Workshop: Gespräch vs. Plauderei

Auf der Suche nach mehr Performance im Autohandel haben sich vergangenen September Größen der Branche auf der Insel Sylt eingefunden - zur "25. AUTOHAUS Sommerakademie" von Herausgeber Prof. Hannes Brachat. Als Führungsexperten hatte er uns von der Dr. Thorsten Bosch AG geladen, um die Verantwortung für Workshops zu übernehmen. Dort ging es auch um den Kernprozess der Führungskraft und das Führungsgespräch. Wie viele Mitarbeitergespräche? Beginnen wir das Ganze mit einem Selbsttest. Jeder von uns frage sich selbst ehrlich: 1. "Wie viele Gespräche habe ich mit meinen Mitarbeitern im letzten Monat geführt?" 2. "Wie viele strukturierte Gespräche habe ich im letzten Monat geführt?" 3. "Was waren die Gesprächsanlässe? Mache ich mir über Anlässe Gedanken oder passiert das eher situativ?" 4. "Habe ich mich auf die Mitarbeitergespräche vorbereitet? Habe ich einen 'Plan' für das Gespräch gehabt?" (Gemeint sind hierbei explizit nicht die sogenannten Jahresgespräche). 5. "Haben die Gespräche ein Ziel verfolgt? Habe ich die Ziele erreicht - auch langfristig? Habe ich das geprüft?" Bei der ersten Frage werden noch viele von sich sagen: "Och, ich rede schon mit meinen Leuten ..." Schon bei der zweiten Frage dürfte sich das Feld deutlich dezimiert haben. Ohne Struktur heißt das Fazit dann wie so oft: Die Führungskräfte bilden sich zwar ein, dass sie mit ihren Leuten sprechen - in Wirklichkeit aber plaudern sie bloß. Der Workshop lieferte auch prompt Indizien dafür - denn die Frage, wie anspruchsvoll sie Führungsgespräche empfänden, ergab einen recht niedrigen Wert - im Sinne von einfach. Schon unsere Intuition verrät uns, dass es mit Inhalt und Botschaft nicht weit her sein kann, wenn das alles gar so einfach sein soll. Stichwort Inhalt An dieser Stelle hat uns die Bestandsaufnahme im Workshop ehrlich gesagt erschreckt. Denn auf die Frage, welche Gespräche mit einem (neuen) Mitarbeiter nach und nach geführt werden sollten, kamen vielfältige Antworten - beispielsweise auffällig viele Feedbackgespräche. Was fast völlig fehlte: Coachings, also Gespräche mit entwickelndem Charakter, in denen tatsächlich konkrete Inhalte (Wissen, Können, Fähigkeiten) vermittelt werden sollen. Auf dieses Ergebnis hin muss schon die Frage erlaubt sein, wie eine Führungskraft ihre Mitarbeiter mitnehmen, entwickeln oder ihnen neue Vorgehensweisen zügig an die Hand geben will? Aber fragen wir Sie: Wie machen Sie das ganz konkret? Wie formen denn Ihre Führungskräfte nun aus einem neuen Mitarbeiter einen - sagen wir - guten Verkäufer? Letztendlich geht es - wie bei Verkaufsgesprächen - auch in den Führungsgesprächen um Effizienz. Die Effizienz des Verkäufers drückt sich beispielsweise als Abschlussquote oder in verkauften Zusatzleistungen aus. Die Effizienz der Führungskraft zeigt sich daran, wie schnell und in welcher Qualität die Führungskraft es versteht, ihre Mitarbeiter weiterzuentwickeln. Dazu gehört im weiteren Sinne auch, Strategien und Informationen (top-down) zu kommunizieren, Aufgaben zu delegieren etc. Wir sprechen in diesem Zusammenhang vom Wirkungsgrad der Führung. Für den Verkäufer verhält es sich dabei wie für die Führungskraft: So wie die Verkaufsgespräche sind auch Führungsgespräche erlernbar! Ein Phasenmodell, das sich gar nicht so sehr von dem des Verkäufers unterscheidet, hilft dabei. "Der Anlasser" Die Phasen bleiben die gleichen ( siehe AH 05/17) und dennoch existiert auch ein elementarer Unterschied - und der betrifft die Zielsetzung. Im Verkaufsgespräch geht es - naheliegend - darum, die jeweils optimale Lösung für den