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E-Autos, Mobilität und autonomes Fahren: VW will sich neu erfinden

16.06.2016 14:30 Uhr
E-Autos, Mobilität und autonomes Fahren: VW will sich neu erfinden
Matthias Müller (r) und Thomas Sedran, Leiter Konzernstrategie, erläutern die "Strategy 2025".
© Foto: Julian Stratenschulte / dpa

"Dieselgate" hatte Volkswagen in eine schwere Krise gestürzt. Die Perspektive für die Zukunft sieht der Konzern jetzt in einem grundlegenden Umbau. Dafür muss vor allem die Kernmarke profitabler werden.

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Europas größter Autobauer Volkswagen will sich nach dem Abgas-Skandal grundlegend neu aufstellen und die Elektromobilität massiv ausbauen. Weitere Schwerpunkte sind das autonome Fahren und neue Mobilitätsdienstleistungen. Sie sollen neben dem klassischen Kerngeschäft die zweite Säule des Konzerns werden. Volkswagen solle für das "neue Zeitalter der Mobilität" umgebaut werden, sagte Konzernchef Matthias Müller am Donnerstag bei der Vorstellung der neuen Unternehmensstrategie bis zum Jahr 2025.

Mit der neuen Strategie reagiert VW auch auf die fundamentalen Veränderungen in der Autobranche. Die beiden großen Zukunftsthemen sind alternative Antriebe wie Elektromotoren und die digitale Revolution mit mehr Internet im Auto. Müller sprach von einem "epochalen Wandel". Der Wettbewerb werde schärfer. Neben den klassischen Autobauern drängen auch IT-Konzerne wie Google oder Apple ins Autogeschäft.

"Die technologischen Megatrends stellen traditionelle Geschäftsmodelle in Frage, auch weil sich mit ihnen die Kundenbedürfnisse massiv verändern", sagte Müller. Bei den Mobilitätsdienstleistungen geht es etwa um mehr miteinander vernetzte Fahrzeuge, mehr individuelle Mobilität und mehr Geschäfte mit IT und Software.

"Für die notwendigen Zukunftsinvestitionen in die Transformation des Kerngeschäfts und den Aufbau der (...) Säule veranschlagen wir bis 2025 einen zweistelligen Milliardenbetrag", so Müller. Man werde diesen Markt sorgfältig analysieren - aber auch "nicht jedem Trend hinterher laufen". Bei den Mobilitäts-Services werde bis 2025 ein Umsatz "in substanzieller Milliardenhöhe" angepeilt. Hauptsitz der neuen Einheit werde Berlin sein, der Konzern hatte bereits Ende April die Gründung einer eigenständigen Tochterfirma angekündigt.

1.000 neue Software-Spezialisten

Eine Beteiligung am Fahrdienst-Vermittler und Uber-Rivalen Gett mit 300 Millionen Dollar soll den Weg in das Geschäft ebnen. Sie werde der "Nukleus für den Ausbau", sagte Müller. "Um diesen Kern werden wir in den nächsten Jahren in rascher Folge weitere Dienste wie Robotaxis, Carsharing oder Transport-On-Demand gruppieren." Dabei ziele man auf Privat- wie auf Geschäftskunden. 1.000 weitere Software-Spezialisten will Volkswagen dazu einstellen.

Der gesamten Autobranche würden digitale Dienstleistungen enorme Einnahmemöglichkeiten bieten, sagte der VW-Chef. "Wir glauben, dass das ein Profit-Tool ist, das vielleicht im Jahr 2025 ein Potenzial von 35 oder mehr Milliarden Euro hat." Der Volkswagen-Konzern wolle sich an dem Milliardenmarkt beteiligen. Der chinesische Uber-Konkurrent Didi Chuxing besorgte sich nach eigenen Angaben sieben Milliarden Dollar frisches Geld für seine Expansion, Uber bisher insgesamt rund elf Milliarden Dollar.

Batterietechnologie als "neues Kompetenzfeld"

VW will außerdem die Batterietechnologie als "neues Kompetenzfeld" erschließen, wie Müller ankündigte. Mit Hochdruck wird auch eine eigene Fabrik für Batteriezellen geprüft. Bisher sind deutsche Autobauer bei Batteriezellen abhängig von Zulieferern vor allem aus Asien. Batteriezellen sind wesentliche Bestandteile von E-Autos.

Mit Blick auf den Abgas-Skandal sagte Müller, die Bereitschaft für Veränderungen im Konzern sei deutlich gewachsen. VW hatte mit einer Software Abgastests bei Millionen von Dieselfahrzeugen manipuliert. Dies hat den Konzern in eine schwere Krise gestürzt. Der Skandal habe auch Schwachstellen aufgedeckt, sagte Müller: "Die Stichworte lauten hier vor allem: Struktur, Kultur und Effizienz."

