Ex-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn gerät wegen des Abgas-Skandals nun auch ins Visier der Justiz. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft erklärte am Montag, angesichts mehrerer Strafanzeigen ein Ermittlungsverfahren gegen den Manager eingeleitet zu haben. Der Schwerpunkt der Ermittlungen liegt demnach auf dem Vorwurf des Betruges durch den Verkauf von Kraftfahrzeugen mit manipulierten Abgaswerten, betonte die Behörde.
Es werde nun geprüft, ob gegen Winterkorn ein Anfangsverdacht bestehe, sagte eine Sprecherin. Derzeit werde Winterkorn noch nicht als Beschuldigter in dem Verfahren geführt, allerdings sei sein Name der einzige eines VW-Managers, der in den Anzeigen auftauche. Vor allem wollen die Ermittler klären, wer für die Manipulationen die Verantwortung trägt und welches Ziel sie hatten. Bisher seien rund zehn Anzeigen eingegangen, mit weiteren werde gerechnet.
Das Ausmaß des Skandals ist auch mehr als eine Woche nach Bekanntwerden der Affäre nur in Umrissen bekannt. Noch immer unklar ist, welche Marken, Modelle auf welchen Märkten genau betroffen sind. Der neue Konzernchef Matthias Müller hatte am Freitag nach seiner Ernennung "maximale Transparenz" angekündigt. Bisher ist unter anderem klar, dass weltweit elf Millionen Autos betroffen sind, 2,8 Millionen davon alleine in Deutschland. Ebenfalls offen ist, wie VW mit den betroffenen Autos umgehen wird. An der Börse verlor die Aktie von Europas größtem Autobauer bis zum Nachmittag fast acht Prozent.
Vorermittlungen hatte die für Wirtschaftsstrafsachen zuständige Staatsanwaltschaft in Braunschweig bereits in der vergangenen Woche eingeleitet - auch auf Grundlage mehrerer Strafanzeigen. Auch das Präsidium des VW-Aufsichtsrates hatte vergangenen Mittwoch eine Strafanzeige angekündigt und erklärt: "Es steht nach Ansicht des Präsidiums fest, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, die auch strafrechtlich relevant sein können." Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft würden vom Konzern in aller Form unterstützt.
Gespräche mit der EU-Kommission
VW-Markenchef Herbert Diess soll am Dienstag in Brüssel Gespräche mit der EU-Kommission über den Abgas-Skandal führen. Der Top-Manager werde Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska treffen und über die jüngsten Entwicklungen informieren, teilte die EU-Kommission am Montag mit. Uhrzeit und weitere Details wurden zunächst nicht genannt. Die EU-Kommission hatte jüngst die vollständige Aufklärung des Skandals von den nationalen Behörden verlangt.
Daneben wurden am Montag auch weitere personelle Konsequenzen des Diesel-Dramas bekannt. So wurden nach dpa-Informationen mehrere Top-Manager des Konzern beurlaubt, darunter Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg. VW äußerte sich am Montag nicht dazu, auch Audi in Ingolstadt lehnte eine Stellungnahme ab. Den Informationen zufolge wehrt sich Hackenberg juristisch gegen seine Suspendierung. Bereits am vergangenen Donnerstag musste nach Angaben aus Unternehmenskreisen Porsche-Forschungsvorstand Wolfgang Hatz gehen. Volkswagen hatte am vergangenen Freitag erklärt, erste Manager "beurlaubt" zu haben.
Neuer Porsche-Chef soll noch diese Woche vorgestellt werden
Der bisherige Porsche-Produktionsvorstand Oliver Blume soll noch in dieser Woche als neuer Chef des Stuttgarter Sportwagen-Herstellers inthronisiert werden. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Konzernkreisen erfuhr, läuft die Planung für ein Treffen des Aufsichtsrats der Porsche AG auf Hochtouren. Der genaue Tag stehe noch nicht fest, es werde aber auf jeden Fall noch diese Woche sein. Blume ist dem Vernehmen nach der einzige Kandidat, mit Widerstand gegen die Personalie wird bei dem Treffen des Kontrollgremiums nicht gerechnet.
Der 48-jährige Blume ist seit gut zwei Jahrzehnten beim VW-Konzern, 2013 kam er zu Porsche. Zumindest einen Teil der Porsche-Erfolgsgeschichte vergangener Jahre kann er sich mit ans Revers heften, seit 2010 hat der Sportwagen-Hersteller seinen Absatz fast verdoppelt. Vom Dieselskandal bei Konzernmutter VW ist Porsche bislang nicht betroffen. (dpa)
cuby