Was für die Opelaner Bochum ist, ist für die Mitarbeiter des französischen Autobauers PSA Peugeot Citroën Aulnay-sous-Bois. Die Kleinstadt nahe Paris gilt als Symbol für die existenzbedrohende Krise eines früher stolzen Herstellers. Am Freitag rollte im PSA-Werk Aulnay zum letzten Mal ein Auto vom Band. Im kommenden Jahr wird die Fertigungsstätte mit zuletzt 3.000 Mitarbeitern komplett geschlossen. Bis Mai 2014 soll es in Frankreich rund 11.200 Stellen weniger bei PSA geben als noch 2012. Hinzu kommen massive Einsparungen auch in anderen Bereichen.
Ob das reicht, um das Überleben der traditionsreichen Gruppe zu sichern, bleibt unklar. Seit Wochen halten sich hartnäckig Gerüchte, dass der Volkswagen-Konkurrent sein Schicksal zumindest teilweise in die Hände des chinesischen Hersteller Dongfeng legen will, um langfristig eine Chance auf dem Weltmarkt zu haben. Mit dem Partner betreiben die Franzosen schon ein Gemeinschaftsunternehmen in China.
Es werde geprüft, ob sich eine Investition lohne, hieß es zuletzt vom zweitgrößten Hersteller im Reich des Drachen. PSA ist nicht viel auskunftsfreudiger. Das Unternehmen schaue sich mögliche Partner an und sei in Diskussionen über die Finanzierung von Zukunftsprojekten, lautet der Kommentar zu den Verhandlungen mit Dongfeng. Nach unbestätigten Berichten steht eine Kapitalerhöhung von bis zu drei Milliarden Euro im Raum, wobei Dongfeng und der französische Staat jeweils 20 Prozent der PSA-Anteile übernehmen würden.
Nationalheiligtum unter ausländischer Kontrolle?
Die Einmischung der Regierung hat dabei rein politische Gründe. Wie andere Traditionsmarken gelten Peugeot und Citroën in Frankreich als Nationalheiligtum, das nicht unter ausländische Kontrolle geraten sollte. "PSA wird ein französisches Unternehmen bleiben", versprach Industrieminister Arnaud Montebourg zuletzt. Dies bedeute natürlich nicht, dass keine Beteiligung der Chinesen möglich sei, fügte er hinzu. PSA stecke in "sehr ernsten Schwierigkeiten".
Eine Kapitalerhöhung würde die Machtverhältnisse im Konzern durcheinanderwirbeln. Bislang besitzt die Peugeot-Familie rund ein Viertel der Anteile und damit eine Sperrminorität. Diese dürfte durch das Geschäft mit den Chinesen wegfallen.
Für das Unternehmen könnte das eine Chance sein. Laut eines Regierungsgutachtens wurden beim nach VW zweitgrößten europäischen Autobauer in den vergangenen zwei Jahrzehnten schwerwiegende strategische Fehlentscheidungen getroffen. Statt in Wachstums- und Schwellenländer zu investieren, hat der Konzern demnach lieber höhere Dividenden gezahlt und eigene Aktien aufgekauft. Lange her ist die Zeit, als Citroën Kultautos wie die "Ente" (2CV) oder die legendäre Limousine "DS" ("Göttin") produzierte. Auch Peugeot, die Marke mit dem Löwen im Logo, machte zuletzt vor allem mit Absatzproblemen Schlagzeilen. Zudem ist PSA im Vergleich zu den deutschen Autobauern schwach im Oberklasse-Segment vertreten, mit dem aber am meisten Geld verdient wird.
Kooperation mit GM auf der Kippe
Fraglich ist, welche Konsequenz eine Allianz mit Dongfeng für die jüngst vereinbarte Zusammenarbeit zwischen PSA und dem Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) hätte. Ohne Angabe von Gründen wurde am Mittwoch mitgeteilt, die gemeinsame Entwicklung einer Plattform für Kleinwagen stehe auf der Kippe. Möglich ist, dass GM die Franzosen nicht mit zu viel eigener Technologie versorgen will, die am Ende bei Dongfeng landen könnte. Der Konzern ist schließlich Rivale des chinesischen GM-Partners SAIC.
Eine andere These hat Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Er kann sich vorstellen, dass PSA und Dongfeng bereits Pläne für eine eigene gemeinsame Kleinwagen-Plattform in der Schublade haben. Ein Schwenk weg von GM und hin zu Dongfeng wäre sinnvoll und absolut richtig, sagt Pieper mit Blick auf den PSA-Nachholbedarf auf dem Zukunftsmarkt Nummer eins.
Allerdings ist es keineswegs ausgemachte Sache, dass GM im Fall eines Dongfeng-Einstiegs bei Peugeot die Allianz komplett platzen lässt. Die Zusammenarbeit zwischen Autobauern habe allgemein eine ganz neue Qualität erreicht, sagt Branchenexperte Peter Fuß von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young. "Die Hersteller kooperieren mittlerweile auf Ebenen, die früher undenkbar waren. Auch die Bereitschaft, mit mehreren Partner zusammenzuarbeiten, ist da." (dpa)
TD