VW Abgas-Skandal: Weichenstellungen für die Rückruf-Aktion

Noch sind nicht alle Details geklärt, viele Fragen zur praktischen Durchführung der Aktion noch offen: Wie wird die Frage der Ersatzmobilität geklärt? Welche Vergütung gibt es für die Händler für die zu erbringende Werkstattleistung? Welcher Umfang ist notwendig? Welche Werkstattkapazitäten müssen vorgehalten werden? Wie soll es mit den Ersatzfahrzeugen funktionieren? In den nächsten Wochen müssen aus Wolfsburg und Ingolstadt klare Ansagen kommen. Dennoch kann man - muss man - seitens der Servicebetriebe schon jetzt die ersten Weichen stellen. Vom Problem zur Herausforderung und letztlich zur Chance Keine Frage, dieser Rückruf birgt eine besondere Brisanz in sich, es handelt sich nicht um eine Lappalie. Das gesamte Serviceteam muss auf unterschiedliche Kundenreaktionen gefasst und vorbereitet sein. Einige Kunden werden es gelassen hinnehmen - andere wiederum werden ihren Frust und Zorn auf den Händler abladen. Das kann schon bei der telefonischen Terminvereinbarung der Fall sein oder anlässlich des Werkstattbesuches. Die Serviceassistenz und der/die Serviceberater/in sind aufgefordert, diese Situation im Vorfeld durchzuspielen und sich auf alle Möglichkeiten bestens vorzubereiten. In der VW-Markenwelt sind die meisten der Mitarbeiter/innen durch deren Ausbildung zum GSP oder zur geprüften Serviceassistenz in Sachen Einwandbehandlung und Reklamation gut geschult, notfalls wird empfohlen, die Trainingsinhalte bis dahin nochmals zu rekapitulieren. Generell empfiehlt es sich, ein Servicemeeting mit den betroffenen Mitarbeitern/innen zu arrangieren mit dem Ziel eine Strategie zu entwickeln. Folgende acht Punkte sollen diskutiert und daraus eine einheitliche Vorgehensweise entwickelt werden: 1. Was ist alles bei der telefonischen Terminvereinbarung zu beachten? Wie geht man am Telefon richtig mit aufgebrachten Kunden um? 2. Wie können wir die zusätzlich notwendigen Kapazitäten in den Werkstatt-Terminplan einarbeiten, ohne dass das "normale" Tagesgeschäft darunter leidet? Wie können wir Zusatzkapazitäten einplanen für eventuelle Auftragserweiterungen, die wir aus Dialogannahmen generieren können? 3. Wie begegnen wir ungehaltenen Kunden (perfekte Einwandbehandlung) im direkten Kontakt? 4. Wie beantworten wir Fragen zum Thema Ersatzmobilität - oder mit welchen Argumenten können wir Kunden (falls es die Durchführungsdauer des Auftrages zulässt) zum Warten bis zur Fertigstellung bewegen? Welche einfachen Möglichkeiten der Ersatzmobilität können wir ins Spiel bringen? Welche Mietwagenkapazitäten sind je Arbeitstag notwendig? 5. Wie können wir uns auf Nutzfahrzeugkunden und deren besondere Zeitbedürfnisse und Ersatzwagenansprüche (die vermutlich in der Breite der notwendigen Fahrzeugoptionen gar nicht vorgehalten werden können) einstellen? 6. Wie gestalten wir die "Annahme" und Auftragserstellung - Stichwort Dialogannahme! 7. Auf welche Art und Weise nutzen wir die Chancen, die mit dieser Aktion verbunden sind? 8. Wie können die Verkäufer/innen in diese Aktion mit eingebunden werden? Kapazitätsplanung Je Betrieb kommen unterschiedlich viele Fahrzeuge in Betracht. Wenn man davon ausgeht, dass die Stammkunden für die Wiederherstellung des gesetzesmäßig ordentlichen Zustandes am Fahrzeug während einer Regelinspektion gewonnen werden können und somit keine zusätzlichen Werkstattkontakte erforderlich sind, muss man hier nur die zur Wartung zusätzlich notwendigen Zeiteinheiten planen. Für das Aufkommen der Kunden, die schon länger nicht mehr im Hause waren oder gar die, die noch nie in der Werkstatt waren, kann eine zeitnahe Erledigung im Prinzip nur dann erfolgen, wenn zusätzliche Mechatroniker/innen zur Verfügung gestellt werden. Die augenblickliche Situation am Arbeitsmarkt wird diese Variante in vielen Fällen nicht ermöglichen. Verbleiben als Lösung Überstunden, die durch die Verlängerung der täglichen Arbeitszeiten, eventuell sogar durch späte Sonderschichten oder/und Samstagsarbeit geschaffen werden müssen. Es bleibt abzuwarten, wie darauf die Betriebsräte (sofern vorhanden) reagieren werden? Wird auf die durch die Arbeitgeber nicht zu verantwortende Sondersituation Rücksicht genommen oder vertritt man die Hardlinerposition? Natürlich spielt hier auch die Vergütungslösung des Herstellers die entscheidende Rolle, vielleicht verläuft jede Überstundenregelung mangels ausreichender finanzieller Mittel gleich im Sande. Auftrags- und Werkstattplanung Diese Überlegungen besitzen augenblicklich nur spekulativen Charakter. Zu hören oder zu lesen waren zwischenzeitlich Spekulationen über einen Aufwand je Fahrzeug von bis zu 9 Stunden bis zu den jüngsten Verlautbarungen mit maximal einer Stunde. Natürlich ist es höchste Zeit, Klarheit zu schaffen, es ist spät genug! Man kann die Händler, die letztlich den Schwarzen Peter gegenüber den Kunden in der Hand haben und ihr Servicegeschäft sorgfältig planen müssen, nicht im Regen stehen lassen. Nachdem die Marken-Autohäuser den wesentlichen Ertrag aus dem Aftersales-Geschäft ziehen, muss unbedingt vermieden werden, dass durch diese Aktion gerade dieses überlebensnotwendige Geschäft leidet. Dies kann rasch zur Realität werden, wenn zugunsten der herstellerseitig verursachten Inanspruchnahme der Werkstattkapazitäten, z. B. zum geringen Garantiesatz, andere ertragsbringende Kundenaufträge hinten anstehen müssen. Es wird genau zu beobachten sein, wie sich die Deckungsbeiträge entwickeln werden. Eine grundsätzliche, vorläufige Kapazitäts-Planungsidee ist z. B. jene, die auf der Arbeitszeit des Serviceberaters beruht. Bei den üblichen Kennzahlen der Serviceannahme bearbeitet ein/e Serviceberater/ in pro Jahr ca. 2.200 Aufträge. Wenn man hier die betroffenen bestehenden Kundenfahrzeuge mit einbezieht, dazu noch die gleiche Anzahl an Nichtkunden oder die länger als 24 Monate nicht mehr anwesenden ehemaligen Kunden, dann kann man davon ausgehen, dass ein Auftrag zusätzlich pro Tag (das wären etwas über 2.000 Kundenaufträge p. a.) einzuplanen ist - die natürlich mit der entsprechenden anwesenden Monteurkapazität in Einklang gebracht werden muss. Diese Überlegung geht heute mal von einem möglichen, spekulativen zusätzlichen Aufwand von einer Stunde je Fahrzeug aus. Unter Annahme, dass unter den "normalen" Tagesanmeldungen etwa drei bis fünf betroffene Kundenfahrzeuge sind und dazu noch ein Neukunde zu bewältigen ist, ergeben sich für die Werkstatt an einem Arbeitstag ca. 5 Stunden zusätzliche Arbeit. Unter der weiteren Annahme, dass ein/e Serviceberater/in etwa 4 Monteure mit ihren Aufträgen täglich auslastet, würde ein Mehrarbeitsbedarf um ca. 6 Stunden je Tag entstehen. Dies scheint zu bewältigen zu sein, insbesondere in den erfahrungsgemäß weniger ausgelasteten Zeiten im Januar und Februar. Zur Räderwechselsaison ab März müssen neue Überlegungen angestellt werden. Zur möglichst effizienten Abarbeitung der Zusatzaufträge ist auch zu überlegen, ob nicht "Spezialteams" in der Werkstatt geschaffen werden, die sich hauptsächlich mit dieser Thematik befassen können. Leider sind diese Überlegungen alle spekulativ und können sich nach Bekanntgabe der endgültigen Fakten sehr rasch als Makulatur erweisen, die Karten sind dann neu zu mischen. Die Chance Im Prinzip geht es um eine gewaltige Rückrufaktion, die aus Marketingperspektive zu zusätzlichen Kundenkontakten führt. Man wird Kunden wieder treffen, die schon länger als zwei oder drei Jahre nicht mehr im Hause waren, und man wird Nichtkunden begrüßen, die noch nie in der Werkstatt waren. Wie geht man mit ihnen um? Wie macht man das ursprüngliche Problem zur Chance? Wie kann man die ausgebliebenen Kunden wieder als Stammkunde gewinnen und wie macht man aus Erstkunden Dauerkunden? Servicezentrum Dialogannahme Davon ausgehend, dass man Serviceaufträge von Stammkunden sowieso mittels eines Fahrzeug-Checks im Rahmen einer Dialogannahme bedient, gilt dies im besonderen Maße für die o. g. Kundengruppe. Eine Einladung an den Kunden, gemeinsam das Fahrzeug zu inspizieren "... ob sonst noch alles in Ordnung ist", eventuell verbunden mit dem Angebot, die durchzuführenden vom Hersteller vorgegebenen Maßnahmen direkt am Fahrzeug zu erklären, sollte die Serviceleitung als "Pflicht" ausrufen. Nahezu in jedem Fahrzeug sind Umsatzchancen verborgen, wie die tabellarische Übersicht auf Seite 25 zeigt. Diese Aufzählung an Möglichkeiten sollte alle dazu motivieren, den Fahrzeug-Check durchzuführen. Einerseits kann man auf diese Art und Weise dem Kunden aufzeigen, was am Fahrzeug an eventuellen Servicearbeiten durchzuführen ist, andererseits kann man auch versuchen zusätzlichen Sofortumsatz zu generieren. Das können z. B. Wischerblätter sein, Scheibenklar, Warnwesten, Verbandskästen, Nachfüllöl u. v. a. m., alles wäre ohne zusätzlich notwendige Werkstattkapazität zu bewältigen. Nachdem die Kunden mit der Erwartungshaltung kommen "alles kostenlos!", wird man vermutlich mit notwendigen größeren Reparaturaufträgen etwas zurückhaltender umgehen müssen, was u. U. auch aus Kapazitätsgründen ebenso notwendig sein wird. Hier ist ein Auftragscontainer zu schaffen, in dem man fällige Instandsetzungen registriert, um zu gegebener Zeit darauf zurückzukommen. Aus diesem Grund ist bei den betreffenden Kunden/Nichtkunden auch die Datenschutzerklärung einzuholen, damit man später problemfrei telefonisch oder mit anderen Kommunikationsinstrumenten nachfassen kann. Die Checkliste/das Terminblatt eignet sich bestens als Beleg für die spätere Akquise. Selbstverständlich ist, dass man die Kunden- und Fahrzeugdaten (inkl. HU-Fälligkeit, obligatorisch) aufnimmt und die neuen Kunden in das Kontaktprogramm Ihres Aftersales-Geschäftes. Vielleicht gewinnen Sie aus dieser Aktion so viele dauerhafte Neukunden wie noch nie zuvor. Wertvolle Kundenkontakte nutzen Das individuelle Eingehen auf die Kundensituation ist entscheidend. Kunden mit älteren Fahrzeugen kann man z. B. von den Vorteilen und der Preiswürdigkeit der "Freundschaftsinspektion" oder der entsprechenden Offerte von Audi überzeugen. Neukunden kann man mit einem "Kundenbegrüßungspaket" überraschen (siehe Grafik oben). Präsentieren Sie so IHR Autohaus, IHRE Werkstatt, schaffen Sie Attraktivität durch Information, lassen Sie die Chance nicht ohne weiteres aus dem Haus gehen. Fazit: Einerseits ist der Rückruf alles andere als angenehm. Andererseits muss man auch die Chancen sehen, die darin verborgen sind, das ist der positive Aspekt. Wichtig ist, dass schnellstens Klarheit über die Formalitäten geschaffen wird, damit die Voraussetzungen geschaffen werden können. Zumindest sollte die Werkstattauslastung in den schwachen Wintermonaten in 2016 kein Thema sein. Kurzfassung Ein Rückruf ist alles andere als angenehm, vor allem wenn es um einen in dieser Dimension geht. Dennoch: Mit guter Vorbereitung im eigenen Autohaus lassen sich selbst diese gigantischen Herausforderungen meistern und darüber hinaus die damit verbundenen Chancen erkennen und nutzen. Anregungen und Tipps, was in dieser Hinsicht vorbereitend im Autohaus zu tun ist, lesen Sie in diesem Beitrag.

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