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AUTOHAUS-Kommentar zu Mercedes-Plänen: Bares für Rares

22.01.2024 12:14 Uhr | Lesezeit: 5 min
AUTOHAUS-Kommentar zu Mercedes-Plänen: Bares für Rares
AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel
© Foto: AUTOHAUS

AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel durchleuchtet den beabsichtigten Verkauf aller konzerneigenen Niederlassungen der Mercedes-Benz Group.

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Große Veränderungen werden auch in der PS-Branche zur neuen Normalität. Man muss also mit vielem rechnen. Die für großes Aufsehen sorgende, uns vorliegende interne Mitteilung an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Own Retail Deutschland der Mercedes-Benz Group von den Vorständinnen Britta Seeger und Sabine Kohleisen, dass die Absicht besteht, weitere oder sogar sämtliche konzerneigene Niederlassungen zu verkaufen, ist in diese Kategorie einzuordnen. AUTOHAUS berichtete darüber vorab exklusiv.

Es geht hier um eine Bastion im Mercedes-Vertrieb, die jetzt zumindest teilweise veräußert werden soll. Wir sprechen von 60 Niederlassungen, die in sieben Verbünden bzw. Vertriebsdirektionen organisiert sind: Bayern (Augsburg, München, Nürnberg), Berlin, Nord (Bremen, Hamburg, Hannover, Lübeck), Rheinland (Aachen, Köln), Rhein-Main (u.a. Darmstadt, Frankfurt, Mainz, Mannheim), West (u.a. Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Wuppertal) und Württemberg (Stuttgart, Reutlingen, Ulm). Wie viele Karrieren von Mercedes-Managern sind hier gestartet? In den Own-Retail-Betrieben werden nach Firmenangaben rund 8.000 Mitarbeitende, vor allem im gewerblichen Bereich, beschäftigt, die erhalten bleiben sollen.

In der Konzernmitteilung wird die Digitalisierung explizit erwähnt, die neue Vertriebs- und Servicechancen biete, aber auch die neuen Anforderungen erhöhe. Im Zeitalter des Internets steht der Vertrieb bekanntlich insgesamt zur Disposition und wird weniger als Erfolgsfaktor, sondern eher unter Kostenaspekten betrachtet. Es soll ja alles online gehen. Mit dem VDZ-Modell ("Vertrieb der Zukunft") hat der Hersteller die echte Agentur verwirklicht und damit einen Durchgriff auf das Agentennetz mit absoluter Preishoheit geschaffen. Das MB-Ziel lautet bis 2025 rund ein Viertel der Pkw online zu verkaufen. Also sollen den stationären Vertrieb künftig andere machen. Als mögliche Investoren sollen ausschließlich renommierte Autohausgruppen zum Zug kommen, die bereits Partner von Mercedes-Benz sind.

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Ob der Zeitpunkt der Ankündigung richtig ist, kann man hinterfragen, da die Branche in Deutschland – wie es derzeit aussieht – vor einer rezessiven Periode steht und die Zinssituation für Immobilientransaktionen aufgrund der Renditesituation äußerst ungünstig ist. Die Spekulation in verschiedenen Medien, dass der Verkauf wegen Kapitalbedarfs des Konzerns stattfindet, ist Quatsch. Die Mercedes-Benz Group verfügt über ausreichende Kapitalkraft. Von der Sache her ist die Absicht allerdings keine Überraschung. Wie man aus Konzernkreisen hört, war der Verkauf aller konzerneigenen Niederlassungen bereits vor Jahren, als die erste Own-Retail-Verkaufsrunde stattfand, eine der Strategieoptionen. In dieser Option waren nur acht bis zehn Standorte in sogenannten Metropolniederlassungen (z.B. Berlin, München, Stuttgart) von der Trennung ausgenommen. Ob nun auch davon Abstand genommen wird, ist kaum anzunehmen, da alle Wettbewerber des Sterns derzeit versuchen sich in diesen Metropolen mit eigenen neuen Formaten zu repräsentieren. Und auch die Reaktion des Mercedes-Betriebsratsvorsitzenden Ergun Lümali, der sich von den weiteren Verkaufsabsichten überrascht zeigt, erscheint eher als eine taktische Reaktion, denn der damalige Betriebsrat, Michael Brecht – heute Vorsitzender des Betriebsrats der Daimler Truck AG – war eng in die Verkaufsstrategie eingebunden.

Die erste Verkaufsrunde war bekanntlich für einige der Käufer keine Erfolgsgeschichte, beispielsweise wegen unzureichender Wirtschaftlichkeit der Standorte wurden einige der Niederlassungen, etwa Koblenz, Emden und Saarbrücken, deshalb bereits weiterverkauft.

Gesamtpaket aus Pkw, Vans und Lkw

An anderer Stelle soll es jedoch Unmut über die erneuten Verkaufsabsichten geben. Denn zwischenzeitlich kam es zur Konzernaufspaltung. Wie man hört, bewertet Daimler Truck-Boss Martin Daum den Verkauf anders als Mercedes-Chef Ola Källenius, der dem konzerneigenen Vertrieb seit jeher skeptisch gegenüber steht. Die Lkw-Seite hätte völlig andere Ansichten in dieser Angelegenheit, ist zu hören. Dort werde die Meinung vertreten, dass große, von der Daimler Truck beeinflussbare konzerneigene Lkw-Zentren, insbesondere für den Service an allen wichtigen Verkehrsrouten, als Wettbewerbsfaktor die richtige Strategie darstellen. Und außerdem das Geschäft dort richtig brummt. Deshalb hatte man in der ersten Verkaufsrunde auch den Versuch unternommen in verschiedenen Niederlassungen, etwa Kassel/Göttingen und Würzburg/Schweinfurt, nur das Pkw-Geschäft zu verkaufen. Der Lkw-Teil wird dort mit großem Erfolg selbst fortgeführt. Das Problem bei dieser Lösung ist jedoch, dass das Pkw- und Transporter-Geschäft allein nicht wirtschaftlich ist. Das Geschäftsmodell von Mercedes-Benz war wirtschaftlich immer ein Gesamtpaket aus Pkw, Vans und Lkw.

