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VW-Kreise: Tausende Haustarif-Stellen auf der Kippe

10.03.2016 13:39 Uhr
Die Baustellen bei Volkswagen werden immer größer.

Langsam werden die Job-Folgen des Abgasskandals sichtbar: Laut Konzernkreisen will Volkswagen außerhalb der Produktion bis Ende 2017 jede zehnte Stelle streichen.

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Im Abgas-Skandal bedroht der verschärfte Sparkurs bei Volkswagen Tausende Stellen in der Verwaltung. Bei den Mitarbeitern im Haustarif soll in den Büro-Abteilungen außerhalb der Produktion nach Informationen aus Konzernkreisen bis Ende 2017 jeder zehnte Job wegfallen. Wegen der laufenden Beschäftigungssicherung müsse allerdings niemand fürchten, arbeitslos zu werden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus sicherer Quelle.

Der geplante Stellenabbau der Bürokräfte sei über Personalschwankungen, Altersteilzeit oder die Zuweisung neuer Aufgaben für die betroffenen Kollegen möglich. Es dürfte den Angaben aus Unternehmenskreisen zufolge dabei um gut 3.000 Stellen gehen. Der VW-Haustarif umfasst rund 120.000 Stellen vor allem in Niedersachsen. Der rote Stift setzt nun im sogenannten indirekten Bereich fern der Fließbänder an, und zwar vor allem in Bürobereichen wie Verwaltung oder Logistikplanung. Der Bereich Forschung ist ausgenommen.

Ein Konzernsprecher sagte, das bekannte Programm zur Steigerung der Effizienz der Kernmarke VW betreffe alle Bereiche – und damit auch die Personalkosten. Mögliche Wege seien etwa die "Reduktion von Zeitarbeitsverträgen" oder "zurückhaltende Einstellungen und Wiederbesetzung freier Stellen". Es gebe zudem gute Erfahrungen mit Altersteilzeit. Die Aussage des neuen VW-Markenchefs Herbert Diess, dass man "fest zu unserer Stammbelegschaft" stehe, gelte weiterhin.

Zukunftstarifvertrag schützt Stammpersonal

IG-Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine betonte am Donnerstag den Wert der Beschäftigungssicherung angesichts der aktuellen Lage: "Der Zukunftstarifvertrag schützt die Stammbeschäftigten von Volkswagen vor Entlassungen. Wir sind froh, dass wir ihn abgeschlossen haben."

Das Management hatte im Skandal um manipulierte Abgaswerte von weltweit mehr als elf Millionen Dieselautos bereits Rückstellungen von 6,7 Milliarden Euro gebildet. Neben den Kosten des Rückrufs der betroffenen Fahrzeuge dürften zahlreiche Prozesse und Strafen teuer für Europas größten Autobauer werden. Zudem will der Vorstand mit einem verschärften Sparkurs gegensteuern, der auch bei Arbeitsplätzen den Rotstift ansetzt. Zwischen dem Betriebsrat und dem Vorstand der VW-Kernmarke gibt es aber große Differenzen über die Umsetzung.

Die Marke VW mit Modellen wie Golf und Passat ist im Vergleich zu Branchenkonkurrenten seit Jahren ertragsschwach. Diess hatte bereits angekündigt, sie etwa mit neuen Baureihengruppen umzustrukturieren. Außerdem soll die Effizienz in der Produktion erhöht werden. Vor dem Beginn des Genfer Autosalons hatte Diess sich noch zuversichtlich gezeigt, dafür auch die Zustimmung des Betriebsrats zu bekommen: "Ich glaube schon, dass wir da große Einigkeit haben."

Betriebsratschef Bernd Osterloh wirft dem Manager nun aber Handeln nach Gutsherrenart vor. Diese im Ansatz bekannte Kritik eskalierte am Dienstag vor gut 20.000 VW-Mitarbeitern im nicht-öffentlichen Teil der Betriebsversammlung im Wolfsburger Stammwerk. "Machen Sie die 215.000 Beschäftigten der Marke Volkswagen nicht zu Versuchskaninchen für wirtschaftswissenschaftliche Experimente", sagte Osterloh nach Informationen der dpa, der eine Mitschrift vorlag.

Zwar sagte Osterloh bei der Versammlung in Bezug auf ein Gespräch mit Diess: "Wir [Herr Diess und ich] sind uns darüber einig, dass sich die Stammbelegschaft keine Sorgen um ihre Arbeitsplätze machen muss." Das schließt jedoch einen möglichen Abbau durch Nicht-Nachbesetzung von Stellen oder die Verlagerung von Aufgaben nicht aus. Der oberste Mitarbeitervertreter stellte klar: "Wir werden es nicht zulassen, dass blindwütig und planlos Stellen gestrichen werden." Ein Sprecher des Betriebsrats wollte die Rede am Donnerstag nicht kommentieren.

Neue Qualität der Kritik

"Wir haben hier in Wolfsburg auch bislang nicht auf dem Baum geschlafen", attackierte Osterloh Diess. Der Kernmarken-Chef war Mitte 2015 – noch vor dem Ausbruch der Dieselkrise – von BMW zu VW gewechselt. Der damals schon gestartete Sparkurs für VW Pkw hat sich mit der Abgas-Affäre noch verschärft.

