Von Andreas Hoenig, dpa
Volkswagen zieht nach einem Untreue-Verdacht gegen Topmanager wegen zu hoher Zahlungen an führende Betriebsräte Konsequenzen und deckelt vorerst deren Gehälter. Die VW-Spitze will damit angesichts strafrechtlicher Ermittlungen auf Nummer sicher gehen und Manager vor Risiken schützen. Konkret bedeutet dies, dass 14 langjährige und führende Betriebsräte des Autobauers mit Betriebsratschef Bernd Osterloh an der Spitze erst einmal zum Teil deutlich weniger Geld verdienen. Osterloh forderte angesichts einer unklaren rechtlichen Lage eine gesetzliche Neuregelung.
"Wir bedauern, dass Mitglieder unseres Betriebsrats und Vertreter des Unternehmens dieser Situation ausgesetzt sind", sagte VW-Vorstandschef Matthias Müller am Freitag in Wolfsburg einer Mitteilung zufolge. Volkswagen zahle einem kleinen Kreis von Betriebsräten vorläufig nur noch eine Vergütung bis zur obersten tariflichen Stufe. Die betroffenen Betriebsräte werden bisher über Tarif bezahlt. Auch Jahres-Bonuszahlungen liegen auf Eis. Die Regelung gilt rückwirkend zum 1. Dezember.
Osterlohs Jahres-Grundgehalt betrug nach eigenen Aussagen bisher rund 200.000 Euro – nach der Deckelung liegt das Grundgehalt bei rund 96.000 Euro. In der Spitze habe es, abhängig vom VW-Erfolg mit Boni, einmal bei 750.000 Euro gelegen. Der 61-Jährige steht seit 2005 an der Spitze des Betriebsrats von Volkswagen und ist einer der einflussreichsten Personen in dem Autokonzern. Er wurde bisher vergleichbar zu einem Bereichsleiter bei VW bezahlt, also einem Mitglied der mittleren Führungsebene unterhalb der Marken- und Konzernvorstände.
Ermittlungen seit Mai
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt seit Mai wegen des Anfangsverdachts der Untreue bei Zahlungen an Betriebsräte gegen VW-Manager. Mitte November durchsuchten Staatsanwälte und Steuerfahnder Büros der VW-Führungsspitze. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richten sich nicht gegen Osterloh.
VW erklärte mit Blick auf die Ermittlungen, das Unternehmen habe sich dazu entschlossen, diese "für alle Beteiligten belastende Situation" schnellstmöglich zu klären. "Wir danken den Betriebsräten ausdrücklich, dass sie diesen Schritt mittragen", sagte Müller. Mehr als 90 Prozent der Betriebsratsmitglieder der Volkswagen AG würden nach Tarif bezahlt und seien damit von den Kürzungen nicht betroffen. Volkswagen habe die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern festgelegt und halte diese unverändert für rechtskonform.
Das Betriebsverfassungsgesetz lasse in Bezug auf die Entgeltfestsetzung von Betriebsräten wichtige Fragen unbeantwortet. Müller kündigte an, mit Nachdruck eine "proaktive" rechtliche Klärung anzustreben. Ein Sprecher sagte, dies könne etwa ein Schiedsverfahren mit einem externen und unabhängigen "Schiedsrichter" sein.
Im Gesetz heißt es sinngemäß, dass Betriebsratsmitglieder nicht weniger verdienen dürfen als vergleichbare Mitarbeiter mit einer für den Betrieb üblichen Entwicklung. Das Problem aber ist, dass ein Unternehmen bei freigestellten Betriebsräten, zumal wenn sie diese Tätigkeit lange ausüben, "hypothetische Karriereverläufe" feststellen muss. Außerdem fehlen höchstrichterliche Entscheidungen zu dieser Frage.
Teils erhebliche Einbußen
Der VW-Konzernbetriebsrat erklärte, der Schritt des Vorstands sei nötig, um eine rasche arbeitsrechtliche Klärung vorantreiben zu können. "Die Entscheidung minimiert strafrechtliche Risiken für die verantwortlichen Manager." Betroffen seien mit 14 Zurückgestuften rund fünf Prozent der insgesamt 262 Betriebsräte bei der Volkswagen AG. Die Entgelteinbußen seien teils erheblich. Aus Sicht des Betriebsrats steht das vom Unternehmen festgelegte Gehalt etwa Osterlohs im Einklang mit rechtlichen Vorgaben, dies werde durch externe Gutachten bestätigt.
Osterloh selbst äußerte in einem Interview auf der Homepage "IG Metall bei Volkswagen" Kritik am Schritt des Vorstands. "Ich denke, dass hier jetzt nach der jüngsten Aktion der Braunschweiger Staatsanwaltschaft einige im Unternehmen auf 110 Prozent sicher gehen wollen. Deshalb gibt man strafrechtlichen Befürchtungen eine höhere Priorität als arbeitsrechtlichen Würdigungen, die von anerkannten Experten stammen", wurde er dort zitiert.
Die strafrechtlichen Berater des Vorstands hätten empfohlen, jedes Risiko auszuschließen. "Und in diesem Fall heißt das für einige Betriebsräte, die bislang eine Management-Vergütung bekommen haben, dass ihr Entgelt erst mal reduziert wird." Die 14 vom Schritt des Vorstands betroffenen Betriebsräte fielen nun in die oberste Tarifstufe zurück. "Das sind etwa 8.000 Euro pro Monat", sagte Osterloh. Auch Management-Bonuszahlungen lägen bis zu einer Klärung der Angelegenheit auf Eis.
Osterloh betonte, es seien sich alle renommierten Arbeitsrechtler einig, dass der Gesetzgeber eine klare gesetzliche Vorgabe machen sollte. Er fügte hinzu: "Ich bin mit mir im Reinen. Und mir werden von vielen Seiten Managementqualitäten zugeschrieben. Ich stecke oft privat zurück und arbeite regelmäßig mindestens 70 Stunden die Woche." Er denke, seine Eingruppierung im Management vergleichbar zu einem Bereichsleiter sollte "in Ordnung" sein. Der Betriebsratschef hatte im Jahr 2015 das Angebot abgelehnt, Personalchef bei VW mit einem Millionengehalt zu werden.
Bernd
Armin Günther