Von Michael Specht/SP-X
Man muss den Strategen und Ingenieuren bei Renault einen gewissen Respekt zollen. Zum Thema Elektromobilität haben sie versucht, früh Position zu beziehen und stellten schon 2010 einen Strategieplan auf, bei dem der Wettbewerb nur mit dem Kopf schüttelte. Der Plan sah Investitionen in Höhe von vier Milliarden Euro vor. Vier Elektrofahrzeuge (Twizy, Zoe, Kangoo Z.E. und Fluence Z.E.) sollten in den folgenden zwei Jahren auf der Straße sein. Mit über 60 Regierungen, Städten, Kommunen, Versorgern und Organisationen ging Renault Kooperationen ein. Bis zum Ende des Jahrzehnts, so die damalige Prognose, sollte gar jeder zehnte Renault mit einem Elektromotor vom Band rollen.
Kein anderer europäischer Volumenhersteller zeigte ein ähnlich starkes Engagement, auch wenn nicht immer alles nach Plan ging, wie beispielsweise die Lieferung von 100.000 Elektrolimousinen Fluence Z.E. an Better Place. Das israelische Unternehmen unter seinem charismatischen CEO Shai Agassi ging mit seiner Tauschbatterie-Idee Pleite.
Doch selbst mit diesem Flop sowie der kühnen Zehn-Prozent-Vision (2018 waren es drei Prozent) ist Renault heute bei den Elektroautos Marktführer in Europa, verkaufte bislang 48.000 Fahrzeuge. Weltweit waren es sogar 216.000 Einheiten. Mit dem Zoe hat Renault in Deutschland den Bestseller im Programm. Der Kleinwagen ging Anfang 2013 in den Markt, acht Monate früher als der BMW i3. Er wurde bei uns seitdem über 20.000 Mal verkauft, 1.100 Neuzulassungen waren es allein im vorigen Monat. Fürs erste Quartal nennt der Importeur in Köln eine Verdoppelung seiner EV-Zulassungen gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum.
E-Portfolio soll auf acht Modelle wachsen
Doch was zukünftige Elektrofahrzeuge angeht, hält man sich in Paris mit Informationen noch recht bedeckt. Zwar ist von einem Strategieplan mit dem im Marketing stets wohlklingenden Namen "Drive the Future" die Rede, nach dem das Portfolio weltweit bis 2022 auf acht rein elektrische und zwölf elektrifizierte Modelle erweitert werden soll. Doch gerademal von einem hat man vor wenigen Tagen das Tuch gezogen, dem K-ZE. Der City-Stromer feierte in China auf der Auto Shanghai seine Weltpremiere und soll auch dort gebaut werden. Ein Joint Venture wurde hierzu mit Dongfeng gegründet. Über eine halbe Million Einheiten will man jährlich im Reich der Mitte absetzen. Ob der K-ZE auch den Weg nach Europa findet, wollte Renault nicht kommentieren. Wir gehen mal davon aus, dass er innerhalb der nächsten zwei Jahre kommt.
Renault K-ZE (2020)
BildergalerieWeil Renault dann ein vollwertiges Elektrofahrzeug und gleichzeitig trendiges City-SUV unterhalb des Zoe im Angebot haben würde. Dieses A0-Segment hätte zwar bereits der Twingo als Pendant zum Smart Forfour Electric Drive besetzen können. Einen solchen Plan hatte man jedoch mit der Daimler-Tochter von Anfang an verworfen. Das Ende der Kooperation ist in Sicht. Smart wird komplett elektrisch und baut die nächste Generation seiner kleinen Stromer ab 2022 zusammen mit Geely in China.
Basierend auf einem Modellzyklus von sieben Jahren wäre 2020 die nächste Generation des Zoe dran. Seine Länge dürfte bei rund 4,10 Metern bleiben. In Sachen Reichweite (bis zu 400 Kilometer) ist der Zoe bereits gut gerüstet. Eine größere Batterie würde nicht mehr Nutzen im Alltag bringen und Preis sowie Gewicht nur unnötig nach oben treiben. Im Jahr darauf könnte der Nachfolger des Kangoo Z.E. zum Händler rollen. Bliebe die Kooperation mit Mercedes bestehen, hätten die Stuttgarter in ihrem Gewerbe-Portfolio gleichzeitig einen elektrischen Citan. Das Segment erlangt für Handwerksbetriebe, die in Innenstädten zukünftig vielleicht emissionsfrei unterwegs sein müssen, eine immer stärkere Bedeutung.
Doch nicht nur vollelektrisch ist Renault engagiert unterwegs, auch bei der Hybridisierung legt man den Schalter um. Der neue Clio erhält 2020 ein 48-Volt-Mildhybridsystem, im nächsten Captur sowie im Mégane steckt jeweils ein Plug-in-Hybrid. Nach und nach wird die gesamte Modellpalette elektrifiziert. Übereilen wegen Brüssel 2020 muss man nichts. "Wir stehen in Sachen C02-Ausstoß nicht mit dem Rücken an der Wand", sagt Gilles Normand, Chef der Renault-Elektrosparte.