Von Jens Meiners/Auto-Medienportal.Net
Die Amerikaner sollten es richten: Erst im Februar 2015 hatte der US-Manager Phil Murtaugh die Führung des chinesischen Autoherstellers Qoros übernommen. Die lange Zeit vom früheren Volkswagen-Manager Volker Steinwascher geleitete Marke war 2013 mit großen Vorschusslorbeern gestartet, verband sie doch europäische Design- und Ingenieurskunst unter einem neu kreierten, chinesischen Label. Doch auf dem Markt liefen die Modelle schwach: Ganze 14.000 Einheiten konnten 2015 verkauft werden.
Murtaugh, ein früherer GM-Manager, hatte 2011 beim Elektroauto-Hersteller Coda angeheuert. Das Geschäftsmodell der Firma basierte auf einem öffentlichen 300-Millionen-Dollar-Kredit und dem Plan, durch einen Verkauf an einen der etablierten Hersteller, Kasse zu machen. Man war früh beim Elektro-Hype dabei, das Auto simpel konstruiert. Fast wäre es zum Abschluss mit Nissan gekommen – doch im Frühjahr 2013 brach das Projekt zusammen. Murtaugh wechselte zum Motorenhersteller Pinnacle, in dessen Aufsichtsrat er weiterhin sitzt.
Diese Verbindung dauerte während seiner Amtszeit bei Qoros fort; die Interessenskonflikte waren vorprogrammiert. In einer Meldung hat Qoros nunmehr knapp mitgeteilt, Murtaugh verlasse die Firma Ende Januar "aus persönlichen Gründen"; gleichzeitig soll die Marke strategisch neu ausgerichtet werden. Dem Amerikaner ist es nicht nur nicht gelungen, den Durchbruch bei den Verkaufszahlen zu erzielen: Qoros musste obendrein einen Aderlass talentierter Ingenieure und Designer in Kauf nehmen, die von neuen und etablierten Herstellern aggressiv abgeworben wurden.
Neuer Bereich "New Energy Vehicles"
Jetzt kommt die fällige Neuausrichtung – zunächst mit der Gründung des Unternehmensbereichs "New Energy Vehicles", der Niedrig- und Null-Emissions-Fahrzeuge entwickeln soll sowie eines Bereichs "Mobility", der sich mit autonomem Fahren und neuen Mobilitätskonzepten beschäftigen soll. Um hier nicht den Anschluss zu verlieren, hat Qoros die Fühler in Richtung Silicon Valley ausgestreckt.
Weiterhin genießen die Qoros-Designstudien und -Serienmodelle auf dem Messeparkett Beachtung und Anerkennung. Zum Beispiel das in Shanghai präsentierte Qoros 2 Concept. Es wirkt nicht nur modern und robust, sondern es steckt auch voller Ideen - beispielsweise einem Griff für das Nachladen, mit dem es weder schmutzige Hände noch einen Stromschlag geben kann. Besonderes Schmankerl: Die zahlreichen, teils versteckten Anspielungen auf chinesische Kultur und Historie. Gert Hildebrand, der bei Qoros für das Design verantwortlich ist, leitete zuvor das Design bei Mini.
In Zukunft dürfte sich Qoros zwischen Hyundai, Kia, Toyota und Volkswagen positionieren. Gerüchteweise arbeitet der Hersteller an einem Kombi und einer Luxuslimousine. Doch zunächst müssen die kompakten Crossover-Modelle auf den Markt kommen, um ein Stück von dem in China rasch wachsenden Segment erobern zu können. Und mit intelligent gelösten Ansätzen zur E-Mobilität wird Qoros eine neue Chance bekommen, sich zu etablieren.
Verkaufszahlen steigern
Momentan kommt es vor allem darauf an, die Verkaufszahlen langsam zu steigern und der Marke nicht nur auf den internationalen Automessen, sondern vor allem auf der Straße angemessene Präsenz zu verschaffen. Notfall muss das über die eher profane Schwestermarke Chery passieren, die in einigen Wachstumsmärkten inzwischen sichtbare Präsenz besitzt. Ursprünglich hätte man auf diese Verbindung gerne verzichtet, doch so langsam wollen die Investoren Erfolge sehen.
Unterdessen verbreitet Interims-Chef Anning Chen verhaltenen Optimismus: "Mit Verkaufszahlen, die mittlerweile bei über 2.000 Stück pro Monat liegen, und dem kommenden Qoros 5 SUV, glauben wir, dass es jetzt an der Zeit ist, entscheidende Schritte zu unternehmen, um die Zukunft dieses Unternehmens zu sichern." Aus der Branche ist zu hören: Die Headhunter sind unterwegs, um einen Nachfolger für Murtaugh zu suchen, und es gibt auch strategische Investoren, die bei Qoros anklopfen. Der Prototyp eines vollelektrischen Qoros 5 SUV wurde am Mitte Januar in Suzhou Medien, Banken, Politikern und potentiellen Investoren vorgestellt. Mit dem Management-Wechsel und einer neuen strategischen Ausrichtung sind die Chancen für ein erfolgreiches Durchstarten vermutlich besser denn je.
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