Der Volkswagen-Konzern verschärft angesichts der geplanten Milliarden-Investitionen in E-Mobilität und Digitalisierung bei seiner Kernmarke VW Pkw den Sparkurs. In den nächsten fünf Jahren sollen zusätzlich 5.000 bis 7.000 Stellen wegfallen. Mit automatisierten Routinearbeiten, Materialeinsparungen und geringerer Modellvielfalt sollen ab 2023 die Kosten weiter gesenkt und eine Gewinnverbesserung von 5,9 Milliarden Euro jährlich erzielt werden.
Mit den erhofften Einsparungen will VW sich den finanziellen Spielraum verschaffen, um zusätzliche Milliarden in E-Autos, Digitalisierung und zukünftige Mobilitätsdienste zu investieren. Die bis 2025 geltende Beschäftigungssicherung bekräftigte der Autobauer am Mittwoch in Wolfsburg bei der Vorlage der neuen Sparpläne aber.
Stellen sollen beim altersbedingten Ausscheiden von Mitarbeitern nicht neu besetzt werden. Betroffen vom Stellenabbau ist nach Angaben des Unternehmens im Wesentlichen die Konzernzentrale in Wolfsburg mit den Verwaltungsbereichen Finanzen, Beschaffung und Personalwesen. Inklusive der technischen Entwicklung beschäftigt VW in indirekten Bereichen rund 54 000 Mitarbeiter.
In den kommenden drei Jahren sieht der bei der Kernmarke fürs Tagesgeschäft zuständige Manager Ralf Brandstätter das Potenzial für wegfallende Stellen insgesamt sogar bei rund 11.000 Jobs. Denn jetzt stehen die geburtenstarken Jahrgänge von Anfang und Mitte der 1960er Jahre kurz vor dem Ruhestand. Aktuell werde aber kein weiterer Personalabbau über die laufenden Streichungen und die neuen Pläne hinaus angepeilt, sagte VW-Personalvorstand Gunnar Kilian.
Betriebsrat warnt vor Zwei-Klassen-Belegschaft
Betriebsratschef Bernd Osterloh warnte vor einer Zwei-Klassen-Belegschaft. Der Vorstand müsse wissen, dass es bei den Angeboten zur Altersteilzeit keinen Unterschied zwischen Verwaltung und Produktion geben könne, betonte er. Es müsse klar sein, dass bei Volkswagen nur Arbeitsplätze abgebaut würden, wenn die Tätigkeit dahinter tatsächlich wegfalle. "Einer Fremdvergabe werden wir nicht zustimmen", sagte Osterloh. Er kritisierte die Aussagen zu den 5.000 bis 7.000 Arbeitsplätzen, weil ihm keine Herleitung dieser Größenordnung bekannt sei. "Der Vorstand ist bisher nicht in der Lage, eine Erklärung zu diesen Zahlen zu liefern."
Personalvorstand Kilian sagte, dass es natürlich weiterführende Gespräche mit dem Betriebsrat geben werde, bei denen die Auswirkungen Bereich für Bereich erarbeitet würden. Hintergrund ist, dass VW derzeit Geld in modernere IT-Systeme investiert. Das eröffnet Spielraum für das Management, über Stellenstreichungen Kosten zu sparen. Bereits seit einiger Zeit steht ein weiterer Personalabbau bei der Marke im Raum.
Die niedersächsische Landesregierung wollte zunächst von einer Stellungnahme zu den Maßnahmen absehen. Das Land erwarte zuvor die Vorlage und Diskussion substanzieller und abgestimmter Planungen des Vorstands im Aufsichtsrat, sagte Regierungssprecherin Anke Pörksen. Niedersachsen gehört zu den größten Anteilseignern bei VW und hält 20 Prozent der Stimmrechte im Konzern.
"Wir müssen noch deutlich mehr tun, um die anstehenden Herausforderungen auch in der Zeit nach 2020 zu bewältigen", sagte Brandstätter. Mit der Umsatzrendite - also dem, was vom Umsatz als Betriebsgewinn bleibt - ist VW unzufrieden. "Sie genügt nach wie vor nicht unseren Ansprüchen. Vor allem nicht im Vergleich zum Wettbewerb", sagte Brandstätter. 2022 sollen sechs Prozent vom Umsatz als operativer Gewinn hängen bleiben, 2018 waren es weniger als vier Prozent.
VW-Konzernchef Diess will vor allem die zuletzt schwächelnden Konzernmarken VW und Audi auf mehr Rendite trimmen. Die Marke Volkswagen etwa will bis 2023 rund 19 Milliarden Euro in Zukunftsthemen stecken - was bei niedrigen Gewinnmargen eng wird.
Im Herbst 2016 hatte VW bei der Marke mit der Arbeitnehmerseite bereits ein großes Sparprogramm verabredet, das bis Ende 2020 läuft. Es sieht den weltweiten Abbau von 30.000 Stellen vor, 23.000 davon in Deutschland. Im Gegenzug sollen 9.000 Arbeitsplätze in Zukunftsbereichen wie der Softwareentwicklung neu entstehen. Bisher hat das Unternehmen in diesem Rahmen netto 6.300 Stellen abgebaut. Das Programm sollte eine Ergebnisverbesserung von 3,7 Milliarden Euro ab 2020 bringen und die Produktivität der Werke deutlich erhöhen.
Ohnehin steht die Marke auch im Tagesgeschäft nicht ohne Herausforderungen da. In diesem Jahr kommt eine weitere Stufe neuer Abgas- und Verbrauchstestverfahren, die im vergangenen Jahr soviel Ärger machten und Geld gekostet haben. Auch bei der Einführung des neuen Golf 8 läuft nicht alles rund. Für den geplanten Produktionsanlauf des Kassenschlagers vor Ende des Jahres sei noch viel zu tun, sagte Brandstätter.
In der technischen Entwicklung will VW nicht an neuen Jobs sparen, sondern eher aufbauen. 2000 Jobs sollen dort entstehen, wo es um Software und Elektronik geht. Ende des Jahres will VW die Produktion des vollelektrischen ID anlaufen lassen, der der Golf für das Elektrozeitalter werden soll. Auch das Auto soll mit vernetzten Anwendungen glänzen.
VW Pkw liefert im Februar weniger Autos aus
Die Schwäche des wichtigen chinesischen Automarktes lastet weiter auch schwer auf der Verkaufsbilanz von Volkswagen. Die Kernmarke VW Pkw lieferte im vergangenen Monat weltweit 398.100 Autos aus und damit 2,2 Prozent weniger als vor einem Jahr, wie das Unternehmen am Mittwoch in Wolfsburg mitteilte.
Vor allem in China sorgte ein weiterer Rückgang für einen Dämpfer. In dem Land verunsichert der Zollstreit mit den USA sowie das schwächere Wirtschaftswachstum die Kunden, die sich mit dem Autokauf zurückhalten. China steht bei der Marke für rund die Hälfte aller verkauften Autos. In Deutschland und Europa legte Volkswagen hingegen leicht zu. Nach den ersten beiden Monaten steht bei VW ein Minus von 2,9 Prozent zu Buche.
Im Falle eines ungeregelten Brexit und möglicher neuer Zölle kündigte VW an, Mehrkosten gegebenenfalls an Kunden weiterzugeben. "Wir müssten dann über höhere Preise sprechen", sagte Brandstätter. Großbritannien ist der zweitwichtigste Absatzmarkt für VW in Europa. Rund 500.000 Wagen lieferte der Konzern vergangenes Jahr dorthin aus. (dpa)
Rudi S.
M.S.