In der Debatte um Luftverschmutzung in Städten will Baden-Württemberg Rechtsunsicherheiten bei der Verhältnismäßigkeit von Diesel-Fahrverboten höchstrichterlich klären lassen. Man wolle gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg vorgehen, sagte ein Sprecher des Landesverkehrsministeriums am Mittwoch in Stuttgart. Entscheiden soll demnach nun das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Der VGH hatte der Stadt Reutlingen Diesel-Fahrverbote auferlegt und erklärt, dass der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter im Jahresmittel verbindlich sei. In Reutlingen waren es im vergangenen Jahr 53 Mikrogramm. In der nun veröffentlichten Begründung heißt es, die vorgeschlagenen zusätzlichen Maßnahmen zur Luftverbesserung seien in ihrer Wirkung zu unsicher. Die Stadt wolle zu Unrecht auf Diesel-Fahrverbote verzichten, so die Richter. Das Ziel, den Grenzwert schnellstmöglich zu erreichen, dürfe nicht mit Blick auf die gesetzliche Neuregelung des Bundes relativiert werden (Az.: 10 S1977/18).
Die große Koalition im Bund hatte in einem kürzlich in Kraft getretenen Gesetz festgelegt, dass Fahrverbote in der Regel nur dann verhältnismäßig seien, wenn die Belastung über 50 Mikrogramm liegt – weil bei einer geringeren Überschreitung andere Maßnahmen ausreichten, um den Grenzwert schnell einzuhalten. So wollen Union und SPD die Zahl der Fahrverbote möglichst gering halten.
"Ohrfeige für die Bundesregierung"
Mit dem jüngsten VGH-Urteil sieht sich Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in seiner Haltung bestätigt, dass das EU-Recht eine unmittelbare Gültigkeit habe: "Auf dieses Risiko habe ich immer hingewiesen." Der Bundesgeschäftsführer der Deutsche Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, wertete das VGH-Urteil als "Ohrfeige für die Bundesregierung". (dpa)
Alter Zausel
Heinz Schwiertz