Osterloh warf Diess auch fehlendes Wissen vor: "Wer seine Botschaften so verteilt, als würden sie wie Weisheiten vom Himmel regnen, der hat noch nicht verstanden, was wir bei Volkswagen brauchen: zum Beispiel Führungskräfte, die tatsächlich Bescheid wissen und im wahrsten Sinne des Wortes im Film sind."

Markige Worte findet Osterloh auf der Bühne von Betriebsversammlungen oft. Teilnehmer sprachen aber von einer neuen Qualität seiner Rede vom Dienstag: Er sei mehr als nur in Rage. Zu Konzernchef Matthias Müller wird ihm dagegen ein gutes Verhältnis nachgesagt. (dpa)

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KOMMENTARE


Michael Kühn

10.03.2016 - 17:24 Uhr

Die Verwaltung zu optimieren, denn die kostet nur, ist grundsätzlich nicht falsch. - Jedoch hoffe ich sehr, dass ein derartiger Prozeß überlegt stattfindet u. keine neuen + unbekannten Schwachstellen produziert. (Nach meinem Dafürhalten waren leider in der Vergangenheit, immer viele Vertragspartner ein sehr wichtiger Arbeitsaspekt.) MK


T. Dirk

10.03.2016 - 17:36 Uhr

Es geht einfach nicht in meinen Kopf, wie dieser eine Mensch, der letztendlich VW in seine größte Krise stürzte und mit einer Millionen-Abfindung gegangen ist, noch ruhig schlafen kann. Aber als "gemeiner Pöbel" ist mein Horizont wohl nicht weit genug, um das verstehen zu können... Mir tut es um die Mitarbeiter und deren Familien von VW wirklich leid!


Ferdinand P.

10.03.2016 - 17:59 Uhr

Lohnniveau weit über Durchschnitt eine Absage erteilen. Haustarife kündigen. Löhne realistisch neu bewerten und an die der "Kollegen" draußen im Handel und Service anpassen. Die goldene Kuh VW ist lange genug gemolken worden. Zurück zur Realität, dann muss keiner gehen und die Krise kann gemeistert werden. Die Leute dort erhalten alle erheblich zu hohe Gehälter. Nicht nur die Bosse, auch die "Fachleute" am Band.


Serviceberater

11.03.2016 - 10:59 Uhr

@Ferdinand P. Ich schätze Ihre Lebensleistung sehr. Auch der Denkansatz ist aus Ihrer Sicht verständlich. Aber von hoch intelligenten Menschen kann i.d.R. im Zuge der Paradigmenwechsels emphatisches Empfinden erwartet werden. Erst damit kommt man eben zu einer salomonischen, realistischen Betrachtung.So lange die soziale Verantwortung am Werktor endet, wird es noch nicht einmal den Inflationsausgleich für die "Frontschweine" in den freien Hersteller Partner Betrieben geben! Die Idee auf dieses Niveau das abzusenken ist aus unternehmerischer Sicht zwar sehr verlockend, widerspricht aber dem darwinschen als auch Evolutionsprinzip. Mal abgesehen davon, wo möchte man die Basis für das angesprochene Niveau definieren? Beim Durchschnitt (2600,-Euro lt. Magazin Gute Fahrt 2005), oder etwa bei einem Berufskollegen, der als Meister mit 35Jahren Berufserfahrung mit 1750,- BRUTTO als Vollzeitkraft mit 40 Wochenstunden im näheren Berliner Umland beim VW-Partner als Serviceberater arbeitet? Der geneigte Leser merkt, dass die Idee das Gehaltsgefüge auf dieses Niveau abzusenken, ... ist." Löhne realistisch neu bewerten und an die der "Kollegen" draußen im Handel und Service anpassen."Und wenn schon realistisch, dann bitte in einer globalisierten Welt am besten auf chinesisches oder gar indisches Niveau absenken. (Kopfschütteln)Sicher liegt wie immer die Wahrheit dazwischen. Die Umsetzung findet ja auch über Zeitarbeit und Neuverträge mit entsprechend schlechteren Konditionen schon statt und ist real. Die Kernbelegschaft schrumpft eben immer weiter und entwickelt sich konträr zu den restlichen Unternehmenszahlen. Fairerweise ist das v. g. ja auch das Erfolgsmodell ziemlich aller großen Unternehmen mit starken Gewerkschaften und entsprechenden Tarifverträgen. Jedenfalls ist der Ansatz einfach nicht richtig. Wohin die "Geiz ist geil" Nummer geführt hat, wissen wir ja. Ist auch ausgemachter Schwachsinn in einer Gesellschaft, deren (Über-) Leben vom Konsum abhängt! Soziale Verantwortung übernehmen auch für die Mitarbeiter der Vertragspartner (Zulieferer, Händler ...)! Steigerungsraten dort im Lohnniveau fordern, die mittelfristig zu einer Anpassung auf Niveau der Werksangehörigen führt! Und wer sagt, dass das nicht geht, der sollte mal den Blick über den "Tellerrand" in Richtung Schweiz, Norwegen, Japan mal wagen und wäre damit mittelfristig viel besser beraten. Und wer nicht schafft, seinen Aktionären statt der kurzen Freude an der Dividende eine wertstabile Aktie mit entsprechender Prognose von Steigerungsraten zu verkaufen, der sollte das mit den Autos vielleicht auch nochmal zumindest überdenken. usw., etc., pp.