Wie man sieht, scheinen einige wichtige Fragen bezüglich dieser Strategie noch nicht abschließend geklärt zu sein. Würden die konzerneigenen Niederlassungen nicht für das vom Hersteller zielgerichtet eingeführte Agenturgeschäft als wichtiger eigener Sensor im Markt genutzt werden können? Andererseits kann man feststellen, dass das Mercedes-Geschäft weltweit auch ohne eigene Niederlassungen funktioniert. Aus den Ergebnissen der ersten Verkaufsrunde weiß man außerdem, dass die Vertreter/Agenten in Deutschland das Geschäft mindestens genauso gut machen wie die Niederlassungen und eben die Rendite nicht aus der Steckdose kommt – wie immer gegenüber den Niederlassungen argumentiert wurde. Es dürfte also nur wenige Vertreter geben, die mit dem Deal nicht einverstanden sind. Eine Frage ist, ob jetzt beispielsweise potentere "Kollegen" aus dem Ausland auf Shoppingtour gehen.


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KOMMENTARE


Stefan Petzold

23.01.2024 - 11:26 Uhr

Ja ja, wer’s glaubt, wird selig. Der Hintergrund ist doch klar. Personalkosten abbauen. Schaut mal alle in fünf Jahren nach, was noch übrig ist. Ich habe die „Insolvenz“ des ehemals größten VW Händlers in Hamburg miterlebt. Warum Insolvenz in Anführungszeichen? Weil sie mutwillig herbeigeführt wurden. Man stellt einfach ein oder zwei große Kredite fällig, und schwups, war’s das. Wir hatten ja noch Gelder auf den Konten, nur eben nicht genug. Das Unternehmen hatte knapp 1500 (!) Mitarbeiter und 12 Betriebe, Inhabergeführt von echten Profis mit hochmotivierten Mitarbeitern. Heute, nach 4 Jahren sind beim großen Unternehmen welches sich zu allem Überfluss auch noch gönnerhaft als Großer Retter feiern ließ, noch 4 Betriebe mit ca. 350 ehemaligen Mitarbeitern übrig. Insbesondere hat man sich im Laufe der Zeit von sehr guten und alt eingesessenen Verkäufern getrennt um diese durch Juniorverkäufer zu ersetzen die brav das tun was man ihnen sagt. Zwei weitere, kleine Betriebe wurden von einem Markenhändler im Hamburger Umland übernommen, da hat man sich geeinigt. Hier sind noch fast alle Mitarbeiter an Bord. Soll heißen, fasst alle Hersteller sind wohl mittlerweile der Meinung, das in Zukunft keine Verkäufer mehr gebraucht werden. Meiner Meinung nach hat man da aber die Rechnung ohne den Kunden gemacht. Aber man ist wohl der Meinung, das online zwar weniger verkauft dafür aber mehr Rendite erwirtschaften wird. Wer braucht schon Arbeitnehmer die den Kontakt zum Kunden pflegen. Schade und ich fürchte, dass das alles viel zu früh ist. Es wird nicht mehr visionär gedacht, sieht man ja bei den e-Autos. Hat ja auch prima geklappt. Alles was in den letzten 2 Jahren verdient wurde, muss jetzt den Kunden in Form von Prämien hintergeworfen werden, damit überhaupt noch irgendjemanden diese Autos kauft. Musste man ja auch nicht mit rechnen, das die staatlichen Prämien irgendwann auslaufen. DAS muss nur mal jemand erklären, wie man so kurzsichtig sein kann.


A.Taler

23.01.2024 - 14:14 Uhr

Bares für Rares ist ein sehr passender Titel. Der Abverkauf des Service der Marke Mercedes hat schon ein wenig vorher begonnen. Einstieg zur Neuausrichtung war die Änderungswelle im Hause EvoBus. Pünktlich zum Jahresende vor vielen Jahren erhielten die Service-Kollegen Post von ihrem Hersteller. In vielen Fällen erhielten Führungskräfte eine Änderungskündigung die sie unterschreiben durften und damit auch gleich ihrer Rückstufung zustimmten, wer das nicht wollte konnte auch gleich seine Ausscheidung unterschreiben. Grund hierfür, die Einführung der Service GmbH. Dnach kam die Fusions und Übernahmewelle in deren Verlauf die "Ost-Niederlassungen" gerne verkauft wurden. Hier kamen viele Mitarbeiter vom Regen in die Traufe, weil nie richtig in der Daimler-AG angekommen wurden die GmbH´ler einfach mitverkauft. Für ein paar "alte" Daimlerrecken fand man noch eine Anstellung. Jetzt geht es um den Rest. Als 2007 in einem internen Meeting schon die ersten Andeutungen in diese Richtung kamen, wollten einige das nicht verstehen, vor allem diejenigen die sich seit Jahren für die Marke und den Service dahinter verkämpft hatten. Darum geht es aber nicht. Dieter Zetsche hat einmal auf der Mobifunkmesse MWC in Barcelona gesagt: „Es ist kein Naturgesetz, dass Daimler ewig besteht“ Der erfolgreichste Automobilkonzern der Nachkriegsgeschichte wurde bereits abgewickelt, übriggeblieben sind nur noch zwei Marken und die wird man zum Wohle der Shareholders auch noch schaffen.


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