Kundenkontakt: Stationäre Verkaufsstärken leben

Seit Beginn meiner Vertriebslaufbahn in der Automobilbranche höre ich, dass mit Neuwagen kein Geld verdient wird und u. a. die Erträge im Service alles wieder herausreißen müssen. Wir wissen aber spätestens seit den Diskussionen um alternative Antriebe und Elektromobilität und den damit verbundenen Veränderungen im Aftersales, dass diese Quelle langsam aber sicher weniger sprudeln wird. Was aber unternehmen nun die Hersteller und der Markenhandel in dieser angespannten Situation? Anstatt das Neuwagengeschäft endlich wieder für alle Beteiligten rentabel zu machen, werden wackelige Prothesen (u. a. verzwickte Vertriebs- und Bonusprogramme) geschaffen, die den Handel stützen sollen, um so lange zu überleben, bis der Hersteller das digitale Direktgeschäft selbst fest im Griff und die meisten Händler dann auf reine Servicepoints reduziert hat. Der Hersteller schneidet so deutlich besser ab. Die Kosten der Vertriebswege werden nachhaltig reduziert, der Preisvorteil unmittelbar an den Kunden durchgereicht mit der Folge, dass die Rentabilität und Überlebensfähigkeit des Markenhandel einmal mehr minimiert wird. Die Beispiele dieses Treibens kennen wir aus den täglichen Schlagzeilen, wie zuletzt Tesla mit dem angekündigten Verzicht auf den stationären Handel. Oder man denke an die vehementen Aktivitäten der Hersteller zum Thema Direktvertrieb an Endkunden. Jetzt ist jeder einzelne Unternehmer im Automobilhandel gefordert! Nehmen wir das alltägliche Dilemma rund um die Rabattschlacht im Autohaus. Hier verliert der Handel jeden Tag Unsummen an Erträgen - siehe nebenstehende "Milchmädchenrechnung". Unglaublich nachlässig, ja manches Mal sogar sträflich, werden gegenüber dem Kunden Zugeständnisse in Rabattverhandlungen ausgesprochen, die auch nicht das Geringste mit kaufmännischen Grundregeln zu tun haben. Rechnen wir einmal! Ein guter Neuwagenverkäufer verkauft im Jahr sicher mehr als achtzig Einheiten mit einem durchschnittlichen Listenpreis von aktuell in Deutschland knapp über 31.000 Euro. Wenn er im Schnitt nur zwölf Prozent Nachlass gewährt, verantwortet also ein einzelner Verkäufer damit alleine über 300.000 Euro Nachlass p.a.! Was sollte ein cleverer Unternehmer davon in einen Mitarbeiter investieren, der alleine über eine zu leichtfertige Zusage mehrere Hundert, bei einigen Herstellern im Premiumsegment Tausende Euro Ertrag pro Geschäft riskiert? Es beginnt mit einer qualifizierten, zeitgemäßen Aufgaben- und Stellenbeschreibung, orientiert an den massiv veränderten Anforderungen des digitalen Zeitalters. Was sind die tatsächlich "vertrieblichen Aufgaben" eines Verkäufers in der Customer Journey, was "nicht"? Wie werden neue Mitarbeiter im Vertrieb eingeführt und wer macht sie in der Einarbeitungsphase mit der Kultur und den Werten des Unternehmens vertraut? Wie werden neben klassischen Anreizen, wie beispielsweise Einkommen und Hubraum, Vertriebsmitarbeiter tagtäglich zur Höchstleistung motiviert? Reichen zur Erfüllung dieser anspruchsvollen Voraussetzungen p. a. zwei Pflichttage Training beim Hersteller zu Standarderfüllung? Oder reicht ein freundliches Schulterklopfen nach einem gelungenen Abschluss mit dem Gedankengang: "Die verdienen doch eh schon genug!"? Ich meine und bin überzeugt: der stationäre Automobilhandel kann nach wie vor für unsere Kunden sehr attraktiv und für das einzelne Autohaus sehr rentabel bleiben. Wir handeln täglich mit hochemotionalen Produkten und Dienstleistungen, die auf der einen Seite Menschen mit der passenden Mobilität versorgen und auf der anderen Seite auch mal den Besitzer zum Schwärmen verführen. Jeder persönliche Kontakt unmittelbar im Automobilhandel gibt uns die Chance, diese Kunden fest an uns und unser Unternehmen zu binden. Die Mitarbeiter in den Handelsunternehmen sind dazu der alles entscheidende Faktor. Sie entscheiden mit ihrer Freundlichkeit, Kompetenz und Einsatzbereitschaft, ob wir auch im digitalen Zeitalter eine Zukunft im Handelsunternehmen haben oder nicht. Es heißt aus gutem Grunde: zufriedene Kunden feilschen nicht! Schauen wir uns dazu die beiden alles entscheidenden Phasen