Von Autoflotte-Redakteur Rocco Swantusch
Mit Prognosen tut sich jeder momentan schwer. Denn auf eine vollkommen neue Situation kann man sich nur schrittweise einstellen, ohne den Blick schon ganz nach vorn richten zu können. Die DAT-Tochter "xpxd consulting" zeichnet anhand von Szenarien (V- und U-förmiger Verlauf) mögliche Auswirkungen für den Markt für Gebraucht- und Neufahrzeuge nach, die auch für Flottenbetreiber interessant sein können.
Im Basis-Szenario wird eine Normalisierung über den Sommer angenommen, gleichzeitig könnte 2021 schon wieder ein Wachstumsjahr werden. Im ersten Gedanken-Beispiel sind die ökonomischen Bremsspuren deutlicher (BIP-Rückgang von 5,4 Prozent), aber nach dem Anlaufen der Produktion im zweiten Halbjahr 2020 würde 2021 das BIP um fast den gleichen Wert wieder zulegen (plus 4,9 Prozent). Das wäre ein V-förmiger Wachstumsgraph. Dieses Szenario liegt in etwa auf der Linie mit der am 29. April veröffentlichten Frühjahrsprognose der Bundesregierung für die Entwicklung des Brutto-Inlands-Produktes für 2020 (minus 6,3 Prozent/preisbereinigt) und 2021 (plus 5,2 Prozent). Sollten aber die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus mehr Zeit benötigen und bis Ende 2020 andauern, ist mit einer wirtschaftlichen Erholung erst im Jahr 2021 zu rechnen. Ein U-förmiger Wachstumsgraph würde die BIP-Kurve zeichnen.
Jetzt der Schwenk zum Automarkt, der natürlich durch die wieder aufflackernde Diskussion über staatliche Neuwagenprämien eine eigene Dynamik entwickeln könnte. Laut der Prognose der Datenexperten würden im V-förmigen Verlauf die Zulassungszahlen von gut 3,6 Millionen im Vorjahr (KBA) auf 2,2 Millionen fallen und 2021 auf 3,25 Millionen anwachsen. Im U-förmigen Verlauf der langsamen Erholung wären 2020 (zwei Millionen) und 2021 (2,6 Millionen) deutlich schlechter als die letzten Jahre.
Für den korrespondieren Gebrauchtwagenmarkt würde das V-Szenario 6,0 und 7,25 Millionen Besitzumschreibungen in diesem und dem kommenden Jahr bedeuten, und das U-Szenario 4,75 und 6,4 Millionen Gebrauchtwagen. Ungeachtet der Unwägbarkeiten rechnen die Branchenprofis längerfristig mit einem höheren Standtageniveau als vor der Krise, da sich auch das Nachfrageverhalten der Gebrauchtwagenkunden möglicherweise grundlegend ändern könnte.
Mit Veränderungen wird auch beim Neuwagenkauf gerechnet. Im Fall einer Erholung 2021 würde dies einer Kaufverschiebung gleichkommen. Privatkäufer wären vorsichtiger in diesem Jahr. Man müsste erst wieder auf ein Auto sparen und will vielleicht künftig nicht mehr so viel Geld fürs neue Gefährt ausgeben wie bisher. Firmen kaufen bzw. leasen (je nach Auswirkung der Krise) weiterhin Fahrzeuge, so die Expertise. Autovermieter geben den aktuellen Bestand gegebenenfalls frühzeitig zurück und halten sich mit einer Neuanschaffung zurück. Droht allerdings die lange wirtschaftliche Stagnation (U-förmig), fehlt es vor allem an Bonität. Firmen verschieben eine Neuanschaffung auf unbestimmte Zeit und die Vermieter geben den aktuellen Bestand gegebenenfalls frühzeitig zurück und halten sich mit Neuanschaffungen weiterhin zurück. Je nach Veränderung der Kaufkraft spielen Kaufanreize eine zentrale Rolle beim künftigen Fahrzeugkauf.
Je nachdem, wie lang die Fahrzeugneuanschaffung hinausgezögert wird, werden auch Leasingrückläufer neu eingetaktet werden. Insbesondere Rückläufer mit hohen Kilometerlaufleistungen, die bisher ins Ausland verkauft wurden, sind dann noch schwerer zu vermarkten und weisen eine negative Wertentwicklung auf, so die Warnung. Gleichzeitig wird erwartet, dass zum Erhalt der Liquidität verstärkt Fahrzeuge von zahlreichen Händlerbetrieben in den Markt gedrückt werden, was wiederum negative Entwicklungen für die Gebrauchtwagenwerte hätte. Im Konkursfall von zahlreichen Händlern würde das Angebot weiter steigen. Im V-förmigen Markt würden die älteren Gebrauchten (36 bis 48 Monate) mit hoher Laufleistung um bis zu zehn Prozent schwächer bewertet werden. Staatliche Unterstützungen würden den Verfall deutlich verstärken. Die Werte von jungen Gebrauchtwagen (bis 18 Monate) wären hier stabil bis leicht steigend, da es zu einer Verknappung von Neuwagen durch den Stillstand der Produktion käme. Im U-Szenario wären schon die jungen Gebrauchten preislich unter Druck und die älteren Gebrauchten könnten einen Malus bis zu 30 Prozent erhalten. Auch hier wären Neuwagenprämien ein Beschleuniger des negativen Gebrauchtwagentrends.
Handlungsempfehlungen
Als Handlungsempfehlungen gibt xpxd consulting den Autoherstellern mit auf den Weg, möglichst auf höhere Rabatte zu verzichten. Nachlässe sollten nur für wenig nachgefragte Fahrzeuge gegeben werden. Die Komplexität des Produktportfolios sollte reduziert und der Fokus auf alternative Antriebe gerichtet werden. Für den Handel heißt es derweil Liquidität sicherzustellen, mehr Flexibilität in die Bestände zu bekommen, die Digitalisierung der Vermarktung voranzutreiben und die Margen im Gebrauchtwagengeschäft zu erhöhen, da Fahrzeuge günstiger eingekauft werden können.
Für die Finanzierer (Autobanken und Leasinggesellschaften) heißt der Rat, Vertragsverlängerungen anzubieten, sobald das Anschlussfahrzeug nicht verfügbar wäre. Die Leasingraten bei finanziellen Schwierigkeiten des Vertragspartners wenn möglich zu stunden. Die Leasingangebote dahingehend anzupassen, dass sich die Laufzeiten verkürzen und die Rückgabe flexibler gehandhabt werde. Auch könnten Rundum-sorglos-Pakete (Full-Service-Leasing) stärker nachgefragt werden. Und natürlich die Händler auf partnerschaftlicher Basis durch das Sicherstellen von Liquidität zu unterstützen. Denn auch wenn der Ausweg noch nicht ganz klar ist, die Richtung steht schon fest: Man kommt nur gemeinsam aus der Krise.