Der Chef des Autokonzerns Stellantis hat die Elektroauto-Strategie der EU scharf kritisiert. Die politischen Vorgaben hätten den Herstellern keine kreative Freiheit gelassen, andere Ideen einzubringen, erklärte Tavares in einem "Handelsblatt"-Interview (Mittwoch). Die Elektroantriebe seien 50 Prozent teurer als die Verbrenner und trieben die Preise für Neuwagen in die Höhe. Damit steige das Risiko, dass die Mittelschicht keine Autos mehr kaufen könne und die Staatskassen überfordert würden.
Einen positiven Beitrag der E-Autos zum Klimaschutz stellte der Chef des hinter Volkswagen zweitgrößten europäischen Autokonzerns infrage: "Wir werden erst in zehn oder 15 Jahren wissen, welche Ergebnisse die Elektrifizierung tatsächlich für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen bringen wird." Man müsse über den CO2-Fußabdruck der Batterie sprechen, denn beim europäischen Energiemix müsse ein E-Auto erst 70.000 Kilometer fahren, um eine schlechte CO2-Bilanz der Batterieherstellung auszugleichen. Als schnellere und billigere Innovationsmöglichkeit nannte der Manager leistungsfähige Hybridautos, die einen sofortigen CO2-Vorteil gebracht hätten.
Tavares forderte eine Aufrechterhaltung der Elektro-Subventionen bis mindestens 2025. Stellantis habe bereits mit der Transformation sämtlicher Fabriken begonnen. "Ohne einen allmählichen Übergang werden die sozialen Folgen groß sein", warnte Tavares. "Und wir sind nicht allein: Wir haben ein ganzes System an Zulieferern um uns herum, die genauso schnell handeln müssen wie wir."
"Wir brauchen keine Showroom-Kathedralen mehr"
Auf die Frage, ob Autohändler angesichts des zunehmenden Online-Vertriebs bald der Vergangenheit angehören, sagte Tavares: "Wenn Sie Ihre Kunden nicht glücklich machen, dann wird das der Fall sein." Was sich momentan tatsächlich ändere, sei, dass die Hersteller angesichts wachsender Kosten nicht mehr die Mittel hätten, die Händler zu unterstützen. Und weiter: "Ich glaube, wir brauchen für die Präsentation der Modelle keine Showroom-Kathedralen von 2.000 Quadratmetern mehr. Das sind Kosten, die nicht mehr in die heutige Realität passen." Für die Händler sei das die Möglichkeit, sich auf Servicequalität und Wirtschaftlichkeit zu konzentrieren.
Der Stellantis-Boss verteidigte auch die Sanierung des 2017 übernommenen Herstellers Opel. "Es wird viel von dem kritisiert, was wir bei Opel seit 2017 gemacht haben. Was aber niemanden stört, ist, dass Opel jetzt Geld verdient." Es bleibe das Ziel, die deutschen Standorte autonomer zu machen. Die IG Metall hatte zum Jahresende verhindert, dass die Werke Eisenach und Rüsselsheim aus der deutschen Opel-Gesellschaft herausgelöst werden.
Der Konzern mit den Hauptmarken Fiat und Peugeot plant nach eigenen Angaben bis 2025 Investitionen von mehr als 30 Milliarden Euro. Im Moment seien 33 elektrifizierte Fahrzeuge verfügbar, und acht batterieelektrische sollen in den kommenden eineinhalb Jahren auf den Markt kommen. Einen langfristigen Strategieplan will Stellantis am 1. März vorstellen.
FrankF