Der Autobauer Daimler stellt sich auf einen Umbruch bei der Mobilität in den Innenstädten ein. Carsharing werde dabei gegenüber dem herkömmlichen Privatbesitz von Autos einen enormen Wachstumsschub erleben, berichtete der Chef der Daimler-Mobilitätsdienstleistungen, Robert Henrich, am Montag in Stuttgart. "Die Frage ist, ob sich die Stadtbewohner in ein paar Jahren überhaupt noch die Frage nach dem Verkehrsmittel stellen. Oder ob sie einfach nur von A nach B wollen", sagte der Manager, der bei Daimler den Start der Carsharing-Tochter Car2go verantwortete.
Alleine für Europas Carsharing-Gesamtmarkt halten die Schwaben bis 2020 einen Umsatz von sieben Milliarden Euro für realistisch, sagte Henrich unter Berufung auf eine Studie des globalen Marktforschers Frost & Sullivan. Demnach könnte die Zahl der Kunden, die sich regelmäßig Mietautos für kürzere Strecken teilen, in Europa bis 2020 von heutzutage 700.000 auf dann etwa 15 Millionen Menschen wachsen.
Mit den eigenen Mobilitätsdienstleistungen rund ums Carsharing will Daimler 2014 auf rund 100 Millionen Euro Jahresumsatz kommen. Aktuelle Umsatzzahlen gibt der Konzern nicht bekannt. Ein Sechstel der aktuell 18 Daimler-Carsharing-Städte in Europa und Nordamerika schrieben inzwischen schwarze Zahlen. Die Namen der Orte nannte Henrich nicht. Er ließ aber durchblicken, dass die Städte, in denen die Angebote zuerst starteten, natürlich einen Vorsprung hätten. Das Projekt war vor rund vier Jahren im März 2009 in Ulm gestartet.
Rasante Zuwachsraten
Die Zuwachszahlen sind rasant: Ende 2011 waren bei Car2go 60.000 Kunden registriert, aktuell sind es laut Daimler 275.000. Bis Ende des laufenden Jahres sollen es mehr als eine halbe Million sein. Das mit den Kleinstwagen Smart laufende Angebot kostet pro Minute 0,29 Euro.
Anders als etwa beim Flinkster-Angebot der Bahn, das das hierzulande größte Carsharing-Netz für sich beansprucht, muss der Car2Go-Smart nicht an der Station zurückgegeben werden, wo der Kunde ihn auch abholte. Es reicht, einen der zugehörigen Parkplätze im Geltungsbereich anzusteuern. Daimler ist mit seinen Aktivitäten auf dem Gebiet nicht alleine. Auch BMW oder Volkswagen beispielsweise sind in dem neuen Geschäftsfeld unterwegs. Die Autobauer können auch gar nicht anders, wenn sie den lukrativen Markt nicht Akteuren wie Autovermietern oder der Herstellerkonkurrenz überlassen wollen.
Nachfrage nach innovativen Nutzungskonzepten
Der Dax-Konzern rechnet grundsätzlich mit einem Zusatzgeschäft, das nicht zwangsläufig den herkömmlichen Absatz von Fahrzeugen in Privatbesitz schmälert. "Das Modell eigenes Auto wird weiterhin bestehen. Daneben tritt aber eine neue Nachfrage nach innovativen Nutzungskonzepten", sagte Henrich. Manche reine Carsharing-Kunden fänden über diesen Weg auch privat zum Smart. Andere entschieden sich angesichts wachsender Carsharing-Angebote gegen ein eigenes Auto.
Entscheidend für den Erfolg wird auch die Software hinter den Mobilitätsangeboten sein. Mit der Smartphone-App Moovel geht Daimler das Thema an. Das Programm vergleicht Mobilitätsoptionen wie Car2go, Taxi, Mitfahrgelegenheiten, Bus, Bahn oder Tram. Fahrtdauer, Kosten und der Weg zum nächsten Angebot sind binnen Sekunden abrufbar. Das Car2go-Prinzip mit Abrechnung je Nutzungsintensität will Daimler zudem auch in sein Angebot für Firmenflotten übertragen. Das Geschäft mit Dienstwagen ist für die Kernmarke Mercedes ein enorm wichtiger Teil des gesamten Erfolges. (dpa)