Nach dem Abschied des US-Chefs von Volkswagen muss der Konzern mitten im Abgas-Skandal einen neuen Problemlöser für die Vereinigten Staaten finden. Michael Horn verließ das Unternehmen am Mittwoch mit sofortiger Wirkung, wie VW mitteilte. Die Trennung sei einvernehmlich erfolgt. Horn hinterlässt viele Baustellen: Noch immer gibt es keine technische Rückruflösung für die rund 580.000 manipulierten Dieselautos in den USA, welche den Behörden ausreicht. Außerdem drohen wegen der Abgas-Affäre Milliardenstrafen, und viele Klagen prasseln auf den Konzern ein.
Übergangsweise soll Volkswagens künftiger Nordamerika-Chef Hinrich Woebcken die Aufgaben von Horn erfüllen. Er muss damit schneller Verantwortung übernehmen als ursprünglich geplant, denn als Leiter der Region Nordamerika (USA, Mexiko, Kanada) ist Woebcken noch gar nicht im Amt. Die Funktion soll er erst Anfang April übernehmen. Er wäre dann als Verwaltungsratschef des US-Geschäfts von Volkswagen de facto der Vorgesetzte von Michael Horn geworden.
Dazu kommt es nun nicht. Es bleibe dabei, dass Woebcken sein Amt als Nordamerika-Chef Anfang April antrete, sagte eine US-Sprecherin des Konzerns. Als Ersatz für Horn springe der ehemalige BMW-Manager aber sofort ein.
Horn hatte das Amt erst im Januar 2014 übernommen. In die Amtszeit des 54-Jährigen fiel das Bekanntwerden der Affäre um manipulierte Abgaswerte, die den Konzern in eine schwere Krise gestürzt hat. Der ehemalige Konzernchef Martin Winterkorn war bereits im September zurückgetreten, wenige Tage vorher hatte das US-Umweltamt EPA den Skandal öffentlich gemacht. Welche Rolle Horn bei der Entstehung des Skandals spielte, ist unklar.
Den Kopf für den Konzern hingehalten
Klar ist aber, dass Horn in den USA nach dem Skandal häufig den Kopf für den Konzern hinhalten musste. Er musste US-Abgeordneten in einem Untersuchungsausschuss unangenehme Fragen beantworten und sich vielfach in der Öffentlichkeit für die Affäre entschuldigen. Horn galt als Mann des Vertriebs, der die Rückendeckung der vom Abgas-Skandal hart getroffenen VW-Händler in den USA hatte.
In Aufsichtsratskreisen schien die Nachricht aus den USA am Mittwochabend durchaus für Überraschung zu sorgen, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. Dies bezog sich insbesondere auf den Zeitpunkt: Immerhin seien seit dem Beginn der Affäre bereits fast sechs Monate vergangen, hieß es. Einige der Aufseher hätten mit dem Rücktritt bereits deutlich früher gerechnet, nämlich noch bevor Winterkorn seinen Hut nahm.
VW hatte die Manipulationen damals auch öffentlich eingeräumt, kurz nachdem die US-Behörden an die Öffentlichkeit gegangen waren. Seit 2009 hat VW demnach mit einer speziellen Betrugssoftware in großem Stil Abgaswerte bei Dieselwagen gefälscht. In den USA sind rund 580.000 Autos betroffen, weltweit sind es rund elf Millionen Wagen. Die USA sind aber für VW auch deshalb entscheidend, weil die Grenzwerte für Stickoxide im Abgas schwerer einzuhalten sind als anderswo. Technische Lösungen für die manipulierten Autos sind schwieriger. Außerdem drohen in den USA mit Abstand die höchsten Strafzahlungen.
Immer neue Baustellen
Erst am Vortag hatte das «Wall Street Journal» unter Berufung auf Insider berichtet, dass die US-Regierung nun auch wegen Bankbetrugs und möglichen Verstößen gegen Steuergesetze gegen VW ermittele (wir berichteten). Damit könnten noch höhere Bußgelder auf den Konzern zukommen.
In den Verhandlungen mit den US-Behörden über einen Plan zur Beseitigung der Betrugsprogramme konnte VW bis zuletzt keinen Durchbruch erzielen. Der Konzern gerät zunehmend unter Druck. Am 24. März läuft ein Ultimatum eines US-Richters aus, bei dem Hunderte Zivilklagen gebündelt sind. (dpa)