Seit September 2015 ist der Abgas-Skandal bei Volkswagen das Thema in den Medien und in der Rechtsprechung. Käufer betroffener Diesel-Pkw fühlen sich betrogen. Ganze Anwaltskanzleien haben sich zum Ziel gesetzt, für die Kunden eine Entschädigung von den Herstellern zu erwirken – sei es in Gestalt von Geld, sei es in Gestalt von Rücknahme der Fahrzeuge.
So weit, so verständlich. "Kein Verständnis" zeigt Rechtsanwältin Dr. Susanne Creutzig von der Anwaltskanzlei Creutzig & Creutzig dagegen für die Klagen gegen die verkaufenden Händler. "Denn es ist allgemein bekannt, dass die Händler, die diese Diesel Pkw verkauft haben, genauso ahnungslos gewesen sind wie die Käufer. Jedenfalls bis zu jenen September-Tagen in 2015, als die ersten Berichte über die Manipulationen der Hersteller aufgetaucht sind", erklärt die Kölner Juristin anlässlich des zweijährigen "Dieselgate"-Jubiläums.
Nach Einschätzung von Creutzig liegen mittlerweile über 250 Urteile von Landgerichten vor. "Fast alle Landgerichte in Deutschland sind daran beteiligt", sagt sie. Man könne deshalb mit einiger Sicherheit voraussagen, in welche Richtung ein Landgericht weitere Urteile fälle, wenn es bereits ein erstes Mal entschieden habe.
Über die Verjährungsklippe
Soweit die Fahrzeugkäufe einige Zeit zurückliegen, stelle sich für die verklagten Händler die Frage der Verjährung, so die Branchenanwältin weiter. Die Frist betrage zwei Jahre seit Auslieferung des Pkw. Viele Forderungen von enttäuschten Käufern gegen Händler seien bereits verjährt. Deshalb versuchten Anwälte, über diese Verjährungsklippe auch bei den verkaufenden Händlern mit der sog. "arglistigen Täuschung" hinweg zu kommen, weil das Gesetz dabei eine längere Verjährungsfrist vorsieht.
Dagegen verwahre sie sich "mit größtem Nachdruck", betont Creutzig. "Auf dem Rücken der verkaufenden Händler kann dieser Skandal nicht ausgetragen werden." Bereits zwei Oberlandesgerichte hätten es – neben vielen Landgerichten – abgelehnt, die verkaufenden Händler wegen Arglist zu verurteilen. In dem Fall vor dem OLG München war der Verkäufer ein sog. Freier Händler und der DieselPkw ein Gebrauchtfahrzeug (Az. 21 U 4818/16). Im Fall vor dem OLG Hamm war der Verkäufer ein Vertragshändler.
"Zu Recht hat das Gericht entschieden, aus der bloßen Tatsache, dass ein selbständiger Vertragshändler Fahrzeuge einer bestimmten Marke verkaufe, kann nicht hergeleitet werden, dass er sich das Verhalten der Hersteller zurechnen lassen muss", sagt Creutzig. Sie sei optimistisch, dass sich die Ansicht dieser Oberlandesgerichte allgemein in Deutschland durchsetzen werde. (AH)