Die Prozesse im Gebrauchtwagenhandel waren schon immer ein entscheidender Erfolgsfaktor. Mit dem Aufkommen von Elektrofahrzeugen ergeben sich jedoch neue Herausforderungen, die nicht zu unterschätzen sind. Falsch kalkulierte Restwerte und ineffiziente Prozesse können schnell zu erheblichen Verlusten führen. Der 23. AUTOHAUS Dekra Gebrauchtwagenkongress rückte daher in diesem Jahr den Verkauf von elektrischen Gebrauchtwagen in den Fokus.
Bert Grammel, Automotive Expert der Eckert Group, und Ralph M. Meunzel, Chefredakteur von AUTOHAUS, führten durch den Tag in der Motorworld Köln. Benjamin Kibies, Senior Automotive Analyst bei Dataforce, eröffnete die Veranstaltung mit einem Überblick über die aktuelle Marktsituation. Die Restwerte seien zwar weiter unter Druck, die Rückläufer würden in der Zukunft jedoch wertiger und hätten mehr Reichweite. Angesichts des CO2-Flottenverbrauchs seien die Hersteller gezwungen, den Verkauf von E-Mobilen voranzutreiben, was auch den Gebrauchtwagenmarkt beeinflussen werde. Der Experte stellte in dem Zusammenhang die aktuellen Zahlen der Besitzumschreibungen dar. Kleine Fahrzeuge hätten hier die größte Nachfrage. Überraschenderweise waren keine Modelle der Marke Tesla in den Top Ten zu finden.
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Ergänzende Informationen zur Restwertentwicklung lieferte Martin Weiss, Leiter Produktlinie Fahrzeugbewertung, DAT, in seinem Beitrag. Förderlich für stabile Werte sei dabei nicht, dass die Hersteller die E-Fahrzeuge pushen müssten. Dies führe tendenziell zu sinkenden Preisen für Elektrofahrzeuge und steigenden Preisen für Verbrenner. Um Bedenken hinsichtlich der Batterieleistung auszuräumen, empfahl Weiss den Einsatz von Batteriezertifikaten zur Dokumentation des sogenannten State of Health (SoH). Zukünftig könnten auch Telematik-Schnittstellen helfen, solche Analysen durchzuführen.
AUTOHAUS / Dekra Gebrauchtwagenkongress 2024
BildergalerieWeitere Insights zu den Batterien kamen von Michael Tziatzios, Leiter Gebrauchtwagenmanagement bei Dekra. Auch er befürwortete den Ansatz, mit Hilfe von Fahrzeugtelematik Daten zum Zustand der Batterie zu erheben. Das Ladekabel werde dabei in Zukunft eine Rolle spielen. Zudem ging er näher auf die kalendarische und zyklische Alterung der Akkus ein. Für viele Teilnehmer überraschend war dabei die klare Empfehlung, die Ladung der Batterie bei ca. 20 bis 50 Prozent zu halten, wenn das Fahrzeug über einen längeren Zeitraum still steht. In diesem Bereich verliere die Batterie keine nennenswerte Kapazität. Bei einem Ladezustand von 100 Prozent sei hingegen ein klarer Kapazitätsverlust zu erkennen. Wenn die Batterie ansonsten in den meisten Fällen im Bereich zwischen 20 und 80 Prozent geladen wird, sind laut Tziatzios definitiv 300.000 bis 600.000 Kilometer ohne kritischen Kapazitätsverlust möglich. Dies bestätigten Testreihen der Prüforganisation.
Prozessschwächen identifizieren
Um trotz der teilweise ungünstigen Voraussetzung erfolgreich zu sein, muss laut Branchenexperte Grammel das Umdenken bei den Führungskräften in den Betrieben beginnen. Nötige Maßnahmen erarbeitete er zusammen mit dem Auditorium auf einem Flipchart. Prozessschwächen und Optimierungspunkte müsse man identifizieren. Eine gute interne Kommunikation sei dafür unbedingt nötig.
Diese Punkte unterstrich David Liebsch, Fachbereichsleiter Gebrauchtwagen Avemo Group, der zusammen mit Grammel auf der Bühne stand. Er zeigte auf, wie man den Prozess der Leasingrücknahme optimieren kann, indem die Fahrzeugrücknahme und die Auslieferung des Neufahrzeuges getrennt werden.
Positive Einstellung macht den Unterschied
Die persönliche Einstellung des Verkäufers zum E-Auto ist ebenso ein Schlüsselfaktor im GW-Prozess. Dies unterstreichen die Ergebnisse der aktuellen Targobank-Verkäuferstudie. Diese wurden von Markus Häring, Ressortleiter der Targobank Autobank, dargestellt. Verkäufer mit einer positiven Einstellung erzielen beispielsweise signifikant bessere Verkaufszahlen.
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Ein weiterer Hebel zur Professionalisierung des Verkaufsprozesses sind den Studienergebnissen zufolge passende Schulungen. So hat der Mitarbeitende in Gesprächen die Möglichkeit, Kompetenz auszustrahlen und eine fundierte Beratung anzubieten. Weitere probate Mittel sind Tools, die konkrete Kostenvergleiche zwischen den einzelnen Antriebsarten erstellen können. Häring forderte Unternehmer auf, ihre Verkäufer so zu schulen, dass sie das Thema E-Mobilität souverän beherrschen.
In der Händlerdiskussion zur Vermarktung gebrauchter E-Autos bestätigte Andreas Peter, Geschäftsführer Autohaus Peter, die Bedeutung der Gebrauchtwagen als zweites Standbein seines Unternehmens. Die BEV-Vermarktung müsse dabei in Zukunft ebenfalls Ertrag erwirtschaften. Wie auch Steve Dumke, Verkaufsberater, CSB Schimmel Automobile, und Ralf Giuliani, Geschäftsführer, Motor Center Heinen, sieht Peter den möglichen Wertverfall und die Unsicherheit bei den Finanzierungskosten als entscheidenden Faktor. Durch guten Zukauf und gezielte Kundenbedarfsanalyse könne trotzdem ein zufriedenstellender Ertrag generiert werden. In der Runde kam, wie auch schon in den anderen Vorträgen des Tages, die Empfehlung, sich Gedanken um alternative Finanzierungsmethodenwie Leasing und Abomodelle zu machen.
Vorbehalte beim Kunden abbauen
In einem weiterem Best-Practice-Interview zwischen Bert Grammel und Manuel Auwärter, Geschäftsführer des Autohauses Felix Kloz, wurden weitere mögliche Maßnahmen zur Optimierung von GW-Prozessen besprochen. Auwärter hatte zum Beispiel eine Aktion gestartet und seine Auszubildenden befragt, wie man den Verkauf von E-Autos ankurbeln könnte. Die Mitarbeiter rieten dazu, eigene neue Wege zu gehen. Man sollte in ihren Augen vor allem wie ein Kunde denken. Vertrauensbildende Maßnahmen wie ein SoH-Zertifikat spielen dabei ebenso eine Rolle, wie dem Kunden das Erlebnis zu bieten, ein E-Auto Probe zu fahren. So könne man vorhandene Vorbehalte abbauen. Gut geschulte Mitarbeiter können anhand einer professionellen Bedarfsanalyse die optimale Antriebstechnologie verkaufen. Eine BEV-Einkaufsquote auf der "Junge Sterne"- Drehscheibe von 32,9 Prozent – der Bundesdurchschnitt liegt dort bei acht Prozent – beim Autohaus Felix Kloz spricht dabei Bände.
Weitere Empfehlungen zu einem gelungenen Verkaufsprozess gab Athos Giannelli, Founder & CEO, GP-International Consulting. Der Verkäufer müsse lernen, Produktinformationen der Hersteller so zu übersetzen, dass der potenzielle Käufer diese auch versteht. Zudem benötige man im Vertrieb die nötige Sicherheit im Gespräch. Diese sei nicht mit ein oder zwei Schulungen zu erreichen. Solche Change-Prozesse benötigen Zeit und Kontinuität. "Der Kunde will Sicherheit kaufen", bekräftigte Giannelli. Dem SoH-Zertifikat und den innovativen Bezahlmodellen verlieh auch er eine ähnliche Bedeutung wie die vorherigen Referenten.
Das Thema BEV im GW-Prozess wurde durch den Vortrag zum neuen Verkaufsrecht von Henning Hamann, Geschäftsführer und Rechtsanwalt, Kanzlei Voigt, abgerundet. Hamann stellte dabei die Punkte, die ein Händler im Rahmen von Gewährleistung, Rücktritt und Schadenersatz nach der neuen Rechtsprechung beachten muss, an konkreten Beispielen aus der Praxis dar.
Des Weiteren wurde die Studie "Gebrauchtwagenkauf 2024 – online matchen, offline daten" von Prof. Benedikt Maier, COO, Institut für Automobilwirtschaft (IfA), und Dr. Bastian Grühn, Senior Director Sales Strategy & Operations, Autoscout24, vorgestellt. Die Kernaussagen: Händler müssen sich auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einstellen – diese suchen nicht mehr primär nach Händlern, sondern nach Fahrzeugen. Der Besuch im Autohaus findet trotzdem weiterhin statt, da das persönliche Gespräch und eine Probefahrt immer noch zum Kauferlebnis gehören. Und hier bietet sich laut Studie die Möglichkeit, den Ertrag pro Fahrzeug durch die aktive Vermarktung von Zusatzdienstleistung zu verdoppeln.
Die umfangreichen und zielführenden Informationen des Tages konnten die rund 190 Teilnehmer bei einem gemeinsamen Networking-Dinner im Restaurant El Carrito vertiefen. Ein Dank geht an den Hauptsponsor Dekra sowie an alle weiteren Partner der Veranstaltung: Auto1.com, Autoscout24, Bezahl.de, Creditplus, ELN und Yareto.