In der Debatte um mögliche Fahrverbote für Dieselautos in deutschen Innenstädten stellt das Bundesverkehrsministerium jetzt die Standorte einzelner Messstationen in Frage. "Einige Standorte von Messtellen werden zurzeit kritisch hinterfragt, ob sie überhaupt den europäischen Vorgaben entsprechen", sagte der Staatssekretär Steffen Bilger (CDU) der "Bild"-Zeitung (Samstag). "Zumindest für die Zukunft muss gelten: Neue Messstellen sollten objektive Werte ermitteln und nicht die schlechtestmöglichen." Zugleich stellte Bilger geltende Grenzwerte in Frage. "Wenn Grenzwerte unsinnig sind, müssen sie geändert werden. Darüber sollte auf europäischer Ebene diskutiert werden."
Aus dem SPD-geleiteten Umweltministerium kam heftige Kritik an den Äußerungen Bilgers. "Es ist ein Märchen, dass die Messstationen nicht sachgerecht aufgestellt sind", sagte die Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter. "Die Luft wird nicht besser, wenn man sie anders misst. Das ist Augenwischerei und unseriös." Schwarzelühr-Sutter wies darauf hin, dass die Platzierung der Stationen europäischen Regeln folge und "richtigerweise auch hochbelastete Orte" mit einbeziehe.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte Ende Februar erklärt, dass Diesel-Fahrverbote für bessere Luft in Städten nach geltendem Recht grundsätzlich zulässig sind. Die Städte Düsseldorf und Stuttgart müssen dem Urteil zufolge aber ihre Luftreinhaltepläne auf Verhältnismäßigkeit prüfen. Die Entscheidung sieht Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen vor.
Direkt am Straßenrand
Als Beispiel für eine aus seiner Sicht möglicherweise falsch gewählte Aufstellung einer Messstation nannte Bilger Stuttgart: "Niemand schreibt vor, dass zum Beispiel die Messstation am Stuttgarter Neckartor direkt am Straßenrand stehen muss, wo pro Tag 70.000 Fahrzeuge und 200 schwere Nutzfahrzeuge vorbeifahren." Bei einer Anhörung im Bundestag hätten Experten darauf hingewiesen, dass die Lage der Station dort so gewählt worden sei, "dass die lokal höchste Emission erfasst wird", auf der gegenüberliegenden Straßenseite dagegen nur etwa ein Drittel der Schadstoffwerte.
Rund 500 Messstationen saugen in Deutschland Luft an, untersuchen sie und leiten die Daten automatisch weiter an die Behörden der Bundesländer. Wo und an wie vielen Standorten welche Werte gemessen werden, ist von der EU recht genau vorgegeben. Es gibt Messungen in verkehrsnahen Zonen, an Industriestandorten und in Gebieten mit typischen Werten für den sogenannten städtischen Hintergrund. Die Luft rund um die Messstationen soll für die Umgebung möglichst repräsentativ sein, so schreibt es die 39. Bundesemissionsschutzverordnung (BImSchV) vor. Mindestens alle fünf Jahre wird überprüft, ob die Stationen versetzt werden müssen. (dpa)
Dietmar Seyerle