Die Stiftung "Volkswagen Investors Claim" hat den Autokonzern erneut zu einem Vergleich aufgefordert, mit dem der finanzielle Schaden aus dem Diesel-Skandal für Investoren ausgeglichen werden könnte. Ein gerichtlich bestätigter Vergleich nach niederländischem Recht könnte europaweit angewendet werden und die zu erwartende Prozesswelle eindämmen, sagte Rechtsanwalt Eric Breiteneder der Deutschen Presse-Agentur. Leider habe das Unternehmen seit Oktober 2015 nicht auf die Vorschläge reagiert und stattdessen bestritten, dass überhaupt ein aktienrechtliches Fehlverhalten stattgefunden hat.
Wie andere Anlegervertreter auch meint die Stiftung, dass die Volkswagen AG die Öffentlichkeit im September 2015 zu spät über die Manipulationen bei der Abgasreinigung und die damit verbundenen Milliardenrisiken informiert hat. VW weist diese Vorwürfe zurück. Investoren beklagen aber, dass Besitzern von VW-Aktien, Anleihen oder anderen Finanzprodukten hohe Schäden entstanden seien, die nun von Volkswagen ersetzt werden müssten. Die Stiftung will darüber einen Vergleich schließen, während beim Landgericht Braunschweig bereits mehr als hundert Klagen eingegangen sind, die voraussichtlich in einem Musterverfahren gebündelt werden.
Die Stiftung vertritt nach eigenen Angaben Investoren aus 26 Ländern mit 13 Milliarden Euro investiertem Kapital. Zu 95 Prozent handele es sich um Eigner von Unternehmens-Anleihen und Finanzprodukten. Zur Höhe des aus ihrer Sicht entstandenen Kapitalschadens äußerte sich die Stiftung nicht. "Volkswagen spielt auf Zeit", sagte Anwalt Breiteneder. Es sei aber kurzsichtig, allein auf die deutsche Verjährungsfrist zu schauen, die voraussichtlich am 18. September greift, dem Jahrestag der ersten VW-Veröffentlichung zum Thema. "Entscheidend ist der Handelsplatz der Wertpapiere. Beispielsweise verjähren die Ansprüche in Spanien erst nach 15 Jahren." Es sei daher über Jahre europaweit mit Prozessen um Schadenersatz zu rechnen.
Die Stiftung sucht derzeit intensiv nach Anlegern, die sich ihrem Vergleichsweg anschließen wollen. Im Erfolgsfall sollen 18 Prozent der Schadenssumme an die Stiftung fließen. Da bis dahin keine Kosten anfallen, hat die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) Anlegern den Beitritt empfohlen.
Allerdings hemmt eine Mitgliedschaft in der Stiftung nicht die Verjährung. Spätestens im September müssten deutsche Anleger dafür Klage einreichen. Einem möglicherweise später von der Stiftung erreichten Vergleich könnten sie beitreten, wenn sie zuvor die Klage fallen ließen. Falls Volkswagen bereit sei, könne man innerhalb von sechs Monaten eine Einigung finden, erklärte der Stiftungsanwalt.
Aktionärsvertreter wollen Sonderprüfung
Nach der DSW wollen nun weitere Aktionäre VW zu einer Sonderprüfung des Abgas-Skandals zwingen. Die Fondsgesellschaft Hermes kündigte im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ("FAS") an, notfalls für eine solche Prüfung auch vor Gericht zu ziehen. Die DSW hatte Ende Mai mitgeteilt, bei der Hauptversammlung des Autobauers am 22. Juni eine unabhängige Sonderprüfung zu beantragen.
Neben den von VW eingesetzten Anwälten sollen demnach von Volkswagen unabhängige Wirtschaftsprüfer klären, wann der Vorstand von den manipulierten Abgaswerten im Volkswagen-Konzern wusste, hatte DSW-Präsident Ulrich Hocker damals gesagt. Auch die Rentenkasse der Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und Stadtangestellten aus New York fordern auf der Hauptversammlung einen Sonderprüfung. Die Aktien der Wolfsburger verloren seit Ausbruch der Diesel-Krise heftig an Wert. Die Vorzugsaktien büßten teils gut 40 Prozent ein, aktuell liegen sie bei etwa 75 Prozent des Niveaus vor der Krise.
Sollte der Antrag abgelehnt werden, will die DSW die Untersuchung laut Hocker gerichtlich durchsetzen. Auch der Corporate-Governance-Experte Christian Strenger hatte bereits einen Antrag auf Sonderprüfung angekündigt. Der "FAS" sagte Strenger, VW zwinge die Anteilseigner mit seiner Wagenburg-Mentalität, die Vorfälle durch eine Sonderprüfung klären zu lassen.
Zur Klärung der Affäre hat Volkswagen selbst Ermittler der US-Kanzlei Jones Day eingesetzt - Ergebnisse daraus werden aber frühestens zum Jahresende feststehen. Der VW-Konzern hat in weltweit elf Millionen Dieseln eine illegale Software eingesetzt, die Abgastests der Behörden austrickst. (dpa)