Von Jörg Schwieder/AUTOHAUS
Der Hyundai-Vertragshandel muss sich neuen Herausforderungen für Werkstatt und Aftersales stellen. Wie diese konkret aussehen, erklärte Hyundai-Servicechef Karl Hell im Rahmen der Servicekonferenz des Importeurs Anfang Juni in Brehna bei Leipzig. "Wir sind gegenüber den Dinosauriern im Vorteil – wir wissen, was auf uns zukommt, wir können noch handeln", sagte Hell am Rande der Veranstaltung im AUTOHAUS-Gespräch. Bedroht sei nicht weniger als das zur Zeit noch gut florierende Geschäft mit dem Warten und Reparieren von Fahrzeugen, der Teileverkauf – der gesamte Aftersales.
Folgendes gab der erfahrene Branchenexperte zu bedenken:
Personal: Bis zum Jahr 2030 fehlen dem deutschen Arbeitsmarkt rund sechs Millionen Menschen im Erwerbsalter. Es drohe ein "War for Talents". Die Babyboomer gehen – und die Generationen, die folgen, leben nicht, um zu arbeiten, sondern arbeiten, um zu leben. Dieser Trend verschärft sich mit jeder folgenden Generation der Sorten "Y" und "Z", denen altmodisches Hierarchiedenken fremd ist und die "Spaß" auch in der beruflichen Tätigkeit suchen. Auch Geld regiert bald nicht mehr (allein) die Welt. Da müssten, sagt Hell, die Betriebe ganz schnell umdenken, um nicht eines Tages unversehens an Personalmangel zu verenden. Neue Entlohnungssysteme mit Bonus-Systemen, Wertschätzung nicht nur der Kunden, sondern auch der Mitarbeiter, gezielte Mitarbeiterbindung z. B. durch Programme für Betriebsrenten etc. Es gebe viele Möglichkeiten. Der Importeur unterstützt seine Partnerbetriebe künftig in Bildungsprogrammen aktiv, die Personalarbeit zu modernisieren.
Prozesse: Ihre Optimierung beinhaltet viele Chancen. Mehr Effektivität, mehr Effizienz, mehr Qualität. Am Ende stehen mehr Umsatz, mehr Rendite, eine höhere Kundenzufriedenheit und eine bessere Kundenbindung. Die Digitalisierung ist ein Weg dorthin, jedoch kein Selbstzweck, warnt Hell. Digitalisiert wird daher nur dort und nur soweit, wie das aktuell sinnvoll erscheint, um ein besseres Ergebnis zu erreichen. Beispiel: Das neue Digital PDI von Hyundai ist ein System zur Vereinfachung der Übernahme- bzw. Auslieferungsinspektion eines Neufahrzeugs (PDI = pre-delivery inspection). Das System verbindet sich drahtlos über einen PDI-Adapter direkt am Fahrzeug mit der App (Android) z. B. auf einem Tablett oder einem Diagnosegerät – und von dort mit dem Internet und einer PDI-Datenbank. Das Fahrzeug durchläuft nun vollautomatisch einen Prüfzyklus sämtlicher elektrischer bzw. elektronischer Bauteile, schaltet beispielsweise alle Lichter durch, betätigt den Wischer, die Hupe usw. "Das PDI ist dann ein Fortschritt, wenn wir währenddessen andere, manuelle Tätigkeiten am Fahrzeug erledigen, denn dann spart es der Werkstatt Zeit und Geld", beschreibt Peter Scholz, Leiter Kundendienst bei Hyundai Deutschland. Es gibt noch eine Reihe anderer Projekte bei HMD: Erste Systeme für Augmented Reality, die Technikern bei komplexen Problem helfen können, ein neuer Webshop für Zubehöre – und natürlich eine Reihe neuer Funktionen für den Digitalen Service Prozess bei Hyundai.
Hyundai Servicekonferenz 2018
BildergalerieKundenbindung: In Zukunft gewinnt der Betrieb, der es schafft, mit seiner Gesamtleistung Kunden so von sich und seinen Services und Produkten zu überzeugen, dass diese immer wieder zu ihm kommen. Auch wenn es einzelne (Online-)Anbieter geben mag, die das eine oder andere eventuell günstiger offerieren. Werthaltiger Automobilvertrieb und werthaltiger Service sind nur möglich, wenn die Kundenloyalisierung auf die Spitze getrieben werde, erklärt Friedel Beyer, Leiter Teile und Zubehör. Während der Servicekonferenz wurden dafür klassische Instrumente vorgestellt, wie etwa die neue Hyundai Neuwagenanschluss- und Gebrauchtwagengarantie, die eine Rückführung des Kunden zur Händlerwerkstatt garantiert – neben der Kostenübernahme. Auch um Kunden der Segmente zwei und drei wird sich bereits verstärkt gekümmert, mit Austauschteilen und dem iXTRA Service (Vorsorge-Paket zum Komplettpreis für Fahrzeuge älter als fünf Jahre).
Marktausschöpfung: Nach Jahren des Wachstums ist es nach Auffassung der Hyundai Strategen an der Zeit, sich bei einem Bestand von rund 500.000 Fahrzeugen in Deutschland über Strategien zur Marktausschöpfung verstärkt Gedanken zu machen. Was können Werkstätten konkret tun, um den Bestand an Fahrzeugen in ihrem Marktgebiet optimal auszuschöpfen? Diese Frage ist dabei ähnlich überlebenswichtig wie die einer angepassten Personalpolitik, sagte während der Konferenz Bernd Ehret, Leiter des Hyundai Technik-Kompetenzzentrums. Das liege ganz einfach daran, dass Cash-Cows wie etwa das Geschäft mit Garantiereparaturen schrumpfen, da die Fahrzeuge immer zuverlässiger würden. Durch eine gezielte Marktbearbeitung sei es allerdings möglich, im Markt neue Umsatzpotenziale zu erschließen – beispielsweise für Zubehöre, so Hell. Ein Selbstläufer freilich ist so etwas nicht – neue Geschäftsfelder wollen gezielt erschlossen werden.
Annotator