Der Autohandel ist zum einem Großteil noch nicht in der digitalen Vertriebswelt angekommen – und verschenkt damit ein großes Geschäftspotenzial. Das ist das Kernergebnis einer Mystery Shopping-Studie der Com.cultur GmbH im Auftrag der Application Service Development AG (Asdag).
Für die Untersuchung wurden je zehn Autohäuser von unterschiedlichen Automarken aus zehn deutschen Großstädten zufällig ausgewählt und analysiert. Zu den abgefragten Themen zählten die Sichtbarkeit und Präsentation bei Suchmaschinen wie Google, die Verlinkung, der Informationsgehalt sowie die Usability der Händlerwebseiten und zuletzt die Reaktion, die Antwortqualität und das vertriebliche Bemühen bei der Suche und dem Angebot passender Gebrauchtwagen.
Sichtbarkeit lokaler Händler unterdurchschnittlich
Schon bei der Google-Suche mit spezifischen Suchbegriffen wie "Fahrzeugtyp", "Jahreswagen" oder "Gebrauchtwagen" und Stadt zeigte das Ergebnis laut den Studienautoren häufig nur knapp die Hälfte der ortsansässigen Händler auf den ersten beiden Seiten an. "Die Zahlen zeigen, dass der Fokus noch nicht auf der digitalen Präsenz liegt. Marktbegleiter wie Autoscout und Mobile werden zwar als solche wahrgenommen, jedoch nutzen Händler lieber die bekannten Plattformen anstatt sich in den Wettbewerb zu begeben", erklärte Asdag-Projektmanager Timo Reischl.
Mit nur 37 Prozent der Autohäuser auf den ersten beiden Seiten fiel das Resultat der Fahrzeughändler mit dynamischen Suchergebnissen sogar noch geringer aus. Reischl: "Die Aufgabe der Händler liegt darin, ihren Webauftritt dementsprechend zu gestalten. Zielgerichtete Landingpages sucht man jedoch vergeblich, nur die wenigstens Händler verlinken auf eine Auswahlseite, wo eine detaillierte Suche möglich ist."
Moderne Webseiten mit Mängeln
Die Händlerwebseiten waren der Studie zufolge zu etwa 90 Prozent responsiv und in der Regel informativ gestaltet. Zwei Drittel pflegten einen Social Media-Auftritt. Auf den Webauftritten selbst überzeugte die Tester die Suchfunktion, jedoch mangelte es an weiterführenden Möglichkeiten, die die Bedienbarkeit unterstützen. So gab es beispielsweise nur zu 53 Prozent die Möglichkeit personalisierte Merklisten anzulegen.
Weiteres Problem: Dort, wo die Suche bevorzugt als erstes stattfindet, endete auch direkt der Prozess, wenn eine Suchanfrage keine Ergebnisse lieferte. Recherchierte etwa ein Tester nach einer Konfiguration, die so nicht verfügbar war, so ließ sich anhand der Suche keine Anfrage an den Fahrzeughändler stellen. "Manche Händler unterbinden sogar aktiv die digitale Kommunikation und bieten nur den telefonischen Kontakt an", so Reischl. Die Interessenten, die digitale Kommunikationswege bevorzugen, seien so verloren.
Viele E-Mail-Anfragen werden ignoriert
Im Rahmen der Analyse verschickten die Mystery-Shopping-Käufer außerdem 100 Anfragen via E-Mail, darin bekundeten sie auch Interesse an nicht vorrätigen Fahrzeugen. Davon wurden allerdings nur 62 Prozent beantwortet – immerhin recht schnell und freundlich. Und nur knapp die Hälfte der Händler war bemüht, den Testkunden Fahrzeugalternativen aufzuzeigen. In Summe machten die getesteten Autohäuser lediglich 19 tatsächliche Angebote.
"In Autohäusern herrscht oftmals noch immer eine analoge Denkweise vor, obwohl Käufer sich bereits in der digitalen Welt bewegen. Zwar sind die Webauftritte zeitgemäß, doch scheitern sie in ihrer Funktionalität", lautet das Fazit der Marktstudie. Sowohl in ihrer Präsenz bei Google als auch Kommunikationsfähigkeit und Flexibilität gebe es noch starke Defizite. Und weiter: "Es scheint, als existiere der Kunde erst, wenn er körperlich anwesend ist. Eine ganzheitliche Digitalstrategie ist selten vorhanden, Fahrzeughändler beschränken sich in der Regel auf die altbewährten Mechaniken und setzen maximal auf digitale Streufeuer." Um hier im Wettbewerb mit großen Plattformen und aufstrebenden Start-ups bestehen zu können, müsse ein grundsätzliches Umdenken erfolgen. (AH)
Interessenten können die Studie kostenfrei unter http://blog.asdag.com/studie-digitalisierung-im-fahrzeughandel abrufen. Video-Interviews mit Com.cultur-Geschäftsführer Kai Hinke finden sich hier:
Matthias Born
Timo Reischl
KW1904
Kai Hinke