In den jahrzehntelang schwelenden Streit um ein Tempolimit auf Autobahnen kommt Bewegung: Der Autofahrerclub ADAC gab sein striktes Nein auf und wirbt für eine umfassende Untersuchung möglicher Folgen vor allem für die Verkehrssicherheit. Der ADAC sei "nicht mehr grundsätzlich" gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung, sagte der Vizepräsident Verkehr, Gerhard Hillebrand, der Deutschen Presse-Agentur vor dem Verkehrsgerichtstag in Goslar in der kommenden Woche. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) begrüßte den Schritt. Das Verkehrsministerium bekräftigte aber sein Nein zu einem Limit.
"Die Diskussion um die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen wird emotional geführt und polarisiert bei den Mitgliedern", sagte Hillebrand. "Deshalb legt sich der ADAC in der Frage aktuell nicht fest." Eine Versachlichung sei dringend erforderlich. Die Auswirkungen eines Tempolimits sollten daher dringend in einer umfassenden Studie geklärt werden. "Diese würde eine belastbare Entscheidungsgrundlage liefern." Der ADAC ist mit gut 21 Millionen Mitgliedern der größte Automobilclub Deutschlands.
Schulze sieht sich durch die Bewegung beim ADAC bestätigt. "Meine Position ist bekannt: Ich bin für ein Tempolimit – es verringert Unfälle und spart jährlich bis zu zwei Millionen Tonnen CO2", schrieb die SPD-Politikerin bei Twitter. Sie hoffe, dass sich auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) überzeugen lasse. Ein Sprecher Schulzes sagte, eine Untersuchung über Auswirkungen eines Tempolimits könne zur Versachlichung beitragen. Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte, es gebe aktuell keine Planung der Regierung für ein Tempolimit auf Autobahnen, dies sehe der Koalitionsvertrag nicht vor.
Die Debatte war über Weihnachten erneut hochgekocht. Scheuer hatte sich ablehnend geäußert: "Wir haben weit herausragendere Aufgaben, als dieses hoch emotionale Thema wieder und immer wieder ins Schaufenster zu stellen – für das es gar keine Mehrheiten gibt", sagte er der dpa. "Wir sollten intelligent steuern. Es geht um bessere Verkehrsbeeinflussung und Verkehrslenkung durch digitale Systeme." Der Koalitionspartner SPD hat ein generelles Limit von 130 Kilometern pro Stunde dagegen als eines der Themen für zusätzliche Vorhaben genannt, über das mit der Union gesprochen werden soll.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) begrüßte die Aussagen des ADAC. "Einfacher als mit einem generellen Tempolimit geht Klimaschutz nicht und kostengünstiger auch kaum", sagte Verkehrsexperte Jens Hilgenberg. Greenpeace-Experte Tobias Austrup sagte: "Nachdem selbst der ADAC nicht länger für ein unvernünftiges Recht auf Rasen kämpft, wird es einsam um Verkehrsminister Scheuer." Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte die Union auf, ihren Widerstand aufzugeben. "Es wird Zeit, dass sich auch CSU und CDU zu mehr Verkehrssicherheit, weniger Lärm und Abgasen sowie leistungsfähigeren Autobahnen bekennen", sagte er der "Rheinischen Post" (Samstag).
"Gezielte Stimmungsmache gegen das Auto"
Der verkehrspolitische Sprecher der Union, Alois Rainer (CSU), sagte dagegen: "Das ständige Wiederaufflammen der Diskussion um ein Tempolimit auf Autobahnen ist am Ende nichts anderes als gezielte Stimmungsmache gegen das Auto an sich. Doch da machen wir als Union nicht mit." Porsche-Chef Oliver Blume sagte der "Welt", er sehe "die Tempofreiheit in Deutschland als eine persönliche Freiheit an".
FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic sagte, eine Versachlichung der Debatte rund um das Tempolimit sei sinnvoll. Dazu könne eine neue Studie, zum Beispiel von der Bundesanstalt für Straßenwesen, einen wichtigen Beitrag leisten. "Der FDP-Vorschlag einer dynamischen Verkehrslenkung, die sich an Gefahren wie Nässe oder Verkehrsaufkommen richtet, ist eine sinnvolle Lösung. So können Tempolimits flexibel und digital gesteuert werden." (dpa)
Michael Endres
Fried Berkenkamp