Österreich hat nach jahrelangen Protesten Klage gegen die deutsche Pkw-Maut eingereicht. Kurz vor Sondierungen über eine Jamaika-Koalition in Berlin facht dies den Streit über das CSU-Prestigeprojekt neu an. Die Abgabe sei "eine reine Ausländermaut" und diskriminierend, sagte Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) am Donnerstag in Wien zur Begründung für den Gang vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Niederlande wollen sich anschließen. Dagegen beharrte das Bundesverkehrsministerium auf der Rechtmäßigkeit der Maut. Grüne und SPD forderten den Stopp weiterer Vorbereitungen.
Die EU-Kommission habe sich davor gedrückt, Deutschland die Stirn zu bieten, sagte Leichtfried. Österreich gehe nun voran. Ein von der Regierung in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten bescheinigt gute Aussichten auf einen Erfolg vor Gericht. Hauptkritikpunkt ist, dass nur Inländer für Maut-Zahlungen durch eine niedrigere Kfz-Steuer voll entlastet werden sollen. Die Ankündigung fällt in das Wahlkampffinale in Österreich, das an diesem Sonntag ein neues Parlament wählt.
Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung für die für 2019 geplante Einführung der Maut in Deutschland. Dies müsste eigens beantragt und vor Gericht bewilligt werden. Die Niederlande wollen sich der Klage anschließen, wie eine Sprecherin des Verkehrsministeriums nach einem Bericht der Agentur ANP sagte. Abgewartet werden solle aber noch die rechtliche Begründung aus Wien. Auf Tschechien kann Österreich nicht zählen. "Wir haben entschieden, uns der Klage nicht anzuschließen", sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums in Prag der dpa.
"Die Maut kommt"
Das Bundesverkehrsministerium betonte, die EU-Kommission habe bereits vor Monaten grünes Licht gegeben und ein Verfahren gegen Deutschland eingestellt. "Die Ausschreibungen für das Mautsystem laufen. Die Maut kommt." Nach dem Prinzip "Wer nutzt, der zahlt – und keiner zahlt doppelt" werde Gerechtigkeit auf deutschen Straßen geschaffen. "Daran ändert auch die Klage der österreichischen Regierung nichts."
Mehrere Parteien forderten, weitere Vorbereitungen auszusetzen. "Die Gefahr ist zu groß, dass ansonsten Millionen Steuergelder verbrannt werden", sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte, eine Entscheidung des EuGH abzuwarten. "Es ist eine große Gefahr, dass Steuergelder verschwendet werden, wenn man jetzt mit der Maut weitermacht." Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte, der Zeitpunkt der Klage möge dem österreichischen Wahlkaf geschuldet sein. "Aber es ist gut, diesen von Union und SPD in Gesetz gegossenen CSU-Unsinn gerichtlich zu überprüfen."
Auf die Frage, ob die Maut bei den kommenden Koalitionsverhandlungen mit Union und FDP eine "rote Linie" sei, sagte Hofreiter, das Thema werde eine Rolle spielen – als eines von vielen. Der Klimaschutz etwa stehe höher auf der Prioritätenliste. FDP-Präsidiumsmitglied Christian Dürr sagte: "Die Klage Österreichs zeigt, dass die Pkw-Maut hochproblematisch ist." Da Berechnungen und wissenschaftliche Studien belegten, dass Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis stünden, lehne seine Partei die Pkw-Maut weiterhin ab. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich im Wahlkampf klar zur Maut-Einführung bekannt.
Das von Österreich angestrebte Verfahren vor dem EuGH dauert im Schnitt rund eineinhalb Jahre. Schätzungen zufolge wären in dem Nachbarland 1,8 Millionen Pendler von der deutschen Maut betroffen. Viele Österreicher in grenznahen Gebieten nutzen täglich die deutsche Autobahn als schnellste Verbindung zwischen den Großräumen Innsbruck und Salzburg. Eine durchgehende innerösterreichische Autobahnverbindung zwischen Salzburg und Tirol gibt es nicht. (dpa)
Walter Schiel
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