Aktienkäufe bei Volkswagen durch den Finanzinvestor TCI werden im Aufsichtsrat von Europas größtem Autobauer bislang gelassen zur Kenntnis genommen. "Natürlich ist das keine gute Nachricht, aber ich gehe nicht davon aus, dass uns das vor größere Probleme stellen wird", sagte einer der 20 Chefaufseher von VW am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Dies gelte auch für die vom TCI-Chef Chris Hohn geäußerte Kritik an der VW-Machtarchitektur. Ein Volkswagen-Sprecher wollte das Thema am Wochenende nicht kommentieren.
Unklar ist, wie TCI Einfluss bei VW mit seiner stabilen Aktionärsstruktur gewinnen will. Der "Financial Times" zufolge hat der Fonds einen zweiprozentigen Anteil im Wert von rund 1,2 Milliarden Euro aufgebaut, allerdings handele es sich um Vorzugsaktien, die nicht stimmberechtigt sind. Aus dem Umfeld eines anderen Aufsichtsrates hieß es, die Einflussmöglichkeiten der Aktionäre bei VW seien durch die Verteilung der stimmberechtigten Stammaktien auf die Familie Porsche/Piëch, das Land Niedersachsen und den Großaktionär Katar sehr begrenzt.
Somit dürfte der Finanzinvestor TCI VW abseits von neuer Unruhe - insbesondere bei der Hauptversammlung am 22. Juni in Hannover - zunächst keine größeren Probleme bereiten, lautete die übereinstimmende Einschätzung. "Dies gilt logischerweise auch mit Blick auf die Gefahr einer Übernahme, die natürlich kein Thema ist", hieß es. "Zur Wahrheit gehört aber natürlich auch, dass wir derzeit infolge der weltweiten Abgaskrise Wichtigeres zu tun haben, als uns mit einem aggressiven Finanzinvestor herumzuärgern."
TCI-Chef Hohn wird von "Manager-magazin.de" und der "Financial Times" mit heftiger Kritik zitiert: "Es ist das schmutzige Geheimnis des Volkswagen-Konzerns, dass das Management über Jahre reichhaltig entlohnt wurde, obwohl es einen Kollaps der Produktivität und des Gewinns zu verantworten hat."
In einem Brief an VW-Vorstände und -Aufsichtsräte, über den unter anderem die "FT" berichtete, rechnet Hohn vor, dass der operative VW-Gewinn zwischen 2011 und 2016 bei 11,3 Milliarden Euro verharre. "Schockierenderweise haben die neun Mitglieder des Vorstandes in dieser Zeit 400 Millionen Euro eingestrichen." (dpa)
Jörg Herrmann