EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc sieht Chancen für eine europarechtlich zulässige Pkw-Maut in Deutschland. Sie bleibe überzeugt, dass Lösungen möglich seien, um den Übergang zu einem System mit Nutzerfinanzierung unter voller Einhaltung der EU-Verträge zu erreichen, erklärte Bulc nach einem Treffen mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Dienstag in Berlin. Sie hatte zuvor bereits Zweifel an den deutschen Plänen erkennen lassen. Dobrindt kündigte in der gemeinsamen Erklärung weiteren Informationsaustausch mit der EU-Kommission an und betonte: "Wir sind auf einem guten Weg."
Das konkrete deutsche Modell will die EU-Kommission erst nach der Verabschiedung eines Gesetzes genauer bewerten. Das machte Bulc im Bundestags-Verkehrsausschuss deutlich, wie der Vorsitzende Martin Burkert (SPD) sagte. Sie habe jedoch "Hinweise" zur EU-Konformität bekräftigt. Bulc hatte zuvor unter anderem Bedenken daran erkennen lassen, dass inländische Autobesitzer durch eine geringere Kfz-Steuer voll für Mautzahlungen entlastet werden sollen. Aus der Maut von Fahrern aus dem Ausland erwartet Dobrindt dagegen nach Abzug aller Kosten jährlich 500 Millionen Euro für Verkehrs-Investitionen.
Bulc habe "sehr deutlich gemacht, dass sie sich ins laufende Gesetzgebungsverfahren nicht einmischt", berichtete Burkert. Am 4. März will der Ausschuss zu Gesprächen mit der EU-Kommission nach Brüssel reisen. Thema seien auch Überlegungen für eine europaweite Pkw-Maut, die Bulc ebenfalls ins Gespräch gebracht hat.
Dobrindt: Maut-Konzept europarechtskonform
Dobrindt bekräftigte, dass sein mittlerweile vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachtes Maut-Konzept europarechtskonform sei. "Die Gruppe der Maut-Verweigerer hat bislang keine neuen Argumente gefunden, und die alten falschen Argumente werden durch Wiederholung nicht richtiger", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag).
Der Autofahrerclub ADAC kritisierte, im Entwurf sei eine Zweckbindung der Einnahmen für den Straßenverkehr nicht festgeschrieben. Laut einer Umfrage können sich 39 Prozent der eigenen Mitglieder eine Pkw-Maut unter dieser Voraussetzung vorstellen und wenn sie zudem wie zugesagt keine Zusatzbelastungen für Inländer bringt.
Gericht: Berechnung von Maut-Einnahmen offenlegen
Laut einem Gerichtsbeschluss muss Dobrindt offenlegen, wie die Regierung die erwarteten Einnahmen aus der Pkw-Maut berechnet. Das Verwaltungsgericht Berlin gab einem entsprechenden Eilantrag der Wochenzeitung "Die Zeit" statt, wie ein Justizsprecher am Mittwoch auf Anfrage bestätigte. Es lägen keine Gründe für eine Geheimhaltung vor, entschieden die Richter am Dienstag. Der Beratungsprozess der Regierung über das vom Kabinett beschlossene Gesetzespaket sei abgeschlossen. Der innerste Bereich der Willensbildung der Regierung sei nicht betroffen. Die Richter verpflichteten das Ministerium daher dazu, unter anderem über den Berechnungsweg und einen etwaigen Einsatz externer Gutachter zu informieren. Hinter den Berechnungen stehen Schätzungen, wie viele Fahrer aus dem Ausland wie oft welche Maut-Variante nutzen.
Das Ministerium äußerte sich zunächst nicht zum weiteren Vorgehen. Dies müsse nach dem Gerichtsbeschluss von Dienstag noch entschieden werden, sagte eine Sprecherin am Mittwoch. Möglich wäre, dagegen Beschwerde beim Oberlandesgericht Berlin-Brandenburg einzulegen (Aktenzeichen VG 27 L 494.14). Dobrindt erwartet von Pkw-Fahrern aus dem Ausland jährliche Maut-Einnahmen von 700 Millionen Euro, wovon nach Abzug der Kosten 500 Millionen Euro übrig bleiben sollen. (dpa)
Dieter M. Hölzel