Elementarschadenereignisse gehören zu den größten Herausforderungen für Kfz-Versicherungen. Sie sind nicht vorhersehbar, können innerhalb weniger Stunden tausende Schäden verursachen und jede Region Deutschlands betreffen. Sind Sturm- und Hagelwolken abgezogen, kommt es vor allem auf Schnelligkeit und Organisationstalent an: Betroffene Versicherte müssen beraten und mit möglichst ortsnahen Terminen zur Besichtigung des Schadens versorgt werden, ehe sie die Entscheidung "Reparatur oder fiktive Abrechnung" treffen.
Das zu Ende gehende Jahr 2023 war in Sachen Massenschäden besonders ereignisreich. Der GDV geht zwar insgesamt bei Sturm-, Hagel-, Blitz- und Überschwemmungsschäden von einem leicht unterdurchschnittlichen Regulierungsaufwand von rund vier Milliarden Euro aus. Aber alleine die beiden Unwetter "Lambert" und "Kay" haben im Juni Schäden in Höhe von 740 Millionen Euro verursacht. Knapp die Hälfte davon, rund 350 Millionen, übernehmen die Kfz-Versicherungen. Als Nummer 5 auf dem deutschen Pkw-Markt war auch die DEVK mit ihrer Kundschaft massiv von Hagelschäden betroffen. Schaden-Chef Marco Becker zieht im AUTOHAUS Schadenmanager-Interview Bilanz.
AH: Herr Becker, werfen wir zunächst einen Blick auf das Jahr 2023. Welche Ereignisse sind Ihnen aus Sicht der Schadenversicherung besonders in Erinnerung?
M. Becker: Die Hagelschäden! Es gab in mehreren Regionen schwere Unwetter mit entsprechenden Folgen. Besonders stark betroffen waren Kassel sowie Orte in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern. Neuesten Zahlen zufolge hatten wir dieses Jahr insgesamt 22.200 Kfz-Hagelschäden – so viele wie seit 2013 nicht mehr.
Über 20 Jahre Erfahrung mit Smart Repair
AH: Die DEVK hat bei der Schadenabwicklung nach Hagelschlägen schon vor vielen Jahren neue Wege eingeschlagen – wie kam es dazu?
M. Becker: Auslöser waren schlimme Hagelereignisse Mitte der 1990er Jahre in Köln. Damals wurden Hagelschäden grundsätzlich mit Ausbeulen, Spachteln und Lackieren instand gesetzt. Aber diese herkömmliche Reparaturmethode hat Nachteile – gerade bei sehr vielen betroffenen Stellen. Dann haben wir in den Niederlanden die Alternative kennengelernt: Dellen drücken ohne Lackieren. Die Dellen im Blech werden von innen mit Spezialwerkzeug herausgedrückt oder mit einem aufgeklebten Pad von außen herausgezogen. 2001 haben wir unserer Kundschaft erstmals diese neue Reparaturmöglichkeit gemeinsam mit einem Dienstleister angeboten. Seit den 2010er Jahren beobachten und begleiten wir auch die Entwicklung der Hagelscanner, die unsere Sachverständigen dieses Jahr bei vielen Sammelbesichtigungen gut unterstützt haben.
AH: Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie in den ersten Jahren zu kämpfen?
M. Becker: Kunden kannten die Reparaturmethode nicht. Um sie zu erklären, haben wir bei den Sammelbesichtigungen nach Hagelschäden den betroffenen Versicherten ein Video gezeigt und ein Dellen-Techniker hat die Reparatur praktisch vorgeführt. Bei den Werkstätten gab es eher das Problem, dass sie der unbekannten Reparaturmethode skeptisch gegenüberstanden und wirtschaftliche Nachteile befürchteten.
AH: Wie hat sich das bis heute verändert?
M. Becker: Wir waren einer der ersten Versicherer, der konsequent für das neue Verfahren geworben hat. Aus den positiven Erfahrungen mit einer zunächst unbekannten Reparaturmethode hat sich bis heute der neue Standard entwickelt. Seit einigen Jahren ist die Technik allgemein anerkannt.
Schnelligkeit ohne Qualitätsverlust
AH: Welche Vorteile bietet die Methode "Dellen entfernen ohne Lackieren" für die Betroffenen?