Kunden zu finden. Bei den Führungsgesprächen hingegen lassen sich acht Typen unterscheiden, die nach Situation und Zeitpunkt richtig eingesetzt sein wollen. Dazu ein kleines Beispiel: Stellen Sie sich vor, einer Ihrer Verkäufer macht im Umgang mit Kunden gravierende Fehler bei der Bedarfsanalyse. Logisch, sagen Sie, hier ist ein Coaching-Gespräch angebracht mit dem Ziel: "So kannst Du es besser machen ...". Die Realität ist: Die meisten Verkäufer werden von ihren Führungskräften gar nicht ausreichend "dicht" begleitet, um solche Mängel feststellen zu können. Sei es, weil - wirklich oder vermeintlich - die Zeit fehlt, oder aus Unlust. Als Mangel werden nur die Abschlusszahlen begriffen. Woraufhin dann des Öfteren Kritikgespräche geführt werden. Diese Gesprächsart gibt es zwar auch, sie hat allerdings einen ganz anderen Tenor. Der lautet: "Du willst nicht! Du hast eine falsche Einstellung. Und handelst wider besseren Wissens." Was es beim Mitarbeiter hervorruft, der ein Kritikgespräch "verpasst bekommt", wo ein Coaching angebracht wäre, können wir Ihnen sagen: eine Lernstörung. Langfristig Abstumpfung. Die Moral des kurzen Beispiels ist: Führungsgespräch ist nicht gleich Führungsgespräch. Sie müssen erst mal bestimmen, welches das passende für die konkrete Situation ist. Wichtige Gesprächsformen (neben den erwähnten Coaching und Kritikgespräch) sind unter anderem der Vertrauensaufbau, das Lob oder auch das Update. Ach ja, nur am Rande erwähnt: Lernstörungen verursacht auch, wer Gesprächsarten/-ziele vermischt. Das berühmte Kritik-Sandwich ist ein Klassiker in dieser Hinsicht - und ein echter Fluch! Das ist, als wenn Sie beim Autofahren auf Gas und Bremse gleichzeitig stehen. Die Energiebilanz Lassen Sie uns noch mal zum Workshop zurückkehren. Eine weitere, sehr interessante Bestandsaufnahme lieferten die anwesenden Unternehmer auf die Frage, wie viel Prozent der Zeit und Energie ihre Führungskräfte auf die nachfolgenden drei Mitarbeiter-Kategorien verwenden: - Schwierige Mitarbeiter - Normalos - Stars bzw. High-Performer Das Ergebnis ist höchst erstaunlich. Zum einen in Bezug auf die Spannbreiten, denn es fällt wirklich schwer, sich ein Geschäft vorzustellen, in dem etwa nur zehn Prozent normal sind ... Lassen Sie uns der Einfachheit halber unterstellen, dass die Fähigkeiten wie im Grunde überall der Normalverteilung folgen - mit anderen Worten: schwierige Mitarbeiter und Stars machen jeweils 20 Prozent aus, 60 Prozent des Personals zählen in die Gruppe der Normalos. Das heißt dann: Die Stars - jene, die es ohnehin "schon drauf haben" - bekommen ( siehe rechte Grafik) circa doppelt so viel Aufmerksamkeit, als ihnen nach dem Auftreten zustünde. Warum? Die Schwierigen - jene, die wenig Potenzial haben und eher quertreiben - bekommen ebenfalls fast doppelt so viel Aufmerksamkeit. Wozu? Die Normalos hingegen bekommen nur 40 Prozent der Energie in Relation zu deren Auftreten - das ist wohlgemerkt jene Gruppe, bei der am meisten Potenzial vorhanden ist, wo sich für das Unternehmen durch Entwicklung der Mitarbeiter am meisten Effizienz gewinnen ließe. Die Frage nach dem "Warum?" dürfte beinahe eine rhetorische sein. Dr. Thorsten Bosch ist auf das Thema Führung spezialisierter Unternehmensberater, Buchautor ("Führung made in Germany"), Dozent (Hochschule Fresenius) und Inhaber der Dr. Thorsten Bosch AG in Schondorf am Ammersee. Serie: Zeit für Führung Die Teile 1 bis 3 unserer Führungs-Serie finden Interessenten in den Ausgaben 03/17, 04/17 und 05/17 - oder im ePaper unter next.autohaus.de !

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