Die Milliardenkosten des Diesel-Skandals bei Volkswagen sind nach Überzeugung der IG Metall kein Grund für Zurückhaltung in der nahenden VW-Haustarifrunde. "Wir sehen überhaupt keinen Auslöser, beim Abschluss wegen 'Dieselgate' zurückzustecken", sagte IG-Metall-Bezirksleiter und Verhandlungsführer Hartmut Meine der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Die Gewerkschaft will für die 120.000 Beschäftigten im VW-Haustarifvertrag fünf Prozent mehr Geld, so wie in der Metall-Flächentarifrunde. Die Verhandlungen sind zeitversetzt: Während sie in der Fläche schon begonnen haben, steht das erste Gespräch für den VW-Haustarif erst Ende April an.
Seit 2008 orientieren sich die IG-Metall-Tarifforderungen für VW an denen der Fläche. In den vergangenen Jahren fielen die Erhöhungen immer gleich aus, im VW-Haustarif gab es aber meist ein Sahnehäubchen obendrauf - etwa Einmalzahlungen oder einmalige Rentenzuschüsse.
Meine bekräftigte das Ziel, bei VW nicht hinter das Ergebnis aus dem Flächentarif zurückzufallen. "Volkswagen wird daher wahrscheinlich auch nicht vor der Fläche abschließen", machte Meine klar. VW blickt in der Abgas-Affäre auf drohende Milliardenkosten für die Rückrufe oder die Klagen von Anlegern, Kunden, Händlern und Konkurrenten. Auch Strafzahlungen könnten in die Milliarden gehen. Zudem wird es für VW teurer, sich für die Refinanzierung Geld zu leihen. Und Rückzahlungen drohen, etwa bei Steuererleichterungen. Auch sind die Auswirkungen auf den Absatz unklar.
Mitarbeiter sollten nicht die Zeche zahlen
Trotz der dunklen Vorzeichen betonte Meine, die Haustarifmitarbeiter seien eindeutig die Falschen für ein Mitbezahlen der Diesel-Zeche. Zudem machte er klar, dass auch die zweite Forderung für den VW-Haustarif keine Verhandlungsmasse sei; die nach einer Verlängerung der Altersteilzeitregel. "Bei der Altersteilzeit ist unsere Forderung klipp und klar: Wir bestehen auf dem Fortschreiben zu den bestehenden Konditionen", sagte Meine. "Das Thema Altersteilzeit hat bei unseren Leuten einen ganz, ganz hohen Stellenwert."
Beschäftigte im VW-Haustarif können ein Altersteilzeit-Modell nutzen, bei dem sie zum Beispiel mit 57 Jahren drei Jahre wie zuvor weiter arbeiten und dann ab 60 drei Jahre mit der passiven Altersteilzeit zu Hause bleiben. In diesen sechs Jahren stockt VW den Nettoverdienst bei einem durchschnittlichen Facharbeiter auf 85 Prozent auf und die Rentenzahlungen auf 90 Prozent. Die VW-Betriebsrente hilft dann, den frühen Renteneintritt ab 63 und die zehn Prozent Einbuße in den sechs letzten Einzahlungsjahren aufzufangen. Anders als im Flächentarif, wo maximal vier Prozent der Belegschaft in Altersteilzeit gehen können, wird die Quote bei VW bisher jedes Jahr neu berechnet.
Ähnliches Endgelt-Niveau erreicht
Meine verwies zudem darauf, dass Niedersachsens Metall-Flächentarif und der VW-Haustarif inzwischen im Entgelt-Niveau bei Facharbeitern und jungen Ingenieuren "nahezu identisch" seien. Das ändere sich bei VW in wirtschaftlich guten Jahren nur mit der Erfolgsbeteiligung. Sie sichert den Haustariflern jeden zehnten Euro vom operativen Gewinn bei VW-Pkw, was zuletzt mehrere Tausend Euro pro Kopf und Jahr waren. "Davon abgesehen ist das Niveau seit 2006 praktisch gleich. Dies gilt auch für die prozentualen Nettoverdienste während der Altersteilzeit. Sie liegen bei VW und in der Fläche bei durchschnittlich 85 Prozent." In der Krise damals erfolgten Anpassungen bei Arbeitszeit und Lohn, um dadurch eine Beschäftigungssicherung vereinbaren zu können.
Volkswagens Haustarif umfasst die sechs westdeutschen VW-Werke Emden, Hannover, Salzgitter, Braunschweig, Wolfsburg und Kassel sowie die VW-Finanzdienstleistungen (VW-Bank) und die VW-Immobilientochter. (dpa)
Franz Josef