M. Becker: Kundinnen und Kunden bekommen nach einem Hagelschaden ihr Auto schneller und besser repariert zurück als früher. Da nur die Dellen herausgedrückt werden, bleibt in der Regel der Originallack des Fahrzeugs erhalten. Früher musste die Karosserie zuerst geschliffen, gespachtelt und dann neu lackiert werden. Zudem war das Ergebnis manchmal mäßig, weil es zu Farbunterschieden kommen konnte oder – im schlimmsten Fall – eine zu dicke Spachtel- und Lackschicht irgendwann abgeplatzt ist. Dadurch, dass heute der Originallack erhalten bleibt, sind die Versicherten mit der Reparatur viel zufriedener und der Wiederverkaufswert leidet nicht.
AH: 2023 gab es viele verschiedene Hagelschadenereignisse. Wie haben Sie die regionalen Sammelbesichtigungen organisiert?
M. Becker: Im Schadenfall kommt uns unsere dezentrale Struktur zugute. An 30 Standorten haben wir 53 unserer 63 eigenen Sachverständigen eingesetzt. Gemeinsam haben sie rund 11.000 Fahrzeuge besichtigt. Bei der Sammelbesichtigung in Kassel waren es teilweise 200 Autos an einem Tag. Dabei wurden natürlich auch Hagelscanner eingesetzt. Die sind für die Mitarbeitenden eine enorme Arbeitserleichterung. Auch die Kundschaft ist begeistert, denn ein Hagelscanner liefert ja immer dasselbe Resultat – unabhängig von Arbeitsbelastung oder Wetterlage. Und unsere Kollegen haben mehr Zeit für die Versicherten.
Service und Entscheidungsfreiheit
AH: Was erleben Kundinnen und Kunden, wenn sie zur Sammelbesichtigung kommen?
M. Becker: Der Versicherungsnehmer fährt sein frisch gewaschenes Auto in die Halle. Dort wird es mit modernster Technik rundum gescannt. Das dauert pro Fahrzeug rund fünf Minuten. Unsere Sachverständigen prüfen dann die ermittelten Daten, während sich der Fahrer oder die Fahrerin erst mal einen Kaffee gönnt. Dann bekommt der Kunde eine persönliche Rückmeldung von uns und erhält das Gutachten direkt per E-Mail. So kann der Fahrzeughalter in Ruhe überlegen, ob ein Profi die Dellen wieder ausbeulen soll oder ob er fiktiv abrechnet, also lieber eine Entschädigungszahlung annimmt. Bei Reparaturwunsch vermitteln wir einen geeigneten Partner mit entsprechenden Fachkenntnissen.
AH: Wie viele Hagelschäden werden erfahrungsgemäß repariert, wie viele fiktiv abgerechnet?
M. Becker: Das ist regional sehr unterschiedlich und etwa davon abhängig, wie stark das Hagelereignis gewesen ist. Aus Sicht vieler Kundinnen und Kunden ändert sich der Gebrauchswert durch den Hagelschaden nicht, sodass sie auf eine Reparatur verzichten. Natürlich spielt auch das Alter der Fahrzeuge eine Rolle. Gerade bei neueren Autos ist der Wunsch groß, die Dellen wieder verschwinden zu lassen.
AH: Wie binden Sie Ihre Partnerbetriebe in die Regulierung mit ein?
M. Becker: Bei uns wird jeder zweite Kfz-Kaskoschaden in einer DEVK-Partnerwerkstatt repariert. Wir fördern das, indem wir Tarife mit Werkstattbindung preislich attraktiv machen und im Schadenfall gezielt auf Partnerwerkstätten in der Nähe unserer Versicherten hinweisen.
AH: Welche Voraussetzungen müssen die Reparaturbetriebe erfüllen?
M. Becker: Grundsätzlich sollten unsere Partnerwerkstätten den DEVK-Servicegedanken teilen. Wir bevorzugen Betriebe mit ausgeprägtem Dienstleistungsbewusstsein und hohen Qualitätsstandards. 70 Prozent unserer 6.000 Partnerbetriebe sind Markenwerkstätten. Von der Qualität unserer Partner sind wir so überzeugt, dass wir als einziger Versicherer zehn Jahre Garantie auf die ausgeführten Reparaturen gewähren.
AH: Herr Becker, vielen Dank für dieses Gespräch. (kt)