Online- und Präsenzhandel: Keine Geheimnistuerei

Jeder hat sich schon einmal darüber geärgert. Man sucht ein Produkt im Internet und geht auf eine Suchmaschine. Dann klickt man auf das billigste Angebot. Zunächst angelockt durch beispielsweise 40 Prozent Rabatt, stellt sich bei genauerem Hinschauen heraus, dass für das bestimmte Produkt, das man kaufen wollte, doch nicht so viel Rabatt gegeben wird. Und wenn man die Nebenkosten hinzuzählt, sogar ein ganz anderer Preis herauskommt. Kein Markenartikelanbieter kann sich das für seine Produkte wünschen: Auf der einen Seite wird der Anschein erweckt, dass die Produkte der eigenen Marke billig zu haben sind, also sozusagen verramscht werden. Auf der anderen Seite wendet sich der Kunde, der gezielt nach dem günstigsten Preis gesucht hat, enttäuscht von dem Produkt ab, weil er sich, gelinde gesagt, von solchen Angeboten verschaukelt fühlt. Volkswagen: Stammkundenbonus Im Autohandel gibt es sogar eine besonders perfide Variante dieses Vorgehens. Manche Internetseiten versprechen hohe Rabatte für Neufahrzeuge fast aller Marken. Die Händler reiben sich die Augen, weil die dort beworbenen Nachlässe aus der üblichen Händlermarge meist nicht darstellbar sind. Für viele Händler ist diese Praxis zudem sehr ärgerlich, denn die Kunden sehen diese anonymen Angebote und kommen mit entsprechenden Ausdrucken in die Autohäuser, wo sich die Verkäufer schwer tun, dagegen zu argumentieren. Sie fühlen sich unter Druck, ähnliche Nachlässe zu geben. Das bringt die Betriebe in große Schwierigkeiten, denn wie sollen sie mit solchen Rabatten die von ihnen geforderten Standards erfüllen? ZDK-Vizepräsident Ulrich Fromme hat das als einer der Ersten bereits 2012 öffentlich angeprangert. Bisher war nicht ersichtlich, welche Händler hinter diesen Angeboten stehen. Denn es können nur Händler sein, schließlich haben wir hierzulande nur selektive Vertriebssysteme. Der Unmut war groß. Es wurde lange darüber nachgedacht, wie man damit umgehen könnte. Schließlich ist allgemein bekannt, dass Hersteller die Preisgestaltung ihrer Händler weder mittelbar noch unmittelbar beschränken dürfen. Darauf achtet das Kartellamt. Volkswagen ging das Problem an, indem die Marke einen so genannten "Stammkundenbonus" bezahlt, wenn ein Händler ein Fahrzeug an einen Kunden verkauft, der schon länger zu ihm zum Service kommt. Dieser "Stammkundenbonus" liegt nach unseren Informationen bei knapp unter zwei Prozent. Nach Ansicht von ZDK-Vorstandsmitglied Ernst-Robert Nouvertné zu wenig: "Das müssten mindestens fünf Prozent sein, damit es sich lohnt." Der Solinger Volkswagen- und Audi-Partner fordert immer wieder Kostenersatz für die Aufgaben - Beratung, Probefahrt usw. - des stationären Handels. Ford: Präsenzhandelsbonus Eine andere Lösung präsentierte Ford: Seit dem 1. Oktober 2014 zahlt der Kölner Hersteller allen Händlern, die eine entsprechende Verpflichtung unterzeichnet haben, den so genannten "Internet-Präsenzhandelsbonus". Damit setzte Ford in der Branche viel beachtet als erste Marke Internet-Standards und belohnt Händler, die sich bei Angeboten im Internet wie im Offline-Vertrieb verhalten, nämlich ihren Namen preisgeben. "Ziel des Internet-Präsenzhandelsbonus (IPB) ist es, den Handel und die Marke zu stärken, den Internet-Auftritt des Händlers zu fördern und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen", erläutert Ford Verkaufsdirektor Raymond Damerow. Über die Höhe des Bonus wollte er keine Angaben machen. Nach Informationen von AUTOHAUS sind es drei Prozent, die entfallen, wenn die vorgegebenen Kriterien nicht erfüllt werden. Branchenanwalt Uwe Brossette hält dies für einen legitimen Weg, den Online-Vertrieb mit dem stationären Handel zu versöhnen: "Die Händler sind bei ihrer Preisgestaltung völlig frei. Sie verhalten sich im Internet nur so, wie sie es auch in ihren Betrieben tun, nämlich für den Kunden als Ford-Händler identifizierbar zu sein." Peugeot: "E-Commerce-Kodex" Auch Peugeot hat mittlerweile nachgezogen. Seit Anfang 2015 wird bei der Löwenmarke der auf den Ausstellungsraum bezogene Teil der variablen Marge mit der Einhaltung eines "E-Commerce-Kodex" verbunden. Wie bei Ford sieht der "E-Commerce-Kodex" bei Peugeot unter anderem vor, dass Vertragspartner ihre von der Marke bezogenen Neuwagen bei der Internetvermarktung stets eindeutig mit ihren Kontaktdaten kennzeichnen. Zugleich sind Vertragspartner gehalten, Neuwagenangebote, die sie auf externen Internetseiten platzieren, auch auf den Angebotsseiten ihrer eigenen Internetpräsenz gut sichtbar einzustellen. Diese Regelungen gelten für alle Standorte sowie die angeschlossenen Vermittler von Neuwagen-Vertragspartnern. Die Höhe der auf den Ausstellungsraum bezogenen variablen Marge beziehe sich dabei unverändert auf die Größe der Ausstellungsfläche, hieß es aus Köln. Werde der "E-Commerce-Kodex" nachweislich nicht eingehalten, habe dies für einen befristeten Zeitraum margenrelevante Auswirkungen. Wie lange dies gelte und wie hoch der Margenbestandteil ist, wollte Peugeot Deutschland nicht mitteilen. Nach Informationen von AUTOHAUS geht es um 2,6 Prozent Marge. Gunnar Gräwe, Direktor Qualität und Netzentwicklung von Peugeot in Deutschland, sieht den neuen "E-Commerce-Kodex" als Schritt zur kundenorientierten Harmonisierung der beiden Absatzkanäle E-Commerce und stationärer Handel: "Wir unterstützen den Handel konsequent bei der Professionalisierung des Internethandels und setzen dabei auf Transparenz für alle Beteiligten. Mit dem E-Commerce-Kodex gewährleisten wir, dass Vertragspartner extern platzierte Internetangebote zu Neuwagen der Marke als eigene Angebote zu erkennen geben und zugleich bei sich präsentieren." Einzelangebote, wie sie zum Beispiel über mobile.de abgegeben werden können, sind von den Regelungen nicht umfasst. Geschäftsführer Alexander Bugge reklamiert dies auch für das Neuwagenportal MeinAuto.de: "Händler bieten bei MeinAuto.de weder mittel- noch unmittelbar ein Fahrzeug im Internet an. Interessiert sich ein Kunde für einen Neuwagen, beauftragt er MeinAuto.de mit der Einholung von Angeboten bei Händlern. Darauf suchen die Mitarbeiter von Mein-Auto.de Händler mit passenden Offerten. Interessierte Händler können dann in diesem Prozess uns gegenüber ihr Angebot für unseren Interessenten abgeben", so der Anbieter. Brossette sieht das anders: "Insbesondere bei den sofort verfügbaren Fahrzeugen, die zur Zeit auf MeinAuto.de angeboten werden, handelt es sich um anonyme Händlerangebote, die mit den Internet-Standards kollidieren." Zudem warnt der GVO-Experte vor einer Vertragsfalle: "Die Neuwagenportale unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt von anderen Preissuchmaschinen. Sie suchen nicht lediglich nach bereits bestehenden Online-Angeboten von Händlern. Vielmehr verständigen sie sich im Vorfeld mit Händlern auf Maximalrabatte, die sodann auf den Portalseiten beworben werden. Im Falle einer erfolgreichen Vermittlung sind die Portal-Partnerhändler an die vereinbarten Rabatte gebunden. Aufgrund dieser Vereinbarungen sind die Portale aber rechtlich nichts anderes als nichtautorisierte ständige Vermittler der Händler. Der Einsatz solcher Vermittler ist durchweg händlervertraglich untersagt und daher abmahnfähig." Kurzfassung Lesen Sie hier, mit welchen Instrumenten Volkswagen, Ford und Peugeot versuchen, im Neuwagenhandel im Internet neue Standards zu setzen.

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