des Verkaufsgesprächs an: 1. die Begrüßung des Kunden im Autohaus und 2. die Bedarfsanalyse. Wenn diese beiden frühen Phasen nicht maximal kompetent umgesetzt werden, behaupte ich, wird das Geschäft für dieses Autohaus verloren gehen bzw. nur über überzogene Konditionen zu retten sein. 1. Begrüßung Zeigen Sie (neben Sympathie und Freundlichkeit) maximale Professionalität im Erstkontakt. Daran sind aufgeklärte Verbraucher von heute besonders interessiert. Klären Sie noch in der Begrüßungsphase ab, wie viel Zeit der Kunde zur Verfügung hat, und machen Sie dann (darauf abgestimmt) einen Vorschlag für den Ablauf des Verkaufsgesprächs. Beispielsweise in dieser Art: "Was halten Sie davon, dass wir diese Zeit sinnvoll nutzen und uns zuerst mit Ihren persönlichen Wünschen/Bedarfen zum neuen Fahrzeug beschäftigen? Danach würde ich sehr gerne mit Ihnen gemeinsam das Fahrzeug perfekt nach Ihren Vorstellungen konfigurieren. Und im letzten Schritt würde ich dann gerne die kaufmännischen Fragen mit Ihnen klären - sprechen wir über Leasing oder Finanzierung?'' Damit kommen Sie in die "aktive Gesprächsführung" und zeigen von Beginn an Ihre Kompetenz im Verkaufsgespräch! Nebenbei reduzieren Sie die Nachlassgröße, da aktuell über 60 Prozent der Fahrzeuge mit monatlichen Finanzierungs- oder Leasingraten beschafft werden. Darüber lassen sich Konditionen eindeutig vorteilhafter darstellen als in Rabattverhandlungen. 2. Bedarfsanalyse Wir müssen zwingend davon ausgehen, dass der Kunde sein Wunschfahrzeug bereits bis ins Detail kennengelernt hat. Er hat sich im Vorfeld sicher auf diversen Webseiten damit beschäftigt, u. a. Herstellerseite, Neuwagen-Konfigurator, Finanzkalkulator, Neuwagen-Vermittlerportale und auf Webseiten, die ihm das Modell in sämtlichen Details erklärt haben, z. B. Testberichte auf YouTube, und sicher war er auch schon auf Ihrer Händlerseite. Jeder Kauf bezieht sich mehr oder weniger auf die gleichen fünf Grundmotive. Diese sind je nach Kundentyp mehr oder weniger stark ausgeprägt: Sicherheit, Status, Komfort, Innovation und finanzielle Vorteile! Finden Sie nun durch interessiertes Nachfragen heraus, welche/s Motiv/e für den Kunden besonders wichtig ist/sind. Diese Informationen nutzen Sie dann als Basis, um Ihre nächsten Schritte im Verkaufsgespräch (Fahrzeug- und Angebotspräsentation, Preisverhandlungs- und Abschlussphase) perfekt auf diese Motive abgestimmt umzusetzen. Lassen Sie sich als verantwortliche Führungskraft doch einmal von Ihren Mitarbeitern die verschiedenen Stufen eines Verkaufsprozesses mit Ziel, Vorgehen und Wirkung auf den Kunden im Detail erklären. Wenn Sie mit den aufgeführten Inhalten nicht zufrieden sind, warum sollte es dann der Kunde in Ihrem Autohaus sein? Geringer Aufwand, sehr nachhaltige Wirkung Dies ist nur ein Ausschnitt der vielen Möglichkeiten im Vertrieb, wie Sie mit einem vergleichsweise geringen Aufwand sehr nachhaltige Wirkung bei Ihren Kunden im Autohaus erzielen können. Ich bin nach wie vor überzeugt, der stationäre Automobilhandel hat eine Zukunft, vorausgesetzt, wir ergreifen beherzt die Initiative und beginnen damit, unseren Worten konsequente Taten folgen zu lassen! Zukunftsfähigkeit sicherzustellen, ist die Hauptaufgabe der Führungskräfte. Fazit Jedes erfolgreich operierende Unternehmen wird von "Leadern" geführt und nicht von "Managern" beaufsichtigt. Es ist und bleibt bei allen anstehenden Veränderungen die erste Aufgabe einer jeden einzelnen Führungskraft im Handel, sein Unternehmen fit zu machen für die Zukunft! Und solange der eigene Name auf dem Geschäftspapier steht, kommt niemand aus dieser Verantwortung heraus. "Milchmädchenrechnung" Zugelassene Neuwagen in 2018: 3.435.778 Einheiten Durchschnittlicher Listenpreis Neuwagen (alle Marken) in2018: ca. 31.000 Euro Ein Prozent Nachlassreduzierung erzeugt für den deutschen Automobilhandel: Über eine Milliarde mehr Ertrag! Kurzfassung Jeder persönliche Kontakt unmittelbar im Automobilhandel eröffnet die Chance, Kunden fest an das Unternehmen zu binden. Die Mitarbeiter in den Betrieben sind dazu der alles entscheidende Faktor.

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