Nach dem wochenlangen Streit um die Vorstands-Boni droht dem VW-Konzern ein neuer Krisenherd: Nach Darstellung von Betriebsratschef Bernd Osterloh regt sich in der Unternehmensspitze Widerstand gegen die bereits vereinbarte Anerkennungsprämie, die die 120.000 Haustarifbeschäftigten als Alternative für ihre entgangene Gewinnbeteiligung erhalten sollen. Teile des Vorstandes verlangten Zusagen dafür, dass die Mitarbeiterprämie fließe, sagte Osterloh am Mittwoch vor fast 30.000 VW-Beschäftigten in Wolfsburg.
Für die Anerkennungsprämie steht Konzernchef Matthias Müller schon im Wort, nur ihre Höhe ist noch unklar. Details nannte Osterloh nicht. "Es klingt unglaublich, aber es ist wahr: Wir sollen dem Vorstand etwas geben, damit wir etwas bekommen", sagte Osterloh. Das sei "ein Taschenspielertrick."
Die VW-Haustarifler haben Anspruch auf jeden zehnten Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern bei der Pkw-Kernmarke. Doch wegen der Diesel-Krise gibt es für 2015 nichts zu verteilen. Für 2014 waren 5.900 Euro pro Kopf geflossen, zusammen rund 700 Millionen Euro. Alternativ soll es nun die Anerkennungsprämie geben.
Spontaner Protest wegen stockender Tarifrunde
Zehntausende VW-Mitarbeiter wollen am Mittwoch ihrem Unmut über die stockende Haustarifrunde bei dem Autobauer Luft machen. Die Arbeitnehmerseite ruft in den Werken Wolfsburg, Hannover Braunschweig, Emden, Kassel und Salzgitter zu Informationsversammlungen am Vormittag auf, die trotz der laufenden Friedenspflicht erlaubt sind. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Morgen in Wolfsburg. Allein dort werden gut Zehntausend Mitarbeiter vor dem Vorstandsgebäude erwartet.Der VW-Haustarif gilt für die sechs genannten westdeutschen Werke und die VW-Finanztochter.
Die IG Metall fordert in der laufenden Runde fünf Prozent mehr Geld, so wie in der parallel laufenden Flächentarifverhandlung auch. Die VW-Arbeitgeber hatten auch beim zweiten Verhandlungstreffen Anfang Mai kein Angebot vorgelegt. Runde drei ist nächste Woche.
Gabriel: VW-Beschäftigte dürfen nicht für Betrügereien bluten
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) stellte an die Seite der Beschäftigten. Mit Blick auf den Protest Zehntausender VW-Mitarbeiter wegen der stockenden Gespräche zum VW-Haustarif sagte Gabriel am Mittwoch in Berlin, die Beschäftigten seien völlig im Recht: "Es kann doch nicht sein, dass für die Management-Fehler, für die Betrügereien, die in den Vereinigten Staaten gemacht worden sind, jetzt die Arbeitnehmer bluten sollen."
Jeder in Deutschland müsse es als empörend empfinden, wenn ein Management, das eine der tiefsten Krisen bei Volkswagen mitverursacht habe, sich millionenschwere Boni leiste. "Da werden Boni gezahlt, die Menschen in ihrem ganzen Leben nicht erarbeiten können", kritisierte der SPD-Chef und frühere niedersächsische Ministerpräsident. Er könne nur raten, Vernunft einkehren zu lassen. "Sonst werden die Beschäftigten garantiert nicht mitmachen, wenn es darum geht, das Unternehmen wieder auf neue Füße zu stellen." (dpa)
Tiffy