Die Einführung einer Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen rückt nach jahrelangem Streit ein großes Stück näher. Der Bundestag beschloss am Freitag mehrere Änderungen der seit 2015 geltenden Maut-Gesetze, mit denen die EU-Kommission doch noch grünes Licht für das CSU-Wunschprojekt in der großen Koalition geben will. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte: "Wir schaffen endlich Gerechtigkeit auf unseren Straßen." Für eine Umsetzung bis zur Bundestagswahl am 24. September wird die Zeit knapp. Der Bundesrat könnte das Verfahren möglicherweise noch verschleppen.
Dobrindt wies massive Kritik an seinen Plänen zurück. Die Devise der Maut laute: "Wer nutzt, der zahlt. Und keiner zahlt doppelt." Künftig werde es keinen Unterschied mehr geben zwischen Autofahrern, die sich an der Finanzierung der Infrastruktur beteiligen und jenen, "die bisher kostenlos auf unseren Straßen fahren". Die Maut habe mit ihrer Ausrichtung an den Umwelteigenschaften der Fahrzeuge eine ökologische Steuerungswirkung, die Einnahmen seien für die Straße zweckgebunden.
SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte, seine Partei stimme dem CSU-Vorhaben "unter großen Bauchschmerzen" und aus Koalitionstreue zu. Die SPD sei der Garant dafür, dass kein deutscher Autofahrer belastet werde. In namentlicher Abstimmung votierten 397 Abgeordnete der Koalition für das geänderte Maut-Gesetz, 135 Abgeordnete stimmten dagegen. Bei der SPD gab es 25 Nein-Stimmen, bei der Union sieben. Am angestrebten Maut-Ertrag von jährlich 500 Millionen Euro und der Vereinbarkeit mit EU-Recht gibt es weiterhin Zweifel. Kassiert werden soll die Maut erst ab 2019.
Die Opposition attackierte die Pläne scharf. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warnte, die Maut sei ein "europafeindliches Projekt" und schlecht für die deutschen Grenzregionen. Der Linke-Verkehrsexperte Herbert Behrens verlangte, die Ausländermaut sofort "zu versenken", die auch einen "irrsinnigen Aufwand" an Bürokratie bedeute.
Zwei Nachbesserungen
Konkret beschloss der Bundestag zwei Nachbesserungen der bestehenden Gesetze. Zum einen sollen die Kurzzeittarife für Fahrer aus dem Ausland stärker gestaffelt werden. Zum anderen soll die für Inländer vorgesehene Maut-Entlastung über eine niedrigere Kfz-Steuer für abgasarme Euro-6-Autos stärker ausfallen, nämlich um 100 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr.
Das Paket muss noch durch den Bundesrat, zustimmungspflichtig ist es dort aber nicht. Die Länderkammer könnte jedoch den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und das Verfahren verzögern – womöglich so lange, dass eine Umsetzung der Maut bis zur Bundestagswahl nicht mehr perfekt gemacht werden kann.
Der Bundesrat will mautfreie Abschnitte auf Autobahnen in Grenznähe, was die Bundesregierung bisher ablehnt. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sagte, sie gehe davon aus, dass ihre Landesregierung in der kommenden Woche eine Anrufung des Vermittlungsausschusses beschließt. Auch Rheinland-Pfalz strebt dies an. Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg stellten laut «Heilbronner Stimme» (Samstag) einen entsprechenden Antrag.
Österreich droht weiter mit EU-Klage
Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried rief den deutschen Bundesrat auf, "die diskriminierende Ausländer-Maut zu Fall bringen". Sollte es zu keinem Einlenken in Berlin kommen, halte sich Wien weiter eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) offen. Dobrindt hatte zuvor im Bundestag bekräftigt: "Ich habe für diese ständige Maut-Maulerei aus Österreich überhaupt kein Verständnis." (dpa)
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Thomas Schmidt