Vor dem nächsten "Autogipfel" am Dienstag hat die Autoindustrie die Notwendigkeit von staatlichen Kaufprämien untermauert. Die Chefin des Branchenverbands VDA, Hildegard Müller, bekräftigte, rasche Beschlüsse seien nötig. "Es muss zeitnah politisch entschieden werden, damit es eine Klarheit im Markt gibt", sagte sie der "Welt am Sonntag". Auch VW-Chef Herbert Diess sprach sich erneut dafür aus.
Die "Autoländer" Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg wollen die schwache Nachfrage mit Kaufprämien für Autos wieder ankurbeln: 4.000 Euro zusätzlich soll es für den Kauf von Autos mit Elektro-, Brennstoffzellen- oder Plug-in-Antrieben geben, 3.000 Euro für den Kauf hochmoderner Verbrenner. Auf diesen Forderungskatalog an den Bund verständigten sich die drei Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD), Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne) am Montag in telefonischen Beratungen, wie Söder anschließend sagte. Wenn jemand sein älteres Auto mit Euro-3- oder Euro-4-Norm abgibt, soll er nach Worten Söders dafür außerdem 1.000 Euro sogenannte "Recyclingprämie" bekommen.
Viele Autohersteller fahren derzeit ihre Produktion nach mehreren Wochen Corona-Lockdown wieder langsam hoch. Die Verkäufe bleiben aber gering - fällt die Nachfrage noch länger aus, könnten etwa übervolle Lager und ein stockender Materialfluss schon in kurzer Zeit zu neuen Probleme in den Fabriken und im Handel führen. Zudem sind zahlreiche Zulieferer auf ein wieder anziehendes Auto-Geschäft angewiesen.
Hildegard Müller, VDA, zufolge herrscht "doppelte Zurückhaltung": Potenzielle Käufer seien nicht nur durch die Corona-Krise selbst verunsichert. "Sobald eine Debatte stattfindet, ob der Staat mit einer Kaufprämie hilft, warten die Verbraucher natürlich ab, bis die Prämie tatsächlich kommt", sagte sie. Bundesregierung und Vertreter der Branche wollen am Dienstag über die angespannte Lage beraten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte aber schon deutlich gemacht, dass bei dem Treffen mit keiner Entscheidung über spezielle Auto-Anreize zu rechnen sei.
"Wir brauchen die Prämie unabhängig von der Antriebsart"
VW-Chef Herbert Diess sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS), man solle nun keine "Grundsatzdiskussionen" führen, sondern den "Fokus auf die Konjunktur und Tempo" legen. "Sonst rennt uns die Zeit davon." Umweltorganisationen wie Greenpeace oder der BUND fordern, Fördergeld höchstens für Autos mit alternativen Antrieben - vor allem reine E-Fahrzeuge - in Aussicht zu stellen, ähnlich äußerte sich auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Der VW-Chef betonte, aus seiner Sicht komme man in der aktuellen Lage nicht um eine darüber hinaus gehende Unterstützung herum: "Wir brauchen die Prämie unabhängig von der Antriebsart, für das gesamte Produktangebot."
Diess hatte schon zum Wiederanlauf des Stammwerks Wolfsburg am vorigen Montag "baldige kraftvolle Maßnahmen" verlangt. Nach Vorstellung von VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh sollte ein Fördermodell eine "Impuls-Prämie" für Neuwagenkäufe umfassen, die auch für neue Verbrenner über "einen klar begrenzten Zeitraum" gilt.
Müller ergänzte: "Wir könnten uns ein Stufenmodell vorstellen, bei dem bestimmte Antriebe noch zusätzliche Prämien bekommen." Laut Volkswagen könnte der Staat über Änderungen des Systems der Mineralöl- oder Kfz-Steuer den Absatz klimaschonender Fahrzeuge zusätzlich anschieben. Große Teile der Branche wollen überdies, dass die weitere Verschärfung der CO2-Ziele der EU mit potenziellen Milliardenstrafen in der schwachen aktuellen Absatzphase noch einmal überdacht wird. "Wenn wir diesen Prozess weiter beschleunigen, bedeutet das noch mehr Wandel in noch kürzerer Zeit, das muss uns klar sein", sagte Diess.
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir - Chef des Verkehrsausschusses im Bundestag - brachte einen alternativen Ansatz ins Gespräch: ein gemischtes "Bonus-Malus-System" mit einem "Umweltanreiz". "Um die Industrie jetzt zu stützen, bekommt jeder einen Bonus, der ein besonders klimafreundliches Auto anschafft", sagte er in der "FAS". "In zwei Jahren führen wir dann einen Malus für klimaschädliche Autos ein." Das biete konjunkturelle Hilfe und Anreiz zum ökologischen Wandel zugleich.
IG Metall fordert Signal der Politik für Stützung der Autobranche
Die Gewerkschaft IG Metall hat vor dem "Autogipfel" ein Signal der Politik zur Stützung der Autoindustrie gefordert. Der Gewerkschaftsvorsitzende Jörg Hofmann sagte am Montag, im Rahmen eines Konjunkturprogrammes müsse es auch Maßnahmen für die Schlüsselbranche Fahrzeugbau geben. "Für die IG Metall kann es eine Kaufprämie nur bei einem nennenswerten Eigenanteil der Automobilbranche geben. Weiter muss damit eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes gefördert und so ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden."
Die Beschäftigung in Deutschland müsse gestützt werden, sagte Hofmann. "Das verlangt einen technologieoffenen Ansatz. Auch emissionsarme moderne Verbrennungsmotoren sind hier einzubeziehen." Bei den Gesprächen zwischen Bundesregierung und Vertretern der Autoindustrie wird am Dienstag auch die IG Metall vertreten sein. (dpa)