worden ist, kostenlos Hardwarelösungen anzubieten". Der Fahrgastverband Pro Bahn wies darauf hin, dass auch nach dem Urteil die Frage offen bleibe, wie genau mehr Autofahrer zum Umsteigen auf öffentlichen Nahverkehr bewegt werden können. (dpa)

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KOMMENTARE


wallibelli (E.Kühlwetter)

28.02.2018 - 11:36 Uhr

An die Vereinfacher bzw. Anhänger einer blauen Plakette: Dann ist das gesamte Ruhrgebiet von Moers bis Kamen in West-Ost Richtung und von Bottrop bis Hagen in Nord-Süd Richtung lahmgelegt. Hinzu kommt die Rheinschiene von Duisburg über Düsseldorf/Neuss, Köln/Leverkusen bis Bonn (etwa 20 km links und rechts des Rheins). Das Rhein/ Ruhr Gebiet ist mit etwa 1.800 Quadratkilometer die größte zusammenhängende, p la k e t t e n p f l i c h t i g e Umweltzone Europas. In diesem Raum gibt es keine Einzelzonen mehr. An den Autobahnabfahrten stehen Schilder "Umweltzone Ruhrgebiet" mit Plakettenaufdruck. Das Leipziger Gericht hat ausdrücklich betont, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein muss und nur an den Stellen, wo die Messwerte zu hoch sind, ein Fahrverbot erlassen werden darf. Ein fächendeckendes Fahrverbot, wie in der Umweltzone Ruhrgebiet- ca. 65 km von West nach Ost und ca. 26 km von Nord nach Süd, ist unzulässig. Am Beispiel der Stadt Dortmund hat der Spiegel die Folgen eine blauen Plakette (ab Euro6 Diesel) in seinem Artikel "Notstand in Dieselland" vom 17.2.2018" aufgezeigt: Es müssten etwa 100.000 Ausnahmengenehmigen für Handwerker, Zusteller, Krankentransporte Plegdienste, Sicherheitsdienste, städtische Fahrzeuge, Notdienste, Taxis, Kita- und Kleinbusse, Shuttledienste u.a. mehr ausgestellt werden. Die öffentliche Ordnung wird kollabieren.


Uwe

28.02.2018 - 12:54 Uhr

Bei den ganzen Diskussionen um Fahrverbote von Diesel Fahrzeuge, hat sich schon mal jemand Gedanken darüber gemacht, dass der CO2 Ausstoß in 2017 erstmal wieder angestiegen ist?Bitte nicht immer nur NOx sondern auch an CO2 denken.Aber Hauptsache die Medien können schlecht über den Diesel reden.


egonsamu

01.03.2018 - 08:27 Uhr

Ob "Energiewende" oder Diesel: es wird ideologisch von Dilettanten und Politkommissaren faktenfrei diskutiert und es werden die falschen Schlüsse gezogen. Es ist zudem für mich nicht nachvollziehbar, daß dreiste Betrüger straflos davon kommen sollen (z.B. VW) und auch noch ein Zusatzgeschäft auf Steuerzahlerkosten bekommen sollen.Scheinbar muß es so laufen, wenn in der Politik abschlußlose, korrupte Laiendarsteller die Ministerpöstchen bekleiden. Dazu kommt noch erschwerend eine kriminelle "Geschäftsführerin" die gewohnheitsmäßig Gesetze mit Füßen tritt...


Carl Berg

01.03.2018 - 09:14 Uhr

Und was kommt nach der blauen Plakette? Gold oder Platin? Gratulation Herr Resch, sie schaffen gerade Deutschland ab. Übrigens - wenn es darum geht die Autos aus den Innenstädten zu bekommen, ist die Lösung sehr sehr einfach. Sie heißt schlicht "Home-Office". Müssen Millionen Verwaltungsangestellte, oder Menschen, die im Büro arbeiten, jeden Tag pendeln? Sicherlich nicht! Wenn die Möglichkeiten der medialen Infarstruktur besser genutzt werden würden (Internet, Intranet, Telkos usw.) könnten viele Menschen auch von zuhause aus arbeiten und müssten nicht jeden Morgen im Auto zur Arbeit fahren. Da würde es schon genügen, wenn man ein oder zwei Tage in Woche Home-Office hätte. Aber wie es immer so ist bei uns. Das Naheliegende wird nicht gesehen!


Dietmar Seyerle

01.03.2018 - 13:17 Uhr

Lasst die unkontrolliert abbrennenden Heizkamine in den Ballungsgebieten in ganz Deutschland stillegen und schon haben wir alle Probleme gelöst - oder haben da irgendwelche Leute (Politiker, Richter und DUH )nicht daran gedacht?Wenn dann noch alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten ihren von den Steuerzahlern vorfinanzierten Dienstparkplatz gegen ein ÖPNV Ticket eintauschen, könnten alle in allen Städten wieder ohne Probleme atmen - armes Deutschland !


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