Gegen die umstrittene Pkw-Maut werden unmittelbar vor der geplanten Verabschiedung im Bundestag weiter Proteste laut. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die an diesem Sonntag Landtagswahl hat, forderte erneut Ausnahmen für Grenzregionen und drohte mit Anrufung des Vermittlungsausschusses. Der Handelsverband Deutschland warnte vor ausbleibenden Kunden aus Nachbarländern durch die Maut. Der Bundestag stimmt an diesem Freitag abschließend über Änderungen der seit 2015 geltenden Maut-Gesetze ab, mit denen die EU-Kommission grünes Licht für das Projekt geben will.
Kramp-Karrenbauer sagte der «Rheinischen Post» (Donnerstag), in der Grenzregion "wachsen seit Jahrzehnten Infrastruktur, Industrie, Tourismus und Mentalität der Menschen zusammen". Wenn der Bundestag der Forderung nach Maut-Ausnahmen nicht nachkomme, werde das Saarland den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) beharrt auf Maut-Ausnahmen. Weil sagte der "Augsburger Allgemeinen", er könne sich "gut vorstellen, dass wir versuchen werden, die Maut durch eine Anrufung des Vermittlungsausschusses doch noch zu verhindern".
In Nordrhein-Westfalen forderten auch die mitregierenden Grünen die Landesregierung auf, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die Maut schade Menschen und Unternehmen, besonders in Grenzregionen, sagte der Fraktionsvorsitzende Mehrdad Mostofizadeh in Düsseldorf.
Eine Forderung des Bundesrats nach mautfreien Autobahn-Abschnitten an der Grenze hat die Bundesregierung schon abgelehnt. Die Beschränkung der Mautpflicht für Fahrer aus dem Ausland auf die Autobahnen trage Belangen der Grenzregionen bereits in ausreichendem Maß Rechnung. Der Handelsverband Deutschland kritisierte aber, mautfreie sonstige Straßen seien "angesichts der Entfernungen zwischen der Grenze und der nächsten Einkaufsmetropole oft keine attraktive Alternative". Inländische Autofahrer sollen auch auf Bundesstraßen Maut zahlen.
Im Bundestag gilt die Verabschiedung der Pläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) als sicher, nachdem der Koalitionspartner SPD seine Zustimmung erklärt hat (wir berichteten). Konkret sollen die Preise der Kurzzeittarife für Fahrer aus dem Ausland stärker differenziert werden. Inländer mit abgasarmen Euro-6-Autos sollen als Ausgleich für Mautzahlungen um 100 Millionen Euro zusätzlich bei der Kfz-Steuer entlastet werden. Am angestrebten Ertrag von jährlich 500 Millionen Euro und der Vereinbarkeit mit EU-Recht gibt es weiterhin Zweifel.
Im Bundesrat ist das Gesetzespaket nicht zustimmungspflichtig. Die Länderkammer könnte aber den Vermittlungsausschuss anrufen, was das Verfahren verzögern würde. Angesichts der nahenden Bundestagswahl am 24. September steht Dobrindt aber unter hohem Zeitdruck. Der eigentliche Start der Maut wird für 2019 angestrebt. (dpa)
Thomas Schmidt