In den USA kämpfte Volkswagen in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Abgas-Skandal, andere Probleme gerieten dadurch in den Hintergrund. Doch seit Jahren schon liegt der deutsche Autoriese mit der Gewerkschaft UAW im Clinch. Nun steuert die Dauerfehde um Mitbestimmung in VWs einzigem US-Werk in Chattanooga auf einen Showdown zu. Seit Mittwoch läuft an dem Standort im US-Bundesstaat Tennessee eine dreitätige Abstimmung der Mitarbeiter über eine Interessenvertretung durch die UAW. Das Votum ist politisch aufgeheizt und begann bereits mit einem ersten Eklat.
Einem Bericht der "Wolfsburger Nachrichten" zufolge wurde ein Spitzenvertreter der Arbeitnehmerseite ausgesperrt. Betriebsratschef Bernd Osterloh zeigte sich empört: "Ich habe kein Verständnis dafür, dass unserem neutralen Wahlbeobachter Johan Järvklo der Zutritt zum Werk Chattanooga verweigert wurde." Järvklo ist Generalsekretär des Weltkonzernbetriebsrats und Mitglied des VW-Aufsichtsrats. "Wir fordern das Unternehmen auf, sich bei diesen demokratischen Wahlen endlich neutral zu verhalten, wie es zugesagt wurde", so Osterloh.
VW wollte sich auf Nachfrage zunächst nicht zu dem Vorfall äußern. Grundsätzlich hat der Konzern Vorwürfe, die Wahl verhindern oder beeinflussen zu wollen, stets zurückgewiesen. VW respektiere das Recht der Beschäftigten, selbst über eine UAW-Vertretung zu entscheiden, hatte das Unternehmen noch vor der Abstimmung mitgeteilt. So oder so erstaunt die Schärfe des Konflikts, der angesichts der traditionell starken Arbeitnehmervertretung und des mächtigen Betriebsrats nicht recht zur Unternehmenskultur bei VW passt. Die Verhältnisse in den USA sind allerdings auch speziell.
Dass die Fronten verhärtet sind, ist kein Geheimnis. Es gibt eine lange Vorgeschichte: Bereits 2014 war es in Chattanooga zu einer Abstimmung der VW-Arbeiter gekommen, damals unterlag die UAW knapp. Doch die Wahl war sehr umstritten. Die Gewerkschaft hatte zunächst Einspruch eingelegt, da politische Lobbygruppen eine Drohkulisse aufgebaut und das Votum damit beeinflusst hätten. Republikanische Politiker hatten behauptet, wenn die UAW einziehe, blieben Investitionen aus und die Produktion neuer Modelle sei gefährdet.
Die UAW drängt seit der damaligen Schlappe auf Neuwahlen, die VW aber angeblich mit allen möglichen Rechtsmitteln zu verhindern versuchte. Während des US-Wahlkampfs Mitte 2016 hatte sich sogar die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton mit einem Tweet eingeschaltet: "Volkswagen-Mitarbeiter in Tennessee erheben ihre Stimme für die Rechte, die sie verdienen." Die prominente Unterstützung nutzte der UAW zunächst wenig. Doch nun - rund drei Jahre später - führten die Bemühungen um einen neuen Versuch, die VW-Arbeiter hinter sich zu sammeln, endlich zum Erfolg.
UAW hat Anhänger wie Gegner
Wie die Wahl ausgeht, ist indes schwer abzusehen. Die UAW ist sich ihrer Sache sicher, doch so beliebt scheint sie auch nicht - es gibt zumindest auch Mitarbeitergruppen, die offen gegen die Gewerkschaft sind. Fest steht: Der Fall ist längst ein Politikum. Die UAW kämpft darum, endlich auch im Süden des Landes Fuß zu fassen, doch ihr Einfluss gilt republikanischen Politikern als Standortnachteil. Die Region hat sich - nicht zuletzt dank niedrigerer Löhne und einer schwachen Arbeitnehmerposition - zu einer Hochburg der Autoproduktion entwickelt und ist somit von hoher strategischer Wichtigkeit.
Die südlichen Bundesstaaten von Texas bis South Carolina bauen ihre Bedeutung für die Autobranche immer weiter aus. Sie werden damit zur starken Konkurrenz für deren traditionelles Zentrum rund um die Autometropole Detroit im Bundesstaat Michigan an der Grenze zu Kanada. Von dort stammen die US-Schwergewichte General Motors, Ford und Chrysler. Die UAW hat hier noch immer viel Mitspracherecht und bleibt von den Konzernen gefürchtet. Die Gegner der Gewerkschaft sehen in ihr jedoch auch einen Schlüsselfaktor für den Niedergang, den die Industrieregion besonders nach der Finanzkrise erlitten hat.
Im Süden hat die UAW bislang nicht viel zu melden. Das gefällt vor allem ausländischen Herstellern, die sich dort - angelockt von Zuwendungen der Lokalpolitik und günstigeren Produktionskosten - ausgebreitet haben. Der deutsche Autoriese Daimler etwa betreibt schon seit über 20 Jahren ein Werk in Alabama, das weiter ausgebaut werden soll. In dem Bundesstaat ziehen auch Toyota und Mazda in einem gemeinsamen Großprojekt eine neue Fabrik hoch - nicht weit von Toyotas bereits bestehender Fertigungsstätte. BMW ist ebenfalls schon lange mit einem großen Werk in South Carolina vertreten. (dpa)