Das Bundesverfassungsgericht hatte sich unter anderem an den Deutschen Steuerberaterverband und den Bund der Steuerzahler Deutschland gewandt und eine Einschätzung zur Verfassungsbeschwerde bezüglich des Solidaritätszuschlags erbeten. Zu diesem Zweck haben die beiden Verbände Prof. Gregor Kirchhof mit der Stellungnahme beauftragt.
In der Stellungnahme kommt der Steuerrechtsexperte zu dem Ergebnis, dass der Solidaritätszuschlag 1995/2021 das Grundgesetz verletzt. So weist er darauf hin, dass der Solidaritätszuschlag als subsidiärer Zuschlag nicht den allgemeinen Haushalt, sondern einen vorübergehenden besonderen Finanzbedarf der öffentlichen Hand finanziere, wobei der rechtfertigende Sonderbedarf beim Bund liegen müsse.
Dieser Zuschlag, so Prof. Kirchhof weiter, "ist außer Kraft zu setzen, wenn der Sonderbedarf des Bundes ersichtlich nicht mehr besteht oder eindeutig zu einem dauerhaften Finanzanliegen geworden ist". Ein wiedervereinigungsbedingter Sonderbedarf des Bundes liege 30 Jahre nach dem Ereignis ersichtlich nicht mehr vor. Zwar könne keine starre und punktgenaue Zeitgrenze gezogen werden, wann ein längerer Sonderbedarf zu einem dauerhaften Posten im Haushalt wird. "Eine Abgabe, die über ein Vierteljahrhundert erhoben wird, ist allein durch den Zeitablauf zu einem gängigen Finanzinstrument geworden und daher keine Ergänzungsabgabe mehr. Der Solidaritätszuschlag befindet sich nunmehr ersichtlich in der verfassungsrechtlichen Finsternis."
Der Bundestag könne zwar eine weitere Ergänzungsabgabe oder auch den Solidaritätszuschlag verfassungsrechtlich neu begründen. Hierfür bedürfe es aber einer ausdrücklichen Entscheidung des Parlaments.
Allein auch aufgrund der Tatsache, dass der Solidaritätszuschlag 1995/2021 nur noch rund zehn Prozent der Abgabenpflichtigen belaste, verlasse er den verfassungsrechtlichen Typus der Ergänzungsabgabe und sei nur noch ein "gleichheitswidriger Torso des Ursprungszuschlags".