Aus Sicht Müllers könnte schon in etwa zehn Jahren auf dem Weltmarkt jeder vierte Neuwagen rein batteriebetrieben sein und so ohne herkömmliche Verbrennungsmotoren auskommen. Von der wachsenden Bedeutung der Elektromobilität wollen auch die Wolfsburger profitieren: Müller kündigte an, die rein batteriebetriebenen Fahrzeuge des Konzerns sollen im Jahr 2025 "rund 20 bis 25 Prozent" vom dann erzielten Gesamtabsatz ausmachen.

Höhere Gewinnkraft

Müller sagte aber zugleich, um dem Umbau des Konzerns zu finanzieren, müsse Volkswagen profitabler werden. "Wir müssen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette, in allen Marken und Bereichen effizienter werden." Die operative Umsatzrendite solle bis 2025 schrittweise auf sieben bis acht Prozent steigen. Derzeit liege VW derzeit bei wesentlichen Kennzahlen zum Teil deutlich hinter den Besten der Branche. "Das kann und das wird so nicht bleiben." Dazu beitragen solle auch ein "Zukunftspakt", über den derzeit zwischen Management und Betriebsrat verhandelt wird. Vor allem die Kernmarke VW mit Modellen wie dem Golf und dem Passat ist ertragsschwach. 2015 waren lediglich knapp zwei Prozent vom Umsatz als operatives Ergebnis vor Zinsen und Steuern übrig geblieben.

VW bricht außerdem mit dem bisherigen Ausbau seiner großen Palette an Fahrzeugvariationen. "Die Gesamtzahl unserer heute rund 340 Modellvarianten werden wir reduzieren." Er räumte Wildwuchs bei der Gleichteilestrategie ein, mit der der Konzern versucht, möglichst viele identische Bauteile in unterschiedlichen Modellen einzusetzen. "Die Baukästen sind der richtige Weg. Aber wir waren dabei, uns zu verzetteln", sagte Müller. Künftig werde VW statt wie bisher mit zwölf Varianten nur mit vier großen Baukästen arbeiten.

Neuausrichtung für Komponentenwerke

Geplant ist außerdem eine Neuausrichtung der Komponentenwerke. Die hausinternen Zulieferer sollen in einem eigenständigen Unternehmen gebündelt werden. Dazu prüft der Konzern für die Zukunft, ob diese neue Einheit auch mit der Konkurrenz Geschäfte machen darf. Müller nannte aber keinen Zeitplan. Er sprach nur davon, dass die neu aufgestellten Komponentenwerke "zu gegebener Zeit auch im externen Wettbewerb" arbeiten könnten. "Die Neuausrichtung der Komponente ist für unser Unternehmen ein großer Schritt."

Der Geschäftsbereich zähle 67.000 Mitarbeiter an 26 Standorten verschiedener Marken auf fünf Kontinenten. Damit wäre der hauseigene Zulieferer, der etwa Motoren, Getriebe, Chassis-Elemente oder Kunststoffteile produziert, bei einem externen Auftritt auf dem Markt auf einen Schlag einer der größten Zulieferer zumindest in Europa. Ein Großteil der Komponentenwerke im Konzern fällt derzeit unter den VW-Haustarif. Ob das so bleibt oder ob etwa Neueinstellungen in dem künftig gebündelten Unternehmen anders behandelt werden, ist unklar. Für derartige Detailfragen sei es noch zu früh, es stehe schließlich erst die Grundsatzentscheidung für eine Neuaufstellung, sagte Müller. Der Sitz der neuen Gesellschaft solle aber in Wolfsburg oder in der näheren Umgebung angemeldet werden. Salzgitter und Braunschweig sind niedersächsische Komponentenwerke, auch im nordhessischen Kassel gibt es eine Teilefabrik, wo keine fertigen Autos vom Band laufen.

VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh begrüßte die Reform für die Teilewerke ausdrücklich: "Hiermit machen wir einen weiteren wesentlichen Schritt, um den Komponentenwerken der Marken die gleichen Möglichkeiten zu geben wie einem externen Zulieferer", sagte er. Die Komponente solle auch künftig mehrere Funktionen erfüllen: einen "wesentlichen Beitrag" auf dem Weg zur Elektromobilität, die Entwicklung technischer Alleinstellungsmerkmale für die Konzernmarken und die Funktion als Preisregulativ gegenüber externen Zulieferern. (dpa)

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