Europas größter Autokonzern Volkswagen hat angesichts des mauen Wirtschaftsumfelds seine Verkaufsziele für das Gesamtjahr gestutzt. Bei den Finanzzielen will das Management um Chef Oliver Blume aber keine Abstriche machen, wie der Konzern am Donnerstag mitteilte. Die Wolfsburger haben im zweiten Quartal trotz Gegenwinds von Rohstoffsicherungsgeschäften und Belastungen durch den Russland-Ausstieg die Gewinne im Tagesgeschäft deutlich ausbauen können. Im zweiten Halbjahr müssen die Massenmarken des Konzerns rund um die Kernmarke VW Pkw aber zulegen.
2023 sollen nun zwischen neun Millionen und 9,5 Millionen Fahrzeuge an die Kunden gehen. Die Wolfsburger waren bisher von rund 9,5 Millionen Stück ausgegangen, nach 8,3 Millionen im Vorjahr. Fachleute hatten ohnehin Zweifel, ob VW das Ziel noch schaffen kann. Im ersten Halbjahr hat der Konzern weltweit 4,4 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert, ein Plus von knapp 13 Prozent.
Belebung bei den Bestellungen
Blume versuchte in einer Telefonkonferenz mit Analysten, Sorgen um den Auftragsbestand vor allem in Westeuropa zu zerstreuen. Derzeit liege dieser weiter bei 1,65 Millionen Fahrzeugen, davon mehr als 200.000 Vollelektroautos. Auch wenn wegen gekürzter Förderungen im europäischen Geschäft eine gewisse Abkühlung bei der Elektronachfrage zu verspüren gewesen sei, habe der Konzern seit Mai wieder eine gewisse Belebung bei den Bestellungen erfahren. Insgesamt sieht der Manager den Konzern auf gutem Weg. "Die Absatzzahlen in Nordamerika ziehen an, in China festigen wir unsere Position durch technologische Partnerschaften, und zusätzlich geht der Trend bei unseren vollelektrischen Fahrzeugen in die richtige Richtung."
Beim Jahresumsatz bleibe VW voll auf Kurs, das gesteckte Ziel von zehn bis 15 Prozent Plus und damit 307 Milliarden bis 321 Milliarden Euro zu erreichen, hieß es. Die Prognose für die um Sondereinflüsse bereinigte operative Gewinnmarge bleibt ebenfalls unangetastet bei 7,5 bis 8,5 Prozent, auch weil das Spar- und Ergebnisprogramm bei den Massenmarken im zweiten Halbjahr Wirkung zeigen soll.
Im abgelaufenen zweiten Quartal erzielte VW einen Umsatzanstieg von gut 15 Prozent auf 80,1 Milliarden Euro. Das Ergebnis nach Steuern fiel wegen höherer Steuern um gut drei Prozent auf 3,79 Milliarden Euro.
Das bereinigte operative Ergebnis fiel mit 5,6 Milliarden Euro zwar um fast 19 Prozent höher aus als vor einem Jahr, lag damit aber unter der Durchschnittsschätzung von Experten. Wie im ersten Quartal belastete die Bewertung von Rohstoffsicherungsgeschäften, diesmal fielen dafür 1,2 Milliarden Euro an. Der Ausstieg aus dem Russlandgeschäft kostete noch einmal 0,4 Milliarden Euro, vor allem wegen der Umrechnung von Währungen. VW hat für den Verkauf der russischen Tochtergesellschaften nur einen Verkaufspreis von 125 Millionen Euro erzielt. Der Konzern hatte bereits vor einem Jahr infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine viel auf die russischen Geschäfte abschreiben müssen.
Vor allem die Massenmarken (VW Pkw, Seat, Skoda, VW Nutzfahrzeuge) sowie das Chinageschäft machen den Managern Sorge. Am Vortag verkündete VW den Einstieg beim chinesischen Elektroautobauer Xpeng mit knapp fünf Prozent der Anteile für 700 Millionen US-Dollar (632 Millionen Euro). Mit den Chinesen will VW zwei Elektroauto-Mittelklassemodelle entwickeln, die ab 2026 auf den chinesischen Markt kommen sollen.
In diesem Jahr hat der Konzern vor allem wegen mauer Verkäufe von Elektroautos seine jahrzehntelange Marktführerschaft in China an den Elektroautohersteller BYD abgeben müssen, auch weil die Konkurrenz im weltgrößten Automarkt mit starken Rabatten nachhilft und VW auf diese möglichst verzichten will. Das anteilige operative Ergebnis der chinesischen Joint Ventures fiel im ersten Halbjahr um fast 18 Prozent auf 1,15 Milliarden Euro.
Sparprogramme bei den Volumenmarken
Bei den Massenmarken sollen im zweiten Halbjahr die Sparprogramme greifen. Zwar besserte sich das Bild gegenüber dem schwachen Vorjahreszeitraum im ersten Halbjahr deutlich. Doch die Kernmarke VW Pkw erzielte in den ersten sechs Monaten eine operative Umsatzrendite von lediglich 3,8 Prozent – von 100 Euro Umsatz blieben also im Tagesgeschäft nur rund 3,80 Euro Betriebsgewinn.
VW-Kernmarkenchef Thomas Schäfer hatte bereits ein milliardenschweres Spar- und Ergebnisprogramm angekündigt, dessen Details bis zum Herbst stehen sollen. Unter anderem ist geplant, die Produktion verschiedener Marken in den Werken zusammenzulegen. Zudem soll der Vertrieb bei den Händlern umgebaut werden.