Jörg Herrmann

11.03.2016 - 12:20 Uhr

Ein Belegschaftsabbau von 20% mit der "Rasenmähermethode" könnte den Konzern vielleicht retten? Die Milliarden für geprellte Aktionäre, Milliardenstrafzahlungen und der Aufwand für "alte" Kundenfahrzeuge, der kaum in Euro zu beziffernde Vertrauensschaden und das fehlende Geld für die Neuentwicklungen der nächsten Dekade... Solidität sieht anders aus! Der Konzern hat diese Krise selbst verschuldet.


Dieter S.

11.03.2016 - 12:35 Uhr

Liebe Kommentatoren, lieber Ferdinand P., wie schon geschrieben liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Das von Ihnen beschriebene Lohngefüge im Umfeld Berlins hat aber auch was mit Selbstwertgefühl zu tun, für das Geld muß kein Mensch in Deutschland den Knochenjob Serviceberater noch dazu bei einem Vertragspartner tätigen. Ich kenne Serviceberater die im Raum Wiesbaden mit 6000 .- Brutto nach Hause gehen. Das Problem liegt doch ganz woanders, sind es nicht die administrativen Anforderungen im Hintergrund die alles so unnötig verteuern? Sind es nicht die Anforderungen der Hersteller an den freien Handel die den "Wasserkopf" immer größer werden lassen. Das alles soll von einigen wenigen "produktiven" in der Werkstatt erarbeitet werden? Das führt zu Verrechnungssätzen die kein Kunde mehr gerne bereit ist zu zahlen (oder es schlichtweg nicht mehr bezahlen kann). Genau so verhält es sich in den Werken der Hersteller, immer größere Qualitätsversprechen, immer mehr hanebüchene Erfindungen der sogenannten "Servicefachleute" um sich eigentlich nur eine Selbstberechtigung zu verschaffen und den Leuten draussen vor Kunde das Leben zu erschweren. Das alles soll erarbeitet werden von denen, die forschen, produzieren und zusammen bauen. Immer im Vergleich und Wettbewerb mit Herstellern die entweder nicht mal ein drittel an Autos produzieren oder Hersteller asiatischer Herkunft sind. Und nach deren Credo "arbeiten, Maul halten" zu werkeln kann nicht das sein wonach Sie streben.


Händler

11.03.2016 - 12:39 Uhr

Die Form wie sich ein ehemals selbst involviertes Management(Vorstandssprecher und AR Chef) und das schließt auch den Vertreter der Arbeitnehmer Osterloh ein, präsentiert, ist beschämend.In jedem anderen DAX Konzern oder in einem Konzern im angelsächsischen Raum hätte man die komplette Führungscrew ausgetauscht.Die Frechheit die sich ein Herr Osterloh herausnimmt, als Schutzpatron der Belegschaft aufzutreten und rein von jeder Verantwortung schnabulierend, ist gelinde und vorsichtig gesagt anstoßend. Wie gut lebt es sich in Managementmanieren, mit der ehemaligen Nähe zu Piech und dem Rest des Managements?Auch er trägt Verantwortung, und losgelöst dessen, das es tatsächlich Belegschaften, Händler und Kunden sind die das Desaster ausbaden, hat ein ex BMW Manager recht, wenn er die Produktivität in Wolfsburg anmahnt.Das Konstrukt aus Gewerkschaft, Politik und Absicherung(VW Gesetz) ist ein Auslaufmodell!Und wer denkt an Hunderte von Händlern und deren Belegschaften?Normalerweise müsste es massenweise Strafbefehle und Nichtentlastungen von Vorständen geben.Was VW momentan bewegt und inszeniert ist vernichtende Management und Unternehmenskultur.Beeindruckend wie sich brav preußisch erzogene Händler Heere gesittet zur Mama VW wendenund ohne Kritik Vernichtung hinnehmen. Bei einer braven Händlervertretung und deren Kopf auch nicht unbedingt verwunderlich.Wie die Lämmle im Stall saß man in Mainz und hat den Regionalfürstlein die Händchen gestreichelt.Schön das die Kollegen in USA Gas geben, um hier ein Zeichen zu setzen.Wenn dann Müller in Porsche Geschwindigkeit die Fettnäpfe betritt wird eine Eigeninsolvenz durchaus ein Vokabular des Gebrauchs in Wolfsburg.Und die Gewerkschaft? – Schön ist es im Business Anzug mitmachen zu dürfen – Herr Osterloh schauen Sie in den Spiegel – und nicht wundern wenn es knallt!


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