Workshop, Teil 2: Alle machen es richtig?

Auf der Suche nach mehr Performance im Autohandel haben sich vergangenen September Größen der Branche auf der Insel Sylt eingefunden - zur "25. AUTOHAUS Sommerakademie" von AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat. Als Führungsexperten hatte er uns von der Dr. Thorsten Bosch AG geladen, um die Verantwortung für Workshops zu übernehmen. Die Leitfrage lautete also: Gibt es die ideale Führungskraft (FK) für ein Autohaus? Ich nehme die generelle Antwort vorweg: ein entschiedenes Jein! Das kommt nun davon, wenn man geschlossene Fragen stellt. Aber Spaß beiseite, wir wollen natürlich erklären, wie wir zum Jein kommen. Selbstredend ist das Jein nicht tatsächliches Ergebnis des Workshops gewesen, es ist eher eine Feststellung. Wir könnten versuchen, es uns einfach zu machen, und die Frage nach der idealen FK anhand einer Definition von Führung festmachen. Aber: Es gibt tausende Definitionen von Führung. Jeder, der in dem Thema etwas auf sich hält, hat schon eine eigene Definition entworfen. Vermutlich ist keine völlig verkehrt. Aber welche gilt dann für ein Autohaus? Von daher ergibt es auch wenig Sinn, Ihnen nun die 1.001ste Definition anzupreisen. Der Soll-Zustand Fakt ist aber auch, dass ohne eine Vorstellung davon, was Führung tatsächlich bedeutet, jede FK nach ihren eigenen Maßstäben führt ( siehe AUTOHAUS 03/2017, Teil 1) oder wie es ihr spontan richtig erscheint. So gesehen machen es alle FK richtig - oder zumindest nicht falsch. Aber das ist natürlich eine völlig unbefriedigende Perspektive, denn ohne Maßstab agiert jede FK anders. Ohne Maßstab keine einheitliche Orientierung. Ohne diese kein einheitliches Handeln. Und uneinheitliches Handeln begünstigt nicht gerade wirtschaftlichen Erfolg. Aus diesem Gedanken heraus haben wir die anwesenden Unternehmer im Workshop gebeten, einen solchen Maßstab, quasi einen Soll-Zustand für eine FK im Autohaus, zu entwickeln. Konkretes Ziel der Aufgabe: jene Persönlichkeitsmerkmale bestimmen, die Voraussetzung sind, um die Aufgaben in der Führungsposition erfüllen zu können. Individuelle Anforderungen Diese Aufgabe wurde in zwei Teilgruppen bearbeitet, deren Ergebnisse wir anschließend übereinandergelegt haben. Damit die Aufgabe in der Zeit leistbar ist, haben wir den Teilnehmern eine Auswahl von circa 60 definierten Merkmalen gegeben, die typisch für FK im Retail stehen. Verbunden damit war die Bitte, in der Gruppe die 20 bis 30 Merkmale auszuwählen, die sie als notwendige/ wichtige Merkmale einer FK erachten, sowie diese Merkmale nach ihrer Bedeutung zu klassifizieren: von unverzichtbaren Muss-Merkmalen bis hin zu den Kür-Merkmalen. Daraus ging die dargestellte Anforderungspyramide ( siehe Grafik 1) hervor. Sie erkennen, dass sich die Vorstellungen der beiden Gruppen stark unterscheiden. Das ist auch grundsätzlich gut so. Schließlich sind die Rahmenbedingungen überall anders: andere Kunden, Mitarbeiter, Strategien, Prozesse, ein anderes Umfeld, etc. Genauso können Sie, jeder für sich, andere Ansprüche an die Führungskräfte ableiten. Sie können nicht nur, Sie sollten es auch. Auch für das Recruiting ist das eine enorme Hilfe. So individuell wie die Anforderungen der Unternehmen an die FK sind, heißt das ergo: Die universelle FK schlechthin kann es nicht geben - wohl aber einzelne FK, die sehr gut zu einem bestimmten Unternehmen passen. Harter Kern an Merkmalen Aller Individualität zum Trotz lassen sich auch ein paar Kernmerkmale ausmachen, die sich für Autohaus-FK als quasi universell gültig bezeichnen lassen. Für die Gruppen waren das Punkte wie Kundenorientierung, betriebswirtliches Verständnis oder die Vorbildrolle. Aus unserer langjährigen Erfahrung in Retail und Service heraus lassen sich weitere übergreifend gültige Merkmale nennen. Dazu zählen etwa Führungswille, die Bereitschaft, sich gegebenenfalls im Sinne der Sache unbeliebt zu machen, Affinität zum Coaching oder ein strategisch-analytisches Verständnis. Wohlgemerkt, das sind Erfahrungen jahrzehntelanger Arbeit im Metier. Analog sollte Ihnen bewusst sein, dass eine belastbare Pyramide nicht in einer einstündigen Sitzung entsteht, sondern Produkt harter, kontinuierlicher Arbeit ist. Es gibt eine Methode Die Herangehensweise, die die Gruppen im Workshop genutzt haben, können Sie auch verwenden! Die Methode bringt Sie zumindest in Bezug auf Person und Persönlichkeit viel, viel näher an die Soll-Vorstellung einer idealen FK. Um sich Ihre individuelle Anforderungspyramide zu entwickeln, ist uns wichtig zu verdeutlichen: - Die Anforderungsmerkmale sind wie gesagt (notwendige) Voraussetzungen dafür, dass die Aufgaben in der entsprechenden Führungsposition erfüllt werden können. Daher sollten diese klar und ausführlich formuliert sein. - Sie sind daher nicht zu verwechseln mit der Job Description. Denn diese beschreibt ja nur die Aufgabe. - Die Anforderungen an die Person und Persönlichkeit der FK sind die Voraussetzung, dass einerseits passende Mitarbeiter ausgewählt werden und diese dann entsprechend den Anforderungen kontinuierlich weiterentwickelt werden können. - Ganz explizit: Die Pyramide ist primär ein Entwicklungsinstrument. Ziel ist, die FK daran angelehnt zu entwickeln - nur in Ausnahmefällen wird sie diese gleich zu Beginn komplett erfüllen. - Sie verschafft Ihnen Klarheit, inwieweit die FK zu Ihrem Unternehmen passt bzw. an welcher Stelle Sie sie entwickeln müssen. Und umgekehrt dient sie den FK als eindeutige Orientierungshilfe. Aktuelle Abweichungen sind hoch Mit den Anforderungen an eine FK, wie sie die vorige Aufgabe hervorgebracht hatte, haben wir die Inhaber/Geschäftsführer nun einzeln gebeten, ihre Führungskräfte daran zu messen und zu kategorisieren. Die Kategorien waren: - Top - Entwickelbar - Flop Anschließend wurden die Einzelergebnisse übereinandergelegt. Das Ergebnis verblüfft zunächst vor allem wegen den Spannbreiten. So gab es Unternehmer, die keinen einzigen Top-Mann für sich reklamierten, als auch solche, bei denen es 70 Prozent waren. Und auch auf der anderen Seite der Skala ein ähnliches Bild ( siehe Grafik 2). Außerdem fiel die Verteilung im Gesamtergebnis überdurchschnittlich positiv aus. Eine konventionelle Verteilung in Retail und Service enthält je circa 20 Prozent Top und Flop sowie 60 Prozent Entwickelbare. Was sagt uns das? Auch wenn aufgrund der knappen Zeit sicherlich oft aus dem Bauch heraus entschieden wurde, muss jede FK erstens individuell auf ihre Merkmale hin überprüft werden. Zweitens müssen die zugrunde gelegten Maßstäbe klar definiert sein. Wir hüten uns vor Unterstellungen, aber 41 Prozent der FK anhand der eben erarbeiteten Merkmale als top zu bezeichnen erscheint uns überzogen und ist ein Stück weit sicherlich der Workshop-Situation geschuldet. Realistischer ist vielmehr, dass sich die Top-FK bei maximal 20 Prozent bewegen. 20 Prozent sind in einer ersten Einschätzung auch überhaupt nicht negativ. Es zeigt vielmehr die versteckten Potenziale, die in den Unternehmen noch schlummern. Insofern können wir Ihnen bei der Umsetzung und Anwendung einer Anforderungspyramide nur den Rat geben: Bewerten Sie Ihre FK nicht zu gut, sondern eher ehrlich-kritisch. Ansonsten berauben Sie sie unnötig offener Entwicklungspotenziale. Welche Entwicklungsanstöße es zu geben gilt, wenn es dann um den Verkauf als solchen geht und was die Rolle der Führungskräfte dabei ist, das erfahren Sie in Teil 3. Dr. Thorsten Bosch ist auf das Thema Führung spezialisierter Unternehmensberater, Buchautor ("Führung made in Germany"), Dozent (Hochschule Fresenius) und Inhaber der Dr. Thorsten Bosch AG in Schondorf am Ammersee. Kurzfassung Wofür setzen Führungskräfte im Autohaus ihre Zeit ein? Darum drehte es sich in Teil 1 unserer Workshop-Serie in AUTOHAUS 03/2017. Diesmal thematisiert Dr. Thorsten Bosch die ideale Führungskraft.

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