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Landgericht Braunschweig: Untreue-Prozess gegen VW-Manager vor dem Start

06.09.2021 14:17 Uhr | Lesezeit: 5 min
Landgericht Braunschweig: Untreue-Prozess gegen VW-Manager vor dem Start
Bis zu 750.000 Euro hat der ehemalige VW-Betriebsratschef in bonusstarken Jahren verdient. Die Staatsanwaltschaft ist der Meinung: Das war zu viel. 
© Foto: picture alliance/Sina Schuldt/dpa

Das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Firmenleitung ist bei Volkswagen traditionell eng. Zu eng, meinten Staatsanwälte, und klagten Personalchefs wegen Untreue an. Ein Strafprozess arbeitet die Vorwürfe auf. Doch das komplexe Thema geht weit über den Fall hinaus.

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Wie hoch darf ein Unternehmen seine leitenden Betriebsräte bezahlen - und ab wann könnte der Verdacht erkaufter Loyalität der Arbeitnehmerseite entstehen? Dieser Frage geht das Braunschweiger Landgericht ab Dienstag nach. Angeklagt in dem Strafprozess sind drei ehemalige sowie ein noch amtierender Personalmanager des Volkswagen-Konzerns. Sie sollen nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft mehrere Jahre lang überzogene Gehälter für führende Belegschaftsvertreter abgesegnet haben. Weil den Wolfsburgern demzufolge durch den Umfang der Zahlungen weniger Gewinn blieb und so auch Steuerzahlungen geringer ausfielen, lautet der Vorwurf auf mutmaßliche Untreue zulasten des Autoherstellers.

Dabei geht es auch um Bezüge von Ex-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh, der im Mai als Personalvorstand zur VW-Nutzfahrzeug-Holding Traton wechselte. Ein zusätzliches Ermittlungsverfahren um mögliche Beihilfe zur Untreue ist aber vom Hauptstrang getrennt - erst muss feststehen, ob das Gericht bei den vier Managern Anhaltspunkte für strafbares Verhalten sieht. Die Prüfungen drehen sich zudem nicht um einen eigenen Vorteil Osterlohs, er tritt daher nur als Zeuge auf.

Unrechtmäßig hohe Vergütungen für Betriebsräte?

Die Richter wollen nun klären, ob tatsächlich unrechtmäßig hohe Vergütungen kassiert wurden und die Personalchefs dies womöglich gezielt auf den Weg gebracht hatten. Den Schaden infolge verminderter Ertragssteuern taxierten die Ankläger auf über fünf Millionen Euro.

Sollte sich der Vorwurf nachweisen lassen, die Manager hätten den Mitarbeitervertretern zu üppige Gehälter bewilligt, bleibt die Frage nach dem Motiv.

Der Betriebsrat hat im größten deutschen Industriekonzern viel zu sagen. Er kann über seine Aufsichtsratssitze Beschlüsse blockieren, die Beschäftigten-Interessen zuwiderlaufen. Umgekehrt finden sich bei VW auch in oberen Management-Rängen etliche Betriebsratsmitglieder.

Verteidigung weist Vorwürfe zurück

Im konkreten Fall weisen die Verteidiger den Vorwurf zurück, ihre Mandanten hätten fünf mächtigen Betriebsräten zwischen Mai 2011 und Mai 2016 allzu großzügige Entgelte und Boni überweisen lassen. Die von der Anklage monierte "arbeitsrechtswidrige tarifliche Eingruppierung und Bezahlung" sei nicht nachzuweisen.

Legale Vorteile des bei VW starken "Co-Managements" von Kapital- und Belegschaftsseite sind das eine - der bloße Verdacht auf mögliche Korruption wäre das andere. Eine einfache Bewertung der Vergütung gilt in diesem Zusammenhang als schwierig. Denn das in die Jahre gekommene Betriebsverfassungsgesetz lässt bei der zulässigen Gehaltshöhe für leitende Betriebsräte auch aus Sicht mancher Juristen einen großen Interpretationsspielraum.

Unter den Angeklagten sind die Ex-Konzernpersonalvorstände Karlheinz Blessing und Horst Neumann. Blessings Verteidiger Hanns Feigen hatte die Darstellung der Staatsanwälte schon 2020 zurückgewiesen. "Es ist keine Untreue, und mein Mandant ist sich keinerlei Schuld bewusst", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Demnach hatte Osterloh durch Verzichte auf Wechsel in hoch dotierte Management-Positionen einen gewissen "Anspruch auf die Zahlungen, die es dann gewesen wären".

Osterloh hätte bereits 2015 auf Arbeitgeberseite wechseln können

Neumanns Anwalt Ferdinand Gillmeister sieht das ähnlich: "Die Staatsanwaltschaft sagt, wir müssten Herrn Osterloh so behandeln, als wäre er heute noch in der Vergleichsgruppe, in der er vor 30 Jahren war. Das ist nach unserer Ansicht falsch." Die Frage einer möglichen Begünstigung sei außerdem davon unabhängig zu beurteilen. "Hier gab es ja ernsthafte, wiederholte Äußerungen darüber, was Herr Osterloh angeboten bekommen hat." Dieser hätte in der Tat schon lange vor dem jüngsten Abgang zu Traton ins Management wechseln können. Ende 2015 war Osterloh nach dem Beginn der Dieselaffäre und vor der Berufung Blessings etwa der Job des Konzernpersonalvorstands angeboten worden."Wir sind uns in der Grundstrategie der Verteidigung einig, dass das Thema zunächst vor die Arbeitsgerichte müsste", sagte Gillmeister.

Das Betriebsverfassungsgesetz enthalte noch keine genauen Vorgaben, ab wann Betriebsratsgehälter überhöht seien. Man brauche individuelle Abschätzungen, auf welcher Karrierestufe die jeweilige Person heute stünde, hätte sie sich für eine andere Führungsrolle entschieden.Die Strafverfolger hingegen sind der Auffassung, die Personalleiter hätten zur Gehaltsbestimmung bewusst eine unpassende Vergleichsgruppe gewählt. Vertreter der übrigen Angeklagten wollten sich nicht äußern.

Bis zu 750.000 Euro Jahresverdienst

Als Betriebsratschef verdiente Osterloh in bonusstarken Jahren bis zu 750.000 Euro - entsprechend einem VW-Bereichsleiter - und wurde dann zwischenzeitlich auf ein etwas geringeres Niveau zurückgestuft. Bezogen auf dessen Qualifikation und Erfahrung meinte seine Nachfolgerin Daniela Cavallo zur Gehaltshöhe: "Das halte ich für vermittelbar."

Freigestellte Betriebsräte bekommen laut Gesetz für ihr "Ehrenamt" eine Vergütung, die das "Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung" widerspiegeln soll. Hypothetisch wird dabei zugrunde gelegt, auf welches Gehalt ein hoher Betriebsrat oder eine hohe Betriebsrätin nach vielen Jahren Anspruch hätte, wenn er oder sie ähnlich verantwortungsvolle Aufgaben im Management erfüllen würde. Ganz klare Korridore dafür gibt es nicht.

Unklare Rechtslage

VW hatte als Reaktion auf die Untreue-Vorwürfe ein Schiedsgutachten unter Leitung zweier Ex-Richter am Bundesarbeitsgericht in Auftrag gegeben. Es schätzte die Gehälter im Streitfall als angemessen ein.

Die Hauptverhandlung in Braunschweig hätte bereits 2020 anlaufen sollen, der Start wurde wegen der Corona-Lage zwei Mal verschoben. Das Landgericht setzte zunächst elf Termine bis Ende Oktober an.

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