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BGH-Urteil: Werkstatt muss umfänglich informieren

16.11.2017 15:01 Uhr
BGH-Urteil: Werkstatt muss umfänglich informieren
Eine Werkstatt muss im Rahmen der Reparatur den Kunden über weitere mögliche Schäden und Schadenursachen informieren.
© Foto: Stahlgruber

Informiert eine Kfz-Betrieb im Rahmen einer Reparatur nicht über weitere bestehende Schäden am Fahrzeug, so begründet dies eine Schadensersatzpflicht für die durchgeführte Reparatur des beauftragten Mangels.

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Von Gregor Kerschbaumer

Informiert eine Kfz-Werkstatt einen Kunden neben dem eigentlichen Reparaturauftrag nicht über weitere bestehende Schäden am Fahrzeug, so begründet dies eine Schadensersatzpflicht für die durchgeführte Reparatur des beauftragten Mangels. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 14. September 2017 entschieden (Az.: BGH VII 307/16).

Der Kläger ist Eigentümer eines im Jahr 2007 erstzugelassenen Pkw mit einer Laufleistung von über 212.000 Kilometern. Als er im März 2014 plötzlich atypische Motorgeräusche feststellte, wandte er sich an die Kfz-Werkstatt des Beklagten. Gegenüber der Werkstatt bekundete er, nur noch an einer wirtschaftlich sinnvollen Reparatur interessiert zu sein. Die Werkstatt stellte einen Defekt an den Einspritzdüsen fest.

Nicht überprüft wurde, ob etwa ein Defekt der Pleuellager bestand. Ein solches Problem wäre nur durch den zeit- und kostenintensiven Ausbau der Ölwanne und der Demontage der Pleuelhalblager zu erkennen gewesen. Da die Werkstatt weitere Schadensursachen, deren Beseitigung über den Wiederbeschaffungskosten gelegen wären, nicht suchte, konnte sie hierüber ihren Kunden nicht informieren. Der Kunde beauftragte die Werkstatt mit dem Austausch der Einspritzdüsen. Schon unmittelbar nach der Reparatur zeigte sich, dass die atypischen Motorgeräusche weiter bestanden. Hierauf forderte der Kunde die Reparaturkosten von der Werkstatt als Schadenersatz.

Kunde hätte anders entschieden

Die Urteile der Vorinstanzen wurden nun vom BGH bestätigt. Ein Sachverständigengutachten zeigte, dass der Defekt am Pleuellager bereits bestand, bevor die Einspritzdüsen ausgetauscht wurden. Die beklagte Werkstatt hätte ihren Kunden darauf hinweisen müssen, dass für die untypischen Motorgeräusche auch andere Ursachen in Betracht kommen können, deren Beseitigung unwirtschaftlich gewesen wären. Dann wäre es womöglich auch hinsichtlich der beauftragten Reparatur zu einer anderen Entscheidung des Kunden gekommen.

Eine Informationspflicht der Werkstatt bestehe schon allein deswegen, weil der Kunde eine solche Mitteilung bei Vertragsverhandlungen redlicherweise erwarten dürfe, so das BGH. Sie bestehe aber erst recht dann, wenn der Kunde dies vor der Auftragsvergabe sogar explizit erwähne. Der Senat führte in seiner Begründung weiter aus, dass auch über weniger wahrscheinliche Ursachen aufgeklärt werden müsse, lediglich für völlig unwahrscheinliche Ursachen gelte anderes. Bei einem Fahrzeug mit einer Laufleistung wie im zugrunde liegenden Fall jedoch sei es nicht ausgeschlossen, dass ein Defekt am Pleuellager vorliege, auch wenn dieser Fehler selten vorkomme. Dies begründe einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe der Reparaturkosten aufgrund der Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten.

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KOMMENTARE


RW

16.11.2017 - 17:06 Uhr

Als Werkstattinhaber kann man nur den Kopf schütteln, wie weit die Justiz an der Realität vorbei entscheidet. Wie soll dieses Urteil im Alltag eines Betriebes umgesetzt werden ? Wieviele Zusatzformulare zum Auftrag soll der Kunde ausfüllen müssen, damit auch der Nachweis über eine gesetzeskonforme Information des Kunden erbracht werden kann. Die größte Schwierigkeit wird aber wohl die Aufzählung aller möglich denkbaren Schadenursachen bereiten, die ein Motorgeräusch haben kann. Und zu guter Letzt... Zitat: "Der Senat führte in seiner Begründung weiter aus, dass auch über weniger wahrscheinliche Ursachen aufgeklärt werden müsse, lediglich für völlig unwahrscheinliche Ursachen gelte anderes." Wer hat denn eine Statistik oder einen Ursachenkatalog, welcher Schaden "weniger wahrscheinlich" ist und welcher "völlig unwahrscheinlich"..???Alles sehr lebensfremd und untauglich für die Praxis...


