CSU-Chef Horst Seehofer bringt kurz nach dem Dieselgipfel mögliche zusätzliche Kaufanreize des Staates für sauberere Autos ins Spiel. "Ich gebe dem gefundenen Programm maximal drei Monate", sagte der bayerische Ministerpräsident der Deutschen Presse-Agentur in München. Sollten die Gipfel-Beschlüsse bis dahin nicht zu nachweisbaren Verbesserungen der Luft führen, müsse der Bund zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Um Fahrverbote in Städten zu vermeiden, bleiben auch weiter Umbauten an Motoren im Gespräch, die über die von der Branche zugesagten Software-Updates hinausgehen.
Das Bundesumweltministerium hält den von Seehofer geforderten schnellen Rückgang der Stickoxid-Belastung in Städten nicht für realistisch. "Eine messbare Verbesserung wird frühestens nach einem Jahr möglich sein", teilte ein Sprecher mit.
Seehofer sagte, entscheidend sei, wie die von der Industrie angebotenen Maßnahmen von den Autobesitzern angenommen würden. Sollte sich keine Wirkung entfalten, steige die Gefahr von Fahrverboten. Dann müsse der Bund eine "Umweltprämie" für alte Diesel anstreben. "Es geht um alle alten Autos, die ihrem damaligen Stand der Technik entsprachen, regelgerecht zugelassen sind, aber in den Städten für Probleme sorgen", betonte er. Denkbar wäre eine Kaufprämie analog zu Elektroautos. Deren Kauf wird derzeit mit bis zu 4.000 Euro bezuschusst - zu je 50 Prozent vom Staat und von den Herstellern. Die Nachfrage nach der E-Auto-Prämie ist bisher eher verhalten.
Hendricks hatte öffentlich finanzierten Kaufprämien bereits nach dem Dieselgipfel eine klare Absage erteilt. "Die von Herrn Seehofer immer wieder geforderten staatlichen Kaufanreize mache ich als Umweltministerin nicht mit", sagte sie nun der dpa. Die SPD habe sich klar dagegen ausgesprochen, dass der Steuerzahler einspringe. "Und ich bin ziemlich sicher, dass Herr Seehofer auch in der Union isoliert ist", sagte sie.
Bei dem Treffen von Bund, Ländern und der Branche hatten die deutschen Hersteller zugesagt, selbst "Umstiegsprämien" für Besitzer alter Diesel zu finanzieren, die sich ein saubereres, neues Auto kaufen. BMW will bis zu 2.000 Euro Prämie zahlen, Daimler je nach Fahrzeug einen "vierstelligen Betrag". Volkswagen bekräftigte am Freitag, eine Prämie für Diesel der Abgasnormen Euro 1 bis Euro 4 anzubieten, nannte aber weiterhin keine Einzelheiten.
Seehofer machte sich unabhängig davon dafür stark, auch über eine Reform der Kfz-Steuer nachzudenken. "Wir können nicht die alten Stinker steuerlich genauso behandeln wie die neuen Diesel", sagte er.
Für weniger Stickoxid-Ausstoß hatten die deutschen Hersteller beim Dieselgipfel Software-Verbesserungen bei rund 5,3 Millionen Dieseln der Schadstoffklassen Euro 5 und 6 zugesagt. Darunter sind allerdings auch 2,5 Millionen Autos von VW, für die nach dem Skandal um manipulierte Abgaswerte amtliche Nachrüstungen angeordnet wurden. Umbauten am Motor, die teurer wären, lehnte die Branche ab.
Fahrverbote nicht vom Tisch
Für die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sind solche Hardware-Umrüstungen trotzdem noch nicht vom Tisch. "Da ist für mich das letzte Wort noch nicht gesprochen», sagte sie. Es werde durchaus diskutiert, ob reine Software-Umstellungen ausreichten. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schließt Umbauten zumindest als kurzfristige Lösung weiter aus. Diese müssten entwickelt werden, dann gäbe es eine längere Umrüstphase. "Das heißt, wir würden da über Jahre reden. Wir brauchen aber jetzt sofort Verbesserungen", sagte er am Donnerstagabend in Würzburg.
"Wir sehen die Gefahr der Fahrverbote durchaus", sagte auch Stefan Gerwens, Verkehrsexperte des Autoclubs ADAC, der "Berliner Zeitung" (Freitag). Mit den Software-Updates allein sei es nicht zu schaffen, Fahrverbote zu vermeiden. ADAC-Technikchef Reinhard Kolke sagte der "Hamburger Morgenpost" (Freitag), es reiche nicht, nur den Besitzern von Euro-5- und Euro-6-Dieselfahrzeugen Software-Updates anzubieten.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schließt Umbauten an Dieselmotoren zumindest als kurzfristige Lösung weiter aus. "Hardware-Umrüstungen, soweit sie überhaupt bei Fahrzeugen gehen, müssten entwickelt werden und dann haben wir eine längere Umrüstphase. Das heißt, wir würden da über Jahre reden. Wir brauchen aber jetzt sofort Verbesserungen", sagte Dobrindt am Donnerstagabend bei einer Wahlkampfveranstaltung in Würzburg. Er gehe davon aus, dass die beschlossenen Maßnahmen zu einer erheblichen Verbesserung der Luft in den Städten führen werden. Damit würden sich dann möglicherweise die anderen Diskussionen nicht stellen. "Aber wir lassen das offen."
Die Grünen forderten die anderen Fraktionen im Bundestag auf, neue Klagerechte noch vor der Bundestagswahl einzuführen. Sie sollen Autobesitzern in der Diesel-Affäre gemeinsame Klagen gegen Konzerne ohne große Risiken und Kosten ermöglichen. "Wir haben bei der Ehe für Alle gesehen, wie schnell Politik reagieren kann, wenn die Einigkeit groß ist", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der dpa. Aus Unionskreisen hieß es, vor der Wahl am 24. September sei kein sorgfältiges Gesetzgebungsverfahren mehr möglich. Justizminister Heiko Maas (SPD) hatte im vergangenen Jahr einen Entwurf vorgelegt.
Handwerk: Fahrverbote für Diesel vermeiden
Das deutsche Handwerk hat die Autoindustrie aufgefordert, Dieselmotoren schnell umweltfreundlicher zu machen. "Nur wenn alle schnell und koordiniert handeln, lassen sich die Grenzwerte erreichen und Fahrverbote vermeiden", sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, am Freitag in Berlin. Ein Fahrverbot wäre für viele Handwerksbetrieb existenzbedrohend.
Er nahm damit Stellung zu den Ergebnissen des Dieselgipfels am Mittwoch. Dort hatten die Autobauer eine kostenlose Nachrüstung von rund 5,3 Millionen Dieselfahrzeugen der Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6 durch Aktualisierung der Motor-Software angekündigt.
Wollseifer sagte, Software-Updates seien "ein erster Schritt und müssen jetzt sehr schnell umgesetzt werden". Das Handwerk könne seinen Fuhrpark nur dann schnell modernisieren, wenn es Rechts- und Planungssicherheit bekomme. Aus Mangel an Alternativen seien die meisten Betriebe bisher mit Dieselfahrzeugen unterwegs. Nötig seien jetzt "wirklich saubere Diesel".
Die Branche sei auch für neue Techniken offen. "Bisher ist das Angebot für leichte Nutzfahrzeuge mit Elektro-, Gas- oder Wasserstoffantrieb noch unzureichend, auch wenn es sich bereits bessert und so auch für die Betriebe interessant wird", beschrieb der Handwerkspräsident die Lage. (dpa)
Peter Trümper
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