Die Situation entbehrt nicht eines gewissen Überraschungsmomentes. Denn wenn Emil Tuniyants irgendwo in San Diego mit seinem goldgelb lackierten Mercedes Sprinter vorfährt, dauert es oft nicht lange, dann huscht eine Dame im Bademantel zu ihm ins Auto. Egal ob Tuniyants vor einem Hotel parkt oder einem Privathaus, vor einem Fitnessstudio oder einer Diskothek – bisweilen stehen die leicht bekleideten Damen bei ihm sogar Schlange. Und immer wieder mischt sich auch ein Mann darunter. Das klingt zwar ein bisschen halbseiden. Doch obwohl es sogar etwas mit Nacktheit zu tun hat, ist Tuniyants Sprinter kein Sündenpfuhl. Der ehemalige Friseur hat seinen Transporter für viel Geld zum mobilen Tanning-Studio umbauen lassen und sprüht der vornehmlich weiblichen Kundschaft binnen 15 Minuten die schönste Sommerbräune auf die Haut.
Damit liegt Tuniyants voll im Trend. Denn während sich hier gerade erst so langsam die so genannten Food-Trucks etablieren, geht das Geschäft in Amerika längst weiter, und zahlreiche Unternehmer bringen ihr Business in einen Bus. Egal ob Friseur, Massagepraxis, Joga-Studio, Boxring oder eben das Solarium aus der Sprühdose – wenn die Kunden zu faul sind für die weite Anreise oder ihnen einfach die Zeit fehlt, kommt ihnen das Geschäft eben buchstäblich entgegen. So wie Emil Tuniyants, der gerade vor dem legendären Coronado Hotel Aufstellung nimmt, während seine Frau im Fond des nobel ausgeschlagenen Sprinters schon die Sprühpistole füllt. Dabei sparen seine keinesfalls nur weiblichen Kunden nicht nur Zeit und Weg. Das Spray-Tanning vor der Haustür ist auch noch komfortabler. "Weil es nach der Behandlung ein bisschen klebt auf der Haut, steigt niemand gerne gleich in seine Klamotten und ein überhitztes Auto", sagt Tuniyants. Man schlüpft einfach in seinen Bademantel, huscht zurück zur Haustür und kann dann abwarten, bis die Farbe wirklich trocken ist – oder gleich unter die Dusche steigen.
Luxuriöse Lackierkabine mit Antihaft-Beschichtung
Zwar bräuchte es für den Heimservice natürlich keinen umgebauten Van. Genauso gut könnte man die Sprühfarbe auch im Badezimmer auftragen, räumt der die Unternehmensgründer ein. "Aber wer will schon die ganze Sauerei in den eigenen vier Wänden", sagt Tuniyants Frau Deana, während ihre eben noch strahlend weiße Kabine ein scheckiges Braun annimmt. "Dann muss man ja gleich noch die Putzfrau kommen lassen und macht das Tanning zu einem teuren Vergnügen." Sie dagegen arbeitet in einer Art luxuriöser Lackierkabine mit Antihaft-Beschichtung, die binnen fünf Minuten wieder strahlend weiß ist. "Allein daran haben wir mehre Wochen getüftelt," sagt Emil stolz, während der Firmenchef auf dem kleinen Sofa im Vorraum sitzt, sich ein Wasser aus dem Kühlschrank nimmt und die liebevollen Umbauten inklusive Garderobe und Materiallager erläutert. Dort stapelt er nicht nur die verschiedenen Brauntöne und die passenden Pflegeprodukte. Für besonders spontane Kunden liegt dort neben Haarnetzen auch Einmal-Unterwäsche bereit, die man nach der Behandlung kurzerhand entsorgt.
In irgendeiner dunklen Ecke der USA mag dieses Geschäftsmodell noch einleuchten. Oder vielleicht im Winter in Alaska. Doch warum sollte man sich ausgerechnet in einer der sonnigsten Städte der USA aus der Sprühdose bräunen lassen, Mister Tuniyants? "Auf der einen Seite ist es hier immer warm und man geht gerne so luftig gekleidet aus dem Haus, so dass man viel Haut zeigt, die natürlich nicht käsig sein darf. Aber auf der anderen Seite ist die Sonne hier so stark, das viele Angst vor Hautkrebs haben und sich deshalb lieber nicht zu lange an den Strand legen", umschreibt er die Marktlücke, die er mit seiner Sprühfarbe füllt – natürlich nur bio und für die Haut völlig unbedenklich, wie er versichert.
Deshalb tingeln Emil und Deana jetzt seit ein paar Wochen durch San Diego und können sich vor Nachfrage angeblich kaum retten. Vor allem vor offiziellen Anlässen wie Hochzeiten oder Geburtstagen wird er gebucht. Er arbeitet zusammen mit Fitnessstudios vor Bodybuilding-Wettbewerben, macht Modells fit für den Laufsteg und ist der Star bei Partys oder den Polterabenden von aufgeregten Bräuten. "Wir sind über Wochen ausgebucht", stöhnen das Bräuner-Pärchen, die beide eigentlich noch einen anderen Job haben. Doch bei Preisen, die zwischen 39 und 69 Dollar und damit deutlich über den Tanning-Tarifen der lokalen Studios liegen, lohnt es sich, mehr Freizeit für die Firma zu opfern und ein paar zusätzliche Termine im Online-Buchungsportal freizuschaufeln. Zumal die insgesamt 100.000 Dollar für den Van und den Umbau ja irgendwie wieder hereinkommen müssen.
Das Geschäft brummt
Mit dieser Investition hat sich der Friseur zwar nicht leichtgetan. Doch wenn er in den vollen Kalender schaut, ist er mittlerweile überzeugt, dass er sein Geld gut angelegt hat. "Und vielleicht habe ich sogar einen Trend los getreten", glaubt der findige Firmengründer. Denn seit sich seine Geschäftsidee herumgesprochen hat, erreichen ihn fast wöchentlich Anfragen von aus dem ganzen Land, ob man nicht kooperieren wolle oder ob er sein Konzept nicht als Lizenz weiterverkaufen könne. Deshalb überlegt Tuniyants jetzt schon, ob er bald einen zweiten Sprinter bestellt, ob er seine Flotte ausbaut oder tatsächlich ins Franchising einsteigt.
Bei dem Gedanken beginnt sein Gesicht noch ein bisschen mehr zu strahlen und das Braun bekommt einen stärkeren Goldstich. Spraytan-Vans nicht nur in San Diego, sondern auch in Boston, Chicago oder New York? Das ist eine Idee, der Deana und Emil durchaus einen gewissen Reiz abgewinnen können. Oder warum nicht auch in München oder Berlin? "Ein bisschen Sonne würde euch Bleichgesichtern in Europa doch wahrscheinlich auch nicht schaden? So schönes Wetter, wie wir es in Kalifornien haben, kennt Ihr doch nur aus dem Urlaub."