Waldemar

16.11.2017 - 18:28 Uhr

Unglaublich... Die Justiz fordert nun also "hellseherische Fähigkeiten" von den Mitarbeitern der Werkstätten, hinsichtlich der Beurteilung von möglichen Folgeschäden, wo doch die Kosten für die Schadenfeststellung von vornherein nicht vom Auftraggeber übernommen werden, und erdreistet sich dann noch die Ursachen in Cluster von "wahrscheinlich" bis völlig unwahrscheinlich" zu unterteilen ohne von der komplexen Technik moderner Fahrzeuge Kenntnis zu haben. Mit solchen Urteilen werden den Abzockern für die Werkstätten Tür und Tor geöffnet . Super Leistung !


Flock

16.11.2017 - 18:28 Uhr

Wir kommen der hier geforderten Information durchaus nach. Die häufige Kundenreaktion ist, wir seien - da wir keine einfache Erklärung mit nur einer Ursache liefern - offenbar nicht kompetent. Der Auftrag landet dann bei einer anderen Werkstatt. Und auch wenn unsere Bedenken begründet waren und sich - wie bei dem im Artikel beschriebenen Sachverhalt - weitere Aufwendungen als notwendig herausstellen, sehen wir den Kunden nicht wieder.


Insider

16.11.2017 - 18:59 Uhr

Fern ab jeder Realität.In Deutschland Unternehmer im Mittelstand zu sein ist fast Irrsinn.Jeden Tag steht man als Inhaber einer Werkstatt mit einem Bein im Knast und wird mit immer neuen unsinnigen Richtlinien und solchen weltfremden Urteilen überschüttet.Ich freue mich mittlerweile mehr auf den Ruhestand, als auf die Arbeit.An dem Tag, wo ich diesen alltäglichen Schwachsinn nur noch lesen, aber nicht mehr berücksichtigen muss, mache ich ein Fass auf.


Mario Stehbeck

16.11.2017 - 19:04 Uhr

Das heißt für mich auf gut Deutsch, Kommt zu mir in die Werkstatt will nur einen Ölwechsel - ich sage jetzt mal ein alter Golf 12 Jahre Alt 200.000km und es muß ja billig sein - er will ja nur einen ÖlwechselDann sollen wir den Golf erst mal aufheben und komplett durchschauen ob noch andere Mängel vorhanden sind, Bremsen / Rost / Stoßdämpfer etc. weil es könnte ja unwirtschaftlich sein noch einen Ölwechsel zu machen.Durchsicht 5 AW am besten noch Fehlercode auslesenDa kann ich nur den Kopf schütteln, dann sollten sich die Kunden darauf einstellen bei jeder in Auftrag gegebenen Reparatur schon mal 100,-- bis 200,-- Euro bereit zu stellen (je nach Werkstatt und Marke) bevor der eigentliche Auftrag durchgeführt wird, müssen wir ja erst das Fahrzeug auf Herz und Nieren prüfenBeste Grüße aus MünchenArmes DeutschlandMario Stehbeck


egonsamu

17.11.2017 - 10:41 Uhr

Ein Schaden an den Pleuellagern macht sich durch starkes, helles, metallisches Klopfen bemerkbar. Ein Fachmann muß es erkennen. Ein Fachmann...


RW

20.11.2017 - 16:26 Uhr

@egonsamu: Bevor wir uns jetzt streiten, wer hier Fachmann ist und wer nicht, kann ich Ihnen nach über 25 Jahren im Motorenbau viele Motoren präsentieren, die sich genau wie ein Pleuellagerschaden anhörten, aber dann doch keiner waren...Sagen wir es mal anders: ein Kunde kommt mit Zündaussetzern zu Ihnen (Benziner). In der Regel beginnt die Prognose und folgende Diagnose, wenn man hier nach der Skalierung vorgeht: "wahrscheinlich, weniger wahrscheinlich, völlig unwahrscheinlich..." mit Zündkerzen, dann Zünkkabel, evtl. auch noch Zündspule(n) bis.. ja bis hin zum Steuergerät für 2000,- Euro.... Sagen Sie dem Kunden dann, dass es auch 2000,- Euro kosten kann, wenn er Pech hat? Denken Sie, er erteilt Ihnen dann den Auftrag zum Wechsel der Zündkerzen ? Darf man also ab sofort keine "einfachen" Aufträge mehr annehmen, weil es ja schließlich fast immer auch noch "weniger wahrscheinliche" Ausmaße annehmen kann? Und nun transferieren wir das Ganz auch noch in die Medizin.. wenn Sie zu Ihrem Hausarzt gehen.... Fantasie lässt grüßen....


JE

21.11.2017 - 08:00 Uhr

Ich frage mich eher, warum eigentlich keiner mehr liest. Sondern sich nur aufregt. Im Text steht eindeutig, das über mögliche, in Worten "mögliche" Ursachen informiert werden muß. Das ist mehr als legitim, wenn es sich um einen potentiellen Schaden handelt. Alles was hier diskutiert wird, insbesondere der Ölwechsel, hat mit dem Urteil nichts zu tun.Wie verhalten Sie sich, wenn ihre Heizung kaputt ist und der Monteur wechselt einfach irgendwas. Danach ist es nicht besser. Hätte der Monteur dann auch nicht über mögliche Ursachen und deren Kostenabschätzung mit den hier kommentierenden sprechen müssen? Es würde jedem gut tun, sich nicht sofort und automatisch als Oper zu sehen.


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