Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach eigenen Worten erst mit dem öffentlichen Bekanntwerden des Skandals am 19. September 2015 vom Abgas-Betrug bei Volkswagen erfahren – aus den Medien. Sie habe dann unterstützt, dass Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine Untersuchungskommission einsetzte, und zur Aufklärung ermuntert, sagte Merkel am Mittwoch als letzte Zeugin im Untersuchungsausschuss des Bundestags. Sie mahnte bei EU-Umweltstandards und neuen Antriebstechnologien ambitionierte Ziele an. Diese dürften aber nicht so ausfallen, "dass in Deutschland kein Auto mehr produziert wird".
Merkel berichtete, dass sie aus ihrer Zeit als Umweltministerin von 1994 bis 1998 mit der Abgasthematik gut vertraut sei. Als Kanzlerin habe sie sich immer wieder damit beschäftigt, wenn es etwa um eine einheitliche Haltung der Bundesregierung in der EU gegangen sei. Um technische Details sei es dabei nie gegangen. Von dem mit dem Skandal bekannt gewordenen Begriff "Abschalteinrichtung" der Abgasreinigung habe sie erst im Zusammenhang mit Berichten über den Fall VW gehört.
Die Kanzlerin nahm auch Stellung zu einem Treffen 2010 mit dem damaligen kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger. Laut der damals anwesenden Chefin der kalifornischen Umweltbehörde Carb, Mary Nichols, soll Merkel dabei zu strenge Vorgaben für Dieselautos in den USA moniert haben. Die Kanzlerin sagte, sie habe keine Erinnerung daran - wenn Nichols dies sage, werde es so gewesen sein. Dies sei aber nicht als «Attacke auf die kalifornischen Umweltbemühungen» gemeint gewesen. Sie habe wohl darauf hinweisen wollen, dass mit strengen Diesel-Vorgaben eine ganze Autoklasse aus den Anstrengungen für eine Reduzierung des klimaschädlichen CO2 herausfallen könnte.
"Nichts zu beanstanden"
Merkel wies Vorwürfe eines Staatsversagens, das den Skandal ermöglicht habe, zurück. Sie machte deutlich, dass sie keinen Anlass für Änderungen der Behördenstruktur sehe. Kritiker prangern an, dass die Abgas-Manipulationen nicht vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) entdeckt wurden. Merkel verwies darauf, dass sie die Aufklärung in der Bundesregierung in der Ressortzuständigkeit von Minister Dobrindt sieht. An dessen Vorgehen habe sie "nichts zu beanstanden".
Sie fügte hinzu, der Abgasskandal sei "für das Bild der deutschen Autoindustrie ein sehr bedauerlicher Vorgang". Der auf Drängen der Opposition eingesetzte Ausschuss soll klären, was die Bundesregierung seit 2007 mit Blick auf Abgasregeln unternommen hat und wann sie von Manipulationen erfuhr.
VW hatte eine verbotene Software eingesetzt. Dadurch war die Abgasreinigung nur während Tests in vollem Umfang aktiv und wurde ansonsten heruntergeregelt, so dass deutlich mehr Stickoxide (NOx) ausgestoßen wurden. Dies flog 2015 in den USA auf und führte zum Diesel-Skandal. Auch bei anderen Herstellern wurden später auffällige Abgaswerte bekannt. Insbesondere die Stickoxid-Werte lagen bei vielen Dieselautos deutlich über den Herstellerangaben und Grenzwerten.
Merkel warnte dennoch davor, den Diesel als Antriebstechnik nun zu verteufeln. "Es muss ehrlich gearbeitet werden", sagte sie mit Blick auf die Manipulationen. Es bleibe aber richtig, dass Dieselwagen weniger CO2 ausstießen als Benziner und damit klimafreundlicher seien.
Experten, Beamte, amtierende und frühere Minister
Der auf Drängen der Opposition eingesetzte Ausschuss soll klären, was die Bundesregierung seit 2007 mit Blick auf Abgasregeln unternommen hat und wann sie von Manipulationen erfuhr. VW hatte eine verbotene Software eingesetzt. Dadurch war die Abgasreinigung nur während Tests in vollem Umfang aktiv und wurde ansonsten heruntergeregelt, so dass deutlich mehr Stickoxid (NOx) ausgestoßen wurde. Dies flog 2015 in den USA auf und führte zum Diesel-Skandal. Auch bei anderen Herstellern wurden später auffällige Abgaswerte bekannt. Seit Beginn der inhaltlichen Ausschuss-Arbeit im September 2016 wurden zahlreiche Experten, Beamte, amtierende und frühere Minister angehört.
Unions-Obmann Ulrich Lange (CSU) sagte: "Auch nach der Befragung von 56 Zeugen und 13 Sachverständigen findet sich absolut kein Anhaltspunkt für das von der Opposition fast schon gebetsmühlenartig vorgehaltene Staatsversagen." Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte dagegen, falsch verstandene Lobbypolitik der Bundesregierung habe Deutschland den größten Industrieskandal seiner Geschichte eingebrockt. (dpa)
KHS