Mehr Verantwortung für die Konzernmarken, bessere Renditen, flachere Hierarchien, Elektromobilität und Digitalisierung: Die geplante neue Konzernstrategie 2025 von Konzernchef Matthias Müller stellt Volkswagen mitten in der Dieselkrise vor eine umfassende Erneuerung. "Wenn wir jetzt die richtigen Dinge tun, und wenn wir sie richtig tun, dann hat unser Unternehmen großartige Chancen für die Zukunft. Davon bin ich überzeugt", sagte Müller am Freitag bei einer nicht öffentlichen Managertagung vor Führungskräften in Wolfsburg. Der Deutschen Presse-Agentur lagen Auszüge der Rede vor.
"Ein Unternehmen dieser Größe, dieser Internationalität und Komplexität kann man nicht mit den Prinzipien und Strukturen von gestern steuern - so erfolgreich diese auch gewesen sein mögen", betonte Müller. Volkswagen müsse schneller, agiler, unternehmerischer werden. Angesichts der drohenden Milliardenkosten infolge der weltweiten Abgasmanipulationen bei mehr als elf Millionen Dieseln müsse vor allem auch die Kosteneffizienz "deutlich verbessert werden". Andere Autohersteller seien hier besser aufgestellt. "Es gilt, den Rückstand zu den Besten aufzuholen."
Grundlage dafür sei es, dass die Marken im Konzern mehr Verantwortung übernehmen. "In Zukunft werden Entscheidungen bei uns jeweils dort fallen, wo sie am sinnvollsten getroffen werden können. In vielen Fällen ist das in den Marken", sagte Müller. "In der 'neuen' Volkswagen-Welt hat der Konzern primär eine steuernde und integrierende Funktion. Aber der Konzern ist kein zahnloser Tiger. Bei aller Freiheit brauchen wir Verbindlichkeit und Disziplin in Strategie, Planung und Umsetzung."
"Die Zeiten des Weltautos sind endgültig passé"
Die neuen Entscheidungsbefugnisse dürften auch vor Grenzen keinen Halt machen. "Die Zeiten des Weltautos sind endgültig passé. Die Verantwortlichen vor Ort wissen am besten, was ihre Kunden wünschen und wie sie dem Wettbewerb Paroli bieten können", sagte er. Für mehr Synergien und Effizienz brauche es aber dennoch einen verbindlichen Handlungsrahmen und markenübergreifende Regionalstrategien.
Details zur Strategie sind bislang aber kaum bekannt. Sie wird auf jeden Fall die bislang gültige, von Müllers Vorgänger Martin Winterkorn geprägte Marschroute ablösen. "Der Konzern ist mit der Strategie 2018 gut gefahren. Bei der Zufriedenheit unserer Kunden, beim Volumen und als Arbeitgeber haben wir die selbst gesteckten Ziele früher als geplant erreicht. Eindeutig hinter unseren Ansprüchen zurückgeblieben sind wir hingegen bei der Rendite."
Mobilitätsdienste vorantreiben
Die neue Strategie müsse Antworten auf die Zukunft der Mobilität geben, sagte Müller. Dazu werde VW in Kürze "ein rechtlich eigenständiges, konzernübergreifendes Unternehmen gründen". Ziel sei es, das Geschäft rund um Mobilitätsdienste mit dem nötigen Tempo, unternehmerischem Fokus und der erforderlichen Agilität voranzutreiben.
Die Arbeiten an der strategischen Marschroute sind noch nicht abgeschlossen, auch einen Termin für die offizielle Vorstellung in der Öffentlichkeit gibt es bislang noch nicht. Dem Vernehmen nach ist dies für den Sommer geplant. Unklar ist aber, ob dies noch vor der Hauptversammlung am 22. Juni in Hannover sein wird.
Porsche dementiert Machtkampf
Unterdessen wies die Dachgesellschaft Porsche SE als VW-Großaktionär einen Bericht über einen angeblichen Machtkampf bei Volkswagen zurück. "Es gibt und gab keinen Machtkampf der Großaktionäre bei Volkswagen", sagte ein Sprecher der Porsche SE am Freitag in Stuttgart. "Die Porsche SE unterstützt gemeinsam mit den beiden Großaktionären Niedersachsen und Katar den Volkswagen-Vorstand bei der Bewältigung der Abgasthematik und der Neuausrichtung des Konzerns."
Zuvor hatte das Nachrichtenmagazin "Spiegel" berichtet, die Familien Porsche und Piëch hätten die Entmachtung des Landes Niedersachsen bei VW vorbereitet. Das Land hat mit 20 Prozent der Stammaktien ein Vetorecht bei allen wichtigen Entscheidungen. Die Stimmrechte bei der Porsche SE liegen komplett in den Händen der Familien Porsche und Piëch. Hintergrund ist eine Debatte über die Zahlung einer Dividende für das vergangene Geschäftsjahr. Die VW-Spitze hatte sich trotz der Milliardenbelastungen durch den Abgasskandal dazu entschieden, dennoch eine kleine Dividende zu zahlen. Eine Regelung besagt aber, dass die bisher stimmrechtslosen Vorzugsaktien bei VW stimmberechtigt werden, wenn der Autobauer zwei Jahre hintereinander keine Dividende zahlt. Der Anteil Niedersachsens würde sich dadurch laut «Spiegel» fast halbieren, das Vetorecht wäre weg.
Im VW-Aufsichtsrat hatten die Vertreter der Familien Porsche und Piëch sowie zwei Vertreter Katars dafür gestimmt, dass für 2015 keine Dividende bezahlt wird. Dafür stimmten aber die zwei Vertreter Niedersachsens und die zehn Arbeitnehmervertreter. Dies wurde der Deutschen Presse-Agentur in Konzernkreisen bestätigt. Der Grund sei aber keine geplante Entmachtung Niedersachsens gewesen. Vielmehr hätten die Familien das Geld in der VW-Kasse behalten wollen. Die Darstellung des Magazins "Spiegel" sei eine "Überinterpretation", hieß es in den Konzernkreisen